"@Preusse ach nein, was bist du denn für ein Klugscheißer?

Siehst du nicht, dass die gesamte EU planlos und panisch durch die Gegend läuft. Und klar, du hast den vollen Durchblick – weißt was – halt einfach die Klappe du Vollkoffer!!?"

Klugscheißer? ICH? Sicher! Aber wo ist nun das große Problem der EU?

Bisher dachte ich eher, das große Problem sei nicht das Laufen, sondern dass die Ursel selbst dann die Flugbereitschaft nutzt, wenn man diese als Ultraläufer auch so an einem Vormittag hinter sich bringen kann.

Aber gut; die EU ist in der Ukraine Krise planlos, wie aufgescheuchte Hühner. Sicher, mit einem starken Führer wäre das alles viel besser. Der würde Putin den Gashahn zudrehen, und dann wäre Deutschland und Österreich auch irgendwie gearscht, hat man doch 40% und 80% Abhängigkeit vom russischen Gas. Und überhaupt, sind die ganzen, die nach einem Führer schreien, nicht sonst immer für die EU der Nationalstaaten? Und nun ist es auch wieder nicht recht, dass man hier auf genau die Nationalstaaten Rücksicht nimmt. Ist deshalb die EU irgendwie planlos? Was ist überhaupt der Plan? Nun darf ich mit Stolz vermelden, der Plan der EU funktioniert! Getestet seit 2014.

Jede Militärmacht braucht heute eine funktionierende Wirtschaft, die hochkomplexe Lieferketten abbilden kann und die talentierte Ingenieure und Forscher an sich bindet. Genau das, was Russland nicht hat, auch dank der EU.

Im Jahr 2013 vermeldete Russland noch ein BIP pro Kopf, also ein Brutto Inlandsprodukt von 15.974 $. Im Jahr 2015 war das BIP von Russland bei gerade mal 9.313 $, trotz gestiegener Gas- und Rohölpreise. Russland hat also sein BIP innerhalb der Zeit, in der die Krim annektiert wurde, fast halbiert. Hierzu gibt es 2 Gründe. Die Sanktionen, und die große russische Rüstungsindustrie, die immerhin 20% der Industriearbeitsplätze ausmacht, wurde ihrer Zulieferer aus der Ukraine beraubt.

Die Ukraine, die auch massive Einbrüche beim BIP hatte, hat diese Auseinandersetzung wesentlich robuster verkraftet. Zwar gab es auch hier zwischen 2014 und 2015 einen herben Einbruch durch den Wegfall der Lieferketten und Aufträge. Jedoch hat die Ukraine in der Zwischenzeit den Einbruch aus 2014 aufgeholt. Die Prognosen für die Ukraine sahen eine Verdoppelung des jetzigen BIP in den nächsten 10 Jahren vor, zumindest vor dem Krieg. Russland hingegen wird durch die neuerlichen Sanktionen noch weiter ins Abseits gedrückt.

"Die bisher vom Westen verhängten Sanktionen werden einen Schneeballeffekt auf die russische Wirtschaft haben. Ein völliger Verfall des Rubelkurses schränkt die Möglichkeit rentabler Importe ein, Produktknappheit behindert die Produktion, die Inflation wird galoppieren und Russland wird sich nur mit Hilfe von innenpolitischen Instrumenten wie dem Druck von Rubeln verteidigen können” – Piotr Arak, Direktor des Polnischen Wirtschaftsinstituts.

Noch dramatischer wird Russland die Sanktionen im Bereich moderne Technologien und der Kapitalabfluss, sowie die Sanktionen im Bankbereich treffen. Somit werden die Sanktionen auch auf Branchen durchschlagen, die nicht direkt von Sanktionen betroffen sind, wie z. B. Metall-, Lebensmittel-, Holz- und Kunststoffindustrie.

Doch zurück zur Rüstungsindustrie. Denn die Sanktionen sollen auch und besonders die russische Militärmacht treffen. Die Verordnung Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 verbietet den Handel mit Dual-Use-Gütern im Bereich von Militärtechnologie. Also aller Produkte, die auch militärisch genutzt werden können.

Was bedeutet das nun für Russland?

Wirtschaftlich ist Russland ein Zwerg, galt aber bisher als militärische Großmacht. Was sicher auch daran liegt, dass 20% aller Industriearbeitsplätze in Russland zur Rüstungsbranche gehören.

