Wann ist ein Mann ein Mann?

Diese Frage, einst poetisch, ist heute wieder politisch aufgeladen. In einer Zeit, in der Gleichheit und Freiheit propagiert werden, kehrt ein altes Ideal zurück – das der Härte, Disziplin und soldatischen Männlichkeit. Das Bild des Mannes, der nach Schweiß, Leder und Tabak riecht, der Befehle gibt und befolgt, arbeitet, kämpft und nicht klagt, gewinnt an Anziehungskraft. Es evoziert Sicherheit, Stärke, Verlässlichkeit – doch es ist zugleich ein Rückschritt, ein Schatten des 20. Jahrhunderts.

Diese Rückkehr zum martialischen Männerbild erinnert an die Ästhetik und Rhetorik des Dritten Reiches, in dem Männlichkeit gleichgesetzt wurde mit Gehorsam, Stärke und Opferbereitschaft für Volk und Vaterland. Damals war der Mann kein Individuum, sondern Funktionsträger einer Ideologie. Seine Aufgabe war nicht, sich selbst zu verwirklichen, sondern ein Werkzeug der Gemeinschaft zu sein. Diese Denkform lebt heute in gefährlich subtilen Mustern fort – in Werbung, populärer Kultur oder politischen Diskursen, die von „Verweichlichung“ oder „Männerkrise“ sprechen.

Doch diese Wiederbelebung eines starren Rollenbildes ist keine Befreiung, sondern eine neue Form von Zwang. Sie verbietet Männern die Entwicklung eigener Identität, schränkt ihre emotionale Bandbreite ein und verengt ihr Selbstverständnis auf Körperkraft und Kontrolle. Es entsteht eine Verbotskultur der Männlichkeit, in der Freiheit zur Selbstgestaltung durch Erwartung ersetzt wird. Ein Mann, der weich spricht, fühlt oder zweifelt, gilt als defizitär.

Schon Kinder spüren diesen Druck. Jungen werden belächelt, wenn sie tanzen wollen, Mädchen belächelt, wenn sie Fußball spielen. Damit beginnt Frühprägung, die Kreativität und Selbstfindung hemmt. Wenn von klein auf suggeriert wird, was ein richtiger Mann ist, entsteht nicht Stärke, sondern Angst – Angst, zu versagen, zu anders zu sein. Diese Angst verfestigt sich später in Gleichgültigkeit, Aggression oder Rückzug. Versagensangst ist die Triebfeder des Autoritarismus. Autoritarismus ist der Garant für den schwachen Mann, dass dieser sein Selbstbild ohne große Mühe aufhübschen kann.

Wo Kreativität fehlt, verkümmert Bildung, denn Denken erfordert Freiheit. Ein Mensch, der nicht frei fühlt, kann nicht frei entscheiden. Das gilt besonders für Männer, denen Stärke als Pflicht statt als Möglichkeit vermittelt wird. Die wahre Männlichkeit aber liegt nicht im Echo vergangener Ideale, sondern in der Fähigkeit, sich selbst zu erkennen – jenseits von Schweiß, Leder und Tabak.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

1 Kommentare

Mehr von Gargamela