Vielleicht haben mir unlängst am Karmelitermarkt in Wien all jene Passantinnen – es waren tatsächlich vor allem Frauen –, die ich vor der Kamera gezielt danach gefragt habe ja einfach die Wahrheit gesagt? „Bio oder gar kein Schwein“, „Wenn, dann nur Bio oder direkt beim Bauern“, „Bio, wenn es nicht zu teuer ist“ (!) so und ähnlich bekam ich am häufigsten zur Antwort auf meine Frage nach den wichtigsten Kriterien beim Kauf von Schweinefleisch. Merkwürdig schon, dachte ich mir, bei einem Marktanteil von wenigen Prozentpunkten, diese Häufung an Bio-Konsumentinnen...

Ich will hier jene, die sich vor der Kamera dankenswerterweise bereit erklärt haben, ein paar Fragen zu ihrem Schweinefleischkonsum zu beantworten, nicht ungeprüft der schnöden Unehrlichkeit bezichtigen. Vielleicht gibt es ja tatsächlich ein kleines „Bio-Nest“ im hippen zweiten Wiener Gemeindebezirk. Sehr wahrscheinlich aber handelte es sich im einen oder anderen Fall um ein in der Meinungsforschung unter dem Begriff „kognitive Dissonanz“ längst bekanntes Phänomen. Dies meint eine Unstimmigkeit zwischen grundsätzlich für richtig gehaltenem, beabsichtigtem, sozial erwünschtem Handeln und dem tatsächlichen, realen Tun.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Konsumenten hier in ihren Angaben sich tendenziell „besser“, ökologischer, tierfreundlicher etc. zeigen als am Point of Sale. Dass sie sich und anderen etwas vormachen. Hier kostet es ja nichts, oder nicht viel. Eine kleine Unehrlichkeit maximal, die noch dazu folgenlos bleibt. Folgenlos? Nicht ganz. Konsumentenbefragungen und deren Ergebnisse dienen unter anderem dazu ein bestimmtes Marktpotential zu umreißen. Dann heißt es etwa in Verlautbarungen bestimmter Interessensvertreter: So und so viele Menschen wären bereit für mehr Tierwohl tiefer in die Tasche zu greifen, oder: Das Potential für Bio ist noch lange nicht ausgeschöpft. Und aufgrund dieser „Ergebnisse“ wird dann schon einmal einer ganzen Branche vorgeworfen sie produziere am Bedarf vorbei. Ich denke diese Art von Argumentation, die eben nicht zuletzt auf Konsumentenbefragungen beruht, verkennt das Phänomen der kognitiven Dissonanz.

Konventionell...

"normales Bio"...

oder "Bio*****" mit Weidehaltung - je schöner die Bilder, desto teurer das Fleisch

Für Bio zu sein heißt noch lange nicht Bio zu kaufen

So begrüßenswert es wäre, wenn sich, um beim Bio-Schwein-Beispiel zu bleiben, tatsächlich so viele Konsumenten von Tierwohlkriterien dazu bewegen ließen ihr Einkaufsverhalten radikal zu ändern – und einen zwei- bis dreifachen Preis im Schnitt für Bio-Schweinefleisch zu akzeptieren, heißt schon eine radikale Änderung, denke ich – so wenig wird dieses Wünschenswerte von der Realität eingelöst. Und diese Realität zeigt sich eben nicht bei Befragungen sondern dort, wo es „weh tut“, beim Einkauf.

Damit will ich nicht gesagt haben, dass Bio beim Schwein schon am Ende der Fahnenstange angelangt wäre. Ganz sicher nicht. Weder quantitativ noch qualitativ übrigens. Und ich will auch nicht gesagt haben, dass eine durch Umfragen erhobene Bereitschaft für mehr Tierwohl mehr zu zahlen nicht ein gewisses Potential zumindest anzeigt. Diese Bereitschaft ist sicher da. Aber sie hat ihre relativ klar umrissene Schmerzgrenze. Anders ausgedrückt: die ehrlichste Antwort auf die Frage ob Bio ein wichtiges Kaufkriterium sei, erkennt man am Zusatz „…wenn es nicht zu teuer ist“.

Und das ist das Problem bei Bio-Schweinefleisch. Die Preisdifferenz zum konventionellen Vergleichsprodukt ist bei keinem anderen tierischen Produkt so hoch wie beim Schwein (ich nehme Fisch einmal aus). Bio-Milchprodukte etwa sind zumindest im Bio-Weltmeister-Land Österreich heute nur noch unwesentlich teurer, ähnliches gilt für Eier. Beim ohnehin teureren Rindfleisch, das sich aus diesem Grund viele Schweine- oder Geflügelfleischkonsumenten auch konventionell erzeugt nicht leisten wollen oder können, verhält es sich wieder etwas anders. Die „sauteuren“ Edelteile bekomme ich auch hier selten in Bio-Qualität und gleichzeitig wesentlich häufiger aus billigeren Erzeugerländern als dies etwa beim Schwein der Fall ist. Der Hintergrund ist immer die sensible Frage der Preisgestaltung. Der Handel weiß nämlich aus langjähriger Erfahrung ganz genau, ab welchen preislichen Schmerzgrenzen ihm seine Kunden die Treue aufsagen.

Bio? Gern! Wenn es nicht zu teuer ist...

Es ist also alles andere als leicht Bio beim Schwein zu forcieren. Abgesehen davon, dass die Umstellungen auf Bio für einen konventionellen Schweinebetrieb ungleich schwieriger sind als bei anderen Tierarten – insbesondere die „biologische“ Ferkelproduktion, die der schwierigste Teilaspekt beim Bio-Schwein ist –, bleibt die Frage nach den Absatzmöglichkeiten, wie ich oben andeuten wollte. Hier dürfte denn auch der Umstand begründet liegen, dass Bio beim Schwein in Prozentanteilspunkten anderen landwirtschaftlichen Produkten doch deutlich hinterherhinkt.

Am Karmelitermarkt unlängst wollte ich den vielen Bio-Konsumentinnen dann doch die Frage nicht ersparen, wo sie denn ihr Bio-Schweinfleisch beziehen. Genau gesagt fragte ich ganz offen, ob sie denn bei den führenden Lebensmitteleinzelhändlern überhaupt Bio-Schwein zu kaufen kriegen, wohl wissend, dass dies schon eine eigene Challenge darstellt. Außer Bio-Frankfurter und eventuell Faschiertem werde ich nur in ausgesuchten Filialen überhaupt Bio-Schwein bekommen. Die Damen – wie gesagt, nur die Damenwelt zeigte sich dermaßen klar Bio-affin –, wussten wohl um dieses Problem. Ja, es sei schon schwierig im Supermarkt. Deshalb kaufe man Schwein nur beim Metzger oder am besten Ab-Hof. Ich dachte mir nur, wow, es muss dann wirklich viele Bio-Metzger und Bio-Direktvermarkter geben in Österreich...

PS: Unsere Videos zum Thema "Schwein aus Österreich" und alle unsere Rechercheergebnisse gibt's ab Herbst auf unserer Webseite!

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