Die Rüstungsindustrie Russlands ist ein strategisch wichtiger Sektor und ein großer Arbeitgeber in Russland.[1] Es ist auch ein bedeutender Akteur auf dem globalen Waffenmarkt, wobei die Russische Föderation mit Exporten im Wert von 13,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012 der zweitgrößte Exporteur konventioneller Waffen nach den Vereinigten Staaten war.[2] Zusammen machen die USA und Russland 57 % aller wichtigen Waffenexporte aus.[3]

Und die Rüstungsindustrie liefert die Waffen für das eigene Militär. Sieht man sich nur die Zahlen der Militärmacht Russland an, so würde kein vernünftiger Mensch auch nur einen Pfifferling auf den Sieg der Ukraine wetten. Hier mal ein paar Vergleichszahlen:

Jagdflugzeuge/ Abfangjäger: 772 zu 69

Flugzeuge für Bodenangriffe: 739 zu 29

Transportflugzeuge: 445 zu 32

Spezialflugzeuge (z.B. Aufklärung): 132 zu 5

Kampfhubschrauber: 544 zu 34

Kampfpanzer: 12.420 zu 2.596

gepanzerte Fahrzeuge: 30.122 zu 12.303

selbstfahrende Artillerie: 6.574 zu 1.067

geschleppte Artillerie: 7.571 zu 2.040

selbstfahrende Raketenwerfer: 3.391 zu 490

Somit sind die Russen, allein vom militärischen Material, den Ukrainern haushoch überlegen. 5 Mal soviel Kampfpanzer, 3 Mal so viel gepanzerte Fahrzeuge, 6 Mal mehr mobile Artillerie. Normalerweise würde eine solche Militärmacht ein Land wie die Ukraine einfach überrennen. Doch warum passiert das nicht?

Was ist das russische Militär überhaupt wert? Wir hören Panzerbezeichnungen wie T-72 oder T-80. Dies sind Panzer, die noch der Militärdoktrin des Kalten Krieges unterliegen. Im Prinzip sind es einfach gebaute Angriffspanzer. Sie waren schon den europäischen Modellen unterlegen, als diese gebaut wurden. Was aber nicht als Mangel angesehen wurde, sondern der damaligen Militärdoktrin der Russen geschuldet war. Angriff, Durchbruch, neu formieren, Angriff, Durchbruch, neu formieren etc.

Das neuste russische Modell ist der T-99, der auch unter der Bezeichnung T-14 läuft. Die ersten Modelle dieses Superpanzers wurden der Welt auf der Militärparade 2015 in Moskau vorgestellt. Wo ein Panzer liegen geblieben ist, wegen technischer Mängel.

Dieser Panzer wird angeblich seit einem Jahr in Serie für das russische Militär produziert. Ein Panzer, der vor 7 Jahren der Öffentlichkeit präsentiert wurde, kommt erst jetzt in die Serienproduktion? Dieses liegt auch daran, dass Teile durch die Sanktionen fehlten. Komischerweise sichtet man aber keines dieser modernsten russischen Waffensysteme in der Ukraine. Hat man Angst, den Mythos dieser Waffe dort in ein paar Wochen zu ruinieren? Oder ist man doch noch nicht so weit mit diesen neuen Wunderpanzern?

Aber auch sonst wundert man sich, was dort in der Ukraine an Material unterwegs ist, hat Putin doch im Jahre 2011 noch 650 Milliarden Dollar für ein Aufrüstungsprogramm zur Verfügung gestellt.

Sicher sieht es bei der russischen Luftwaffe besser aus. Leider nein, auch hier Mängel und Probleme überall. Die Transportflugzeuge vom Typ An-70 und An-124 sind nicht geliefert worden. Antonow hat sie einfach nicht geliefert. Auch die russischen Hersteller Mil, Kamow und Yakowlew konnten nicht fristgerecht liefern, weil Triebwerke fehlten, wieder einmal ist die Firma Antonow schuld. Antonow? Ja, eine kleine Firma, die in der Ukraine Triebwerke und Flugzeuge herstellt. Ukraine? War da nicht was? Und für den Aufbau einer eigenen Industrie fehlt was? Ach ja, die Sanktionen gegen Russland, die es seit 2014 verbieten Technologie nach Russland zu exportieren. Solche Rüstungsbetriebe sind komplizierte Dinge.

Aber auch bei der russischen Flotte sieht es da nicht besser aus. Hier ist z. B. der Zulieferer Zorya-Mashproekt ausgefallen, der die Antriebe für neue Fregatten liefern sollte. Und jetzt dürfen wir alle mal raten, wo diese Firma wohl ihren Sitz hat.

Wie man sieht, ist Russland heute fast nicht mehr in der Lage moderne Waffen schnell zu bauen. Lieferketten sind komplett zerstört worden, und müssen mit neuen Komponenten aus dem eigenen Land, oder noch freundlich gesinnten Staaten ersetzt werden. Wenn die freundlich gesinnten Staaten, oder der Staat, dazu überhaupt bereit ist. So verzögert sich die Serienproduktion der Irkut ms-21 um ein ganzes Jahr, weil Teile fehlen, die aus den USA geliefert werden. Und ob diese Teile wirklich so schnell ersetzt werden können, wie Russland hier glaubt, bleibt fraglich. Wenn man sieht, dass China Jahrzehnte brauchte, um das Know-how zu entwickeln, oder die Teile heute noch selbst einkauft.

