Das Bild, das wir Konsumenten von Biologischer Landwirtschaft haben, wird ganz entschieden von der Fernsehwerbung geprägt und deckt sich kaum mit der Realität. Insbesondere werden Bio-Lebensmittel mit dem Anschein des irgendwie Kleinen, Heimeligen ins Rennen um die Konsumentengunst geschickt. Klein und überschaubar gilt uns Österreichern als besser, als irgendwie vertrauenswürdiger. Dass einige der allergrößten Ackerbauern mittlerweile biologisch produzieren, will da nicht so recht ins Bild passen. Ich habe mir vor kurzem mein eigenes machen können auf zwei „großen“ Bio-Betrieben in Niederösterreich.

Österreich ist Bio-Weltmeister. Werden weltweit kaum ein Prozent der landwirtschaftlichen Flächen biologisch bewirtschaftet, so steht Österreich mit seinem Bio-Flächennutzungs-Anteil von 20 Prozent selbst innerhalb der bio-affinen EU an der Spitze. Wobei ein klares West-Ost-Gefälle herrscht. Alpine Grünflächen sind nun mal wesentlich einfacher auf Bio zu „tunen“ als die Ackerflächen und ertragreichen Böden in Ostösterreich. Wie bei allem gibt es auch hierfür Ausnahmen. Zwei dieser Ausnahmen habe ich im Zuge unserer Dreharbeiten zur Kartoffel und zum Brotgetreide besuchen dürfen.

Was ist groß?

Frage ich einen Laien, wird er wahrscheinlich keine Ahnung haben, ab welcher Fläche ein landwirtschaftlicher Betrieb in Österreich als groß gelten mag. Ihm werden 10, 50 oder 100 Hektar wenig sagen in aller Regel (Ein Hektar entspricht in etwa der Fläche von zwei Fußballfeldern). Im Schnitt haben Österreichs konventionelle landwirtschaftliche Betriebe 14, 8 Hektar Nutzfläche. Biologische sind mit durchschnittlich 14, 7 Hektar de facto gleich groß. Wobei der Durchschnittswert – wie immer – die starken vor allem regionalen Unterschiede verwischt. Sieht man sich das nämlich etwas genauer an, dann ergibt sich bei der Fläche umgekehrt zum Bio-Anteil ein Ost-West-Gefälle. Im Tiroler Unterland, wo ich aufgewachsen bin, gilt wahrscheinlich heute noch ein Bauer mit sagen wir 50 Kühen und einer Nutzfläche von 40 Hektar als richtig groß. Die 40 Hektar hingegen werden keinen Weinviertler Ackerbauern vom Hocker reißen.

Zweifellos groß werden aber sowohl einem Laien als auch jedem heimischen Landwirt die 1700 Hektar (17 km² oder ca. 3400 Fußballfelder oder dreimal der Wiener Prater!) erscheinen, die ein Demeter Betrieb im Grenzgebiet zur Tschechischen Republik bewirtschaftet. Demeter gilt vielen als die Creme de la Creme innerhalb der Bio-Szene. Jedenfalls produzieren Demeter-Betriebe, die sich auch biodynamisch nennen, nach teils noch strengeren Richtlinien als „herkömmliches Bio“. Unsereiner wird hier von einem klassischen Gutshof sprechen und genauso erschien er mir auch in seiner ganzen Anmutung. Ein übrigens, wie ich fand, hervorragend geführter Betrieb, dessen Kulturen für mein laienhaftes Auge alle recht schön am Acker standen. Wobei die heurige Trockenheit und ein Schädling mit dem harmlos klingenden Namen Getreidehähnchen dem Gutsverwalter schon einiges Kopfzerbrechen bereiten, wie er mir im Gespräch mitteilt.

Manpower aus Tschechien

Selbstredend kann ein Betrieb dieser Größe nur mit entsprechend zusätzlicher Manpower produzieren. Hier macht sich für den Gutsherren die Grenznähe „bezahlt“ im wahrsten Sinne des Wortes. Das heißt, er beschäftigt überwiegend bewährte Kräfte aus dem nahen Tschechien.

