Die Affen erheben sich.

Vielleicht rührt die allgemeine Unzufriedenheit und Traurigkeit neben mangelnder Selbstliebe auch daher, dass unsere Zeit sich immer mehr zur Gegenzeit entwickelt. Falls Sie den Begriff Gegenzeit jetzt zum ersten Mal hören, dann liegt es daran, dass ich ihn jetzt erst erfunden habe. Das Gegen- oder auch Antizeitalter hat so Dinge wie Anti-Faltencremes, Anti-Aging-Diäten, Anti-Terroreinheiten, Anti-Babypillen, Anti-Raucherkampagnen, antibakterielle Mundwässer und natürlich Antidepressiva hervorgebracht.

Die man ja braucht, wenn man in einer Zeit, die gegen alles ist und gegen alles ein Mittel hat, leben muss. Unsere Mundwinkel hängen oft schon nach dem morgendlichen Erwachen bis zu den Fersen hinunter, weil uns wieder ein harter Kampf bevorsteht. Kein Überlebenskampf in dem Sinn, sondern ein Kampf gegen alles, wo man dagegensteuern muss. Kampf gegen Krankheiten, Kampf gegen Drogen, Kampf gegen den Klimawandel, Kampf gegens Unkraut. Kampf gegen den Hunger, Kampf gegen die Armut, Kampf gegen den Terror, Kampf gegen den Faschismus ... und alle diese Kämpfe haben wir bis jetzt nicht gewonnen und werden wir auch nicht. Nicht mit heruntergezogenen Mundwinkeln und einem »Antileben« gegen das Leben. Nicht mit einem Denken, dass noch immer Konkurrenz präferiert und Kooperation verweigert. Warum gegeneinander?

Liegt es daran, dass es bei »Früher«, ganz oben, am Beginn unserer Geschichte mit einem beinharten Konkurrenzkampf begonnen hat? Das ist nicht wissenschaftlich belegt, könnte sich aber ähnlich zugetragen haben.

Die Geschichte der Menschheit begann mit einer ziemlichen Katastrophe. Vor mehreren Millionen Jahren zerbrach ein ganzer Kontinent: Afrika (hatte also offenbar schon zu Frühzeiten die Arschkarte gezogen). Ja, und wenn so ein Kontinent zerbricht, dann tut sich was, keine Frage. Die Erde speit Feuer, der Himmel verdunkelt sich, das Klima verändert sich, die Vegetation geht zurück, die Bäume sterben. Die Affen hatten aber schon immer auf den Bäumen gelebt, denn dafür sind sie ja gebaut. Wenn nun die Bäume weniger werden, ist es klar, dass da ein ziemlicher Konkurrenzkampf um die besten Plätze auf den Bäumen entsteht.

Und wie es in der Natur nun einmal so ist, die kräftigen, intelligenten, überlebensfähigen Affen blieben oben und haben die patscherten und dümmlichen Affen ganz einfach von den Bäumen geworfen und ins Steppengras verbannt. Zorn, Frust und Missgunst darüber waren nun ständige Begleiter der Heruntergetretenen: »Es glaubts a, nua weus stärka und gscheida sats, sats wos Bessas. Oba woats nur, irgendwoan kummt unsa Zeit und doan sperr ma eich in Zoo.« Ja, und so zogen die heruntergetretenen Affen in der Hoffnung auf späte Rache durchs Steppengras. Einer von ihnen, ein etwas älterer und unter den nicht allzu Klugen ein etwas Klügerer, hatte aufgrund seiner ständig gebückten Haltung unter ständigen Kreuzschmerzen zu leiden. Um den Rücken zu entlasten, richtet er sich hin und wieder auf, um sich zu strecken. Dabei blickt er über das Steppengras und sieht vor sich die weite Welt und staunt, was es da jenseits vom hohen Gras zu sehen gibt.

Der erste Affe hatte sich aufgerichtet, und er sah unbeschreibliche Dinge. Nun stand er also aufrecht da ... und bereits wenige Minuten später war er vom Säbelzahntiger gefressen, denn der aufrechte Affe sah nicht nur, er wurde auch gesehen. Jedenfalls war es einmal ein erster Versuch, und ein Anfang war getan. Dann dauerte es schon noch einige Zeit, bis die Steppengras-Affen so weit waren, dass sie aufrecht gehen konnten und nicht vom Säbelzahntiger gefressen wurden. Hunderttausende wenn nicht sogar Millionen Jahre.

Manche Dinge brauchen eben Zeit, man glaubt es kaum. Zeit ist ja heute Mangelware, sie ist knapp, und unser Leben ist oft ein Kampf mit und natürlich gegen die Zeit. Schauen Sie doch selbst einmal auf die Uhr, wie spät es schon wieder geworden ist. Sie und ich, wir beide haben die Uhr ...

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fischundfleisch

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