Nehmen wir uns die Freiheit, loszulassen.

Wir schleppen alle so viel mit uns mit: einen ganzen Rucksack voll mit Dingen, die zum Teil Unrat sind und die wir uns anhäufen – seien es materielle Dinge oder seien es irgendwelche Ideologien, irgendwelche Glaubenssätze und Wertvorstellungen, an denen wir festhalten. Es können auch Verurteilungen sein, Beurteilungen, Bewertungen, die wir im Kopf haben. Diese tragen wir mit uns herum und sind nicht in der Lage, sie loszulassen.

Es ist etwas sehr Wichtiges, sich einfach die Freiheit zu nehmen, manchmal loszulassen, andere Menschen auch gehen zu lassen, die Vergangenheit abzuschließen. Wir sollten weniger an Dingen oder an Menschen hängen. In dem Moment, in dem du loslässt, hast du wieder Platz für Neues. Wer im Leben das Loslassen nicht lernt, wird vermutlich auch keinen „schönen“ Tod haben, wenn es eines Tages darum geht, das Leben selbst loszulassen.

Wenn du mich jetzt fragst, was ich persönlich glaube, ob es nicht die Möglichkeit gibt, dass nach dem Tod doch noch etwas kommt außer dem Nichts, dann sage ich: Möglicherweise übersteht unser Bewusstsein den Tod und nimmt irgendeine andere Form an. Wenn man das Bewusstsein als Energie begreift, ist das durchaus vorstellbar, da Energie in diesem Universum nicht verloren geht, sondern sich wandelt. Möglicherweise kommt aber auch wirklich nichts und es ist wie ein Filmriss.

Ich glaube, das Schlimmste, das einem passieren kann, ist, wenn man sich in der Stunde des Todes Sorgen darüber machen muss, ob es nun „nach oben“ oder „nach unten“ geht, nur weil man den Wahnsinn im Kopf stecken hat, der sich „Himmel und Hölle“ nennt, und man sich fragen muss: „Habe ich wohl alles richtig gemacht? Was wartet jetzt auf mich? Ist es das Paradies oder die Hölle?“ Es muss schrecklich sein, solche Dinge im Angesicht des Todes im Kopf zu haben, weil man dann mit furchtbarer Angst oder mit großer Hoffnung, vielleicht mit Betteln und Wimmern geht: „Bitte geben Sie mir meinen letzten Segen, Herr Pfarrer!“ – schrecklich.

Es ist bei anderen, zum Beispiel fernöstlichen, Religionen auch nicht anders, denn ob wir nun von „Himmel und Hölle“ sprechen oder vom „Karma“, durch das wir vielleicht wieder um eine Stufe zurückgeworfen werden, ist egal. Das ist alles der gleiche Unsinn. Es macht den Menschen nur Angst.

Vielleicht ist das der Unterschied zwischen Spiritualität und Religion: Der spirituelle Mensch möchte entdecken und er­kennen, der religiöse Mensch möchte belohnt werden.

Ich glaube nicht ans Karma und nicht an Himmel und Hölle, sondern ich glaube eher, dass sich viele Menschen das Leben auf der Erde zur Hölle machen, damit sie dann in den Himmel kommen. Dieser ist nicht gewiss. Das Leben aber ist es schon. Jetzt, im Moment, leben wir beide und sterben gerade nicht.

Was wissen wir schon darüber hinaus? Wenn du das Leben in meinem Garten ansiehst, die vielen Lebewesen, die es da gibt, die Ameisen, die Schmetterlinge, die Regenwürmer, sogar die Nacktschnecken, mit denen ich inzwischen Frieden geschlossen habe –, was wissen sie vom Leben? Nichts? Alles? All das Leben um uns lebt ganz einfach und macht sich keine Gedanken über das Leben.

Es ist so faszinierend, was zum Beispiel Ameisen alles schaf- fen: diese Emsigkeit, diese Kraft, die sie haben, dieses zielgerichtete Agieren. All das ist unfassbar und dennoch stellt sich keine Ameise dumme Fragen wie: „Werde ich nicht vielleicht nach meinem Tod einmal ein Mensch sein?“ So etwas ist kein Thema für sie. Ich glaube, wir stellen uns viel zu viele Fragen. Über sich selbst und das eigene Sein nachdenken zu können ist Fluch und Segen zugleich.

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