Auf die ungewöhnliche Größe seines Betriebes angesprochen und dass sich die meisten Konsumenten unter Bio und gar unter Demeter vermutlich etwas ganz anderes, sprich viel kleineres vorstellen, meint der Besitzer nur, dass Größe und verantwortungsvolles Wirtschaften per se überhaupt kein Widerspruch seien. Nur aufgrund seiner relativ hohen Produktionsmengen als biodynamischer Betrieb schaffe er den Weg in die hiesigen Supermärkte, wo Demeter-Produkte bislang gar keine Bedeutung haben. Insgesamt sei Demeter in Österreich mit ein paar Hundert Betrieben verschwindend klein und auch kaum in der öffentlichen Wahrnehmung. Sehr im Unterschied zu Deutschland. Dort sind es nicht zuletzt wirklich große Betriebe, die mit entsprechender Schlagkraft den Sprung in die Supermärkte erst möglich gemacht haben.

Bei einer solchen Fläche kommt natürlich einiges an Fördergelder allein aus der ersten Säule zusammen. Auf die aktuell „drohende“ Festsetzung einer Obergrenze angesprochen, die seinen Betrieb empfindlich treffen würde, überrascht mich der Besitzer mit dem Statement, dass er das ganze Fördersystem lieber heute als morgen abgeschafft sehen würde. Lebensmittel müssten einfach wieder mehr wertgeschätzt und dieser Wert auch entsprechend direkt über die Preise in den Supermärkten abgegolten werden.

180 Hektar zu zweit

Ganz ohne Fremdkräfte – außer zur Kartoffelerntezeit – kommt ein anderer „großer“ Betrieb im Waldviertel aus, der sich hauptsächlich der gewinnbringenden Knolle verschrieben hat. Natürlich hat er auch Getreide und den einen oder anderen Exoten in der Fruchtfolge. So etwa den ebenfalls recht einträglichen Kümmel, der von einen namhaften Waldviertler Bio-Verarbeitungsbetrieb abgenommen wird. Zu zweit bewirtschaftet hier ein Ehepaar 180 Hektar biologisch! Damit sind sie die Größten im Dorf, was ihnen nicht nur Sympathien einbringt, wie mir der Bauer verrät. Er redet generell gar nicht so gern über Größenverhältnisse. Er weiß nur zu gut, dass groß und Bio in den Köpfen der meisten nicht recht zusammengehen wollen. Er selbst hat freilich mit seiner Größe kein Problem. Sieht man davon ab, dass er vom Arbeitseinsatz her zu den Stoßzeiten grenzwertig auf dem Weg ist, wie er sagt. Die Gattin verrät mir, dass sich heuer seit 18 Jahren zum ersten Mal ein Urlaub in Irland ausgehe. So viel zum Arbeitsaufwand.

Auch bei diesem Betrieb „wage“ ich die Förderfrage. An die 25 Prozent seines Einkommens mache das aus. Wobei die Fördergelder für die Pachtflächen praktisch eins zu eins an die Grundeigentümer durchgereicht würden. „Nur“ 25 Prozent, denke ich mir. Damit liegt er doch recht eindeutig unter dem österreichweiten Schnitt.

Ob es nicht eine Spur kleiner auch ginge, will ich schließlich wissen. Ja, das würd schon gehen. Halb so groß tät vielleicht reichen, um sich als Vollerwerbler so recht und schlecht durchzuschlagen. Aber man hat investiert. In Lagerräume und Maschinen, in die Zukunft habe man damit investiert, die in Gestalt des Sohnes vorläufig gesichert scheint. Momentan rechne sich der Betrieb. Bio-Erdäpfel sind nicht zuletzt begehrtes Exportgut. Der deutsche Markt vor allem zahle einen guten Preis. Die Bäuerin reicht uns eine Packung Bio-Chips. Da sind unsere Erdäpfel drin, meint sie nicht ohne Stolz.

Bio ist im kleinen Österreich längst eine Größe geworden. Gerade der Umstand, dass es Bio aus der „Schmuddelecke“ heraus in den Supermarkt und gar in den Diskonter „geschafft hat“, hat auch die Strukturen innerhalb der Bio-Branche drastisch verändert. Bio wächst. In jeder Hinsicht. Außer in den Werbebildern.

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