Hinzu kommt noch ein absolut korrupte und ineffiziente Wirtschaft in Russland. Besonders betroffen, die Rüstungsindustrie. Da Russlands Militärindustrie staatlich gelenkt, zentralisiert und absolut ineffizient ist, ist es geradezu ein Selbstbedienungsladen für die korrupte Oligarchenschicht. Nehmen wir einmal die vom Oligarchen Sergei Chemezov geleitete Rostec Gruppe.

“Sie vereint etwa 700 Unternehmen, die 14 Holdinggesellschaften bilden: elf Holdinggesellschaften sind im Bereich der Rüstungsindustrie tätig und drei im zivilen Sektor.[2] Rostec Unternehmen befinden sich in 60 Föderationssubjekten der Russischen Föderation und liefern Güter in über 70 Länder weltweit.”

Rostec erwirtschaftet mit 450.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 18,9 Mrd. US-Dollar (2016) und einem Betriebsergebnis vor Steuern von 4Mrd. US-Dollar.

Nehmen wir im Vergleich einmal Lockhead Marin, die mit einem viertel der Mitarbeiter (114.000) über dreimal soviel Umsatz generieren 65,4 Mrd US-Dollar (2020) und 8,3 Milliarden US-Dollar.

Oder Rheinmetall, die mit einem Bruchteil der Mitarbeiterzahl (23.945) ein Drittel an Umsatz generieren (5,7 Mrd. Euro).

Dass solche Firmen wie Rostec kein Nährboden für Innovationen sind, sondern eher der postsozialistische Abklatsch der UDSSR, sollte auch klar sein. Junge und motivierte Talente findet man so zumindest nicht. Man kann förmlich sehen, wie China gerade militärisch an dieser Misswirtschaft in Russland vorbeizieht.

Zusammenfassend kann man sagen, die russische Rüstungsindustrie ist ineffizient, durch den ersten Ukrainekrieg von einem Großteil seiner Lieferketten abgeschnitten und durch Sanktionen an die Wand gedrückt und um mindestens 10 Jahre nach hinten katapultiert. Wobei wichtige Komponenten auch in 10 Jahren nicht bereitgestellt werden können.

Womit wir beim Plan sind, den die USA und die EU hat. Durch Sanktionen Russland so weit zu schwächen, dass es sich aus der Ukraine zurückzieht. Die russische Wirtschaft, und vor allem das russische Militär so weit zu schwächen, dass Russland keinen neuen Einmarsch in Georgien, Moldavien, der Ukraine oder sonst einem Land durchführen kann.

Ein weiterer Plan ist, das russische Militär durch die Lieferung von Waffen an die Ukraine so weit zu schwächen, dass Russlands Kosten der Invasion in die Höhe schnellen und die Ukrainer sich effektiv verteidigen können. Und wenn man sich die Zahlen zu Verlusten ansieht, die in den Medien im Umlauf sind, so muss man davon ausgehen, dass Russland enorme Verluste an Menschen und Material in der Ukraine erleiden. Auch der neuere Vorstoß im Osten des Landes geht nur sehr langsam voran, was ein Zeichen dafür ist, dass auch hier die Ukraine mit ihren beschränkten Mitteln Erfolge erzielt gegen diese Supermacht, oder eher den Scheinriesen. Der dort seinen Militärschrott entsorgt.

Wenn wir also von schweren Waffen reden, die wir den Ukrainern senden, und diese bereits 20 Jahre alt sind, so ist das in diesem Krieg hochmodernes Gerät. Auch ein Grund, warum die Panzer- und Fliegerfäuste so effektiv sind.

Und sollte sich Europa wegen des Krieges noch komplett aus dem russichen Gas- und Ölmarkt zurückziehen, wird Russland in die Bedeutungslosigkeit zurückgsanktioniert. Denn auch das sollte klar sein, für Öl und Gas braucht man einen verlässlichen Partner, und keinen egozentrischen Erpresser, der mitten im Winter droht, den Gashahn abzudrehen. Und wenn Russland nicht sehr bald einlenkt, wird genau das passieren. Und nein, auch hier wird sich China nicht an einen egozentrischen Idioten hängen, der die Gasabhängigkeit als Waffe einsetzt. Warum sollte China den gleichen Fehler wie Europa machen? Die Leitung, die China mit Gas versorgt, selbst mit der Erweiterung für 2025, hat nur 1/5 der Kapazität, die Europa an Gas abgenommen hat.

Um nochmals auf das Ausgangsposting zurückzukommen:

"Und klar, du hast den vollen Durchblick – weißt was – halt einfach die Klappe du Vollkoffer!!?"

Ob ich den vollen Durchblick habe weiß ich nicht, aber zumindest beschäftige ich mich, so wie hier, oberflächlich mit der Thematik, ehe ich den Mund aufmache. Was man nun leider nicht von allen hier sagen kann. Vor allem von all denen, die hier gerne Russia to doof hörig durchs Forum schreiten und anderen den Mund verbieten wollen... Aber was will man von der heutigen Jugend erwarten, vorlaute kleine Racker mit großer Klappe. Man hofft ja immer noch, dass irgendwann mit dem Alter der Verstand kommt.

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