Wir waren schon im falschen Liegestuhl. Eine Signora wies uns harsch zurecht, dass das ihrer sei, und die vom Hotel Capri seien weiter drüben. Übrigens: von 100 Stühlen stehen 80 leer, aber das ist eben ihrer, und sie sei immer auf genau diesem Platz. Der Liegestuhl ist der Privatparkplatz am Strand. Das ist meins. So sind die Menschen, so sind wir. Dafür schreien viele Babies gleichzeitig. Sie haben eine geniale Frequenz, man kann nicht nicht-hinhören. Wenn Babies schreien, macht man so ein friedliches, verständnisvolles Gesicht. Man lächelt. In Wirklichkeit würde man das Schreiende gern im Sand eingraben, mit Küberl und Schauferl und Windrad. Doch man schaut in die Sonne und macht: „Mmmh, so schön, Schatzi, gell?“ „Ja, so schön.“ Und schreien nicht die Kinder, schreit etwas anderes, weil irgendwas schreit immer.

Batman fliegt vorbei, mein toller, tüchtiger. „Good prize!“ Na endlich. „Zzz!“, das ist italienisch und heißt: nein. Dazu wirft man den Kopf leicht in den Nacken und schaut betont gelangweilt und kapitalistisch. Alles Wahrhaftige funktioniert. Der Mensch ist dem Menschen Urlauber. Ich bekomme die Regel und bin gleichzeitig im Wechsel. Wallungen und Krämpfe. Ihr sagt, ich sei ein Mann. „Pah!“ Männer haben das alles im Hirn, es blutet und wallt. Wir Männer sind ewig scheinträchtige Kojoten. Hyänen des triefenden Selbstmitleids. Joggende Schildkröten am Rücken.

Ich werde die Welt heute hassen und anspucken. Aufgeblasen wie ein Luftballon quietscht sie mir was vor. Ich sehe sie schon platzen und mich den vollgespeichelten Fetzen nachheulen. Dreckiges, nasses Rosa-Hellblau. Wütend stampfe ich auf und trete auf Grashalme meiner Sehnsucht. Alles ist mir heute ein entzündetes Zahnfleisch, ich möchte Sand fressen, dass es knirscht. Ich könnte mich am Sonnenschirm irgendwo einzwicken, den Kaffee umstoßen, und der kippt dann in die offene Tasche. Glassplitter in den Fußsohlen, da lacht das böse Herz.

Es ist wolkenloser Himmel und warm. Angenehmer Wind, das Meer sauber. Das Frühstück gut und umfangreich, wenig Menschen, alles ideal, da muss man ja wütend werden. Das Maximum an verzweifeltem Zorn ist das Babyschreien, das Gedicht:

Im Schatten devot,

in der Sonne tot.

Unterm Schirm im Hirn,

die Augen überall,

Bikini, Bikini, Bikini.

Coco bello,

yellow, yellow, dummer Sand,

du kratzt mich schön am Knie.

Mit Tinte töten, mit der Hand,

doch auf Urlaub bin ich nie.

Bikini, Bikini,

Bikini, Bikini,

Biki, Biki, nie.

Ich hasse Gedichte. Ich liebe Gedichte. Ich liebe den Hass. Ich liebe die Liebe. Ich hasse die Liebe. Ich hasse den Hass. Ich huste, also bin ich.

Kommt ein Vogerl geflogen,

und ich schieß es in den Fuß,

fällt es vom Rauchfang auf den Boden,

wo es ausbluten muss.

Der Zungenkuss, der Zungenkuss, der ist ein arger Wüterich. Komm, Teufel, lass uns Schlange stehen. In einem Meer voll Arschbacken will ich langsam ersticken, in einem ADEG-Geschäft in Niederösterreich einen tausendjährigen Asthmaanfall, von Würmern zerfressen. Tick, Trick und Track die aufmerksamen Augen ausstechen, Micky Maus mit einem Buttermesser den Kopf abschneiden. Mit Donald Duck kuscheln. Ja, so bin ich. Es ist ganz furchtbar. „Good prize!“ „Oh Gott.“ Nichts kann so blöd grinsen wie Afrika. Das ist sicher nicht politisch korrekt, aber ich kann ja nicht immer über das Pielachtal schimpfen.

Wie kann man so krank sein, sich mit Sprache zu beschäftigen. Dieses eitle Herumfummeln, dieses kindische Gebastle. Sprache ist ein Panoramalift, man fährt rauf und runter und glotzt blöde im Kreis. Das Hinzeigen und Umbenennen, das liebliche Bestaunen, oder der Größenwahn, Gefühle beschreiben zu wollen. Die Gefühle, eine erbärmliche Chemieorgie, sonst nichts. Wir stehen doch bis zum Hals in unserem ewigen Hochwasser und begradigen weiter die Flüsse. Wind und Wetter sind das Lachen Gottes. Unsere Fernseher sind die Schadenfreude im Warmen.

Aus der Sprache ausbrechen können, schon vor dem Tod. Keinen Traum kann ich wirklich erzählen, die schönsten am wenigsten. Von allen Dingen war mir nichts näher als der Horizont. Und Flecken am Trottoir in der Kindheit. Das Vertrauen zum warmen Asphalt. Schotter und Wiese. Die Verwandtschaft war überall. Ein Stein konnte mich anlächeln, und ich roch sein Blut, es war meines, unseres. Baum und Rinde, diese Dinge habe ich gefühlt, gerochen, geschmeckt, gehört, gespürt, gelebt. Jetzt sehe ich sie nur mehr. Du vorlautes Auge, du glaubst, alles zu sehen. Du korrigierst und spiegelst, du glotzt, glotzest dumm und stumm. Als Kind war alles Dschungel, jetzt steh ich traurig zwischen ungefährlichen Blumentöpfen.

‚Dann geh doch hinaus!‘, schreien und plärren die Hinausgeher. Und sind sie draußen, schnattern sie vom letzten oder vom nächsten Hinausgehen. Sie gackern und prusten, sie können mit den Wangen Schenkel klopfen, unentwegt fällt ihnen etwas ein und aus dem Mund. Sie erinnern sich jede Sekunde an eine Erinnerung und stapfen rotbackig in ihren Socken und Strümpfen durch das zu Fotografierende. „Good prize!“ Genau. So. Ist. Es. „Thank you!“

Meine Frau hat Schmerzen im Rücken. Es tut sehr weh, und sie kann sich nicht mehr aufsetzen. Dann setzt sie sich doch auf, sagt, dass es endlich ruhig sei am Strand, und spricht eine Stunde ununterbrochen. Wenn ich nicht hinhöre, hat sie sofort wieder Schmerzen im Rücken. Also, ich kann es mir aussuchen. Ich höre hin. Sie erzählt mir von früheren Schmerzen, und dass es wichtig sei, alte Wunden ruhen und heilen zu lassen. Ja, Schatzi, ja ja. Na klar. Dann weint sie, und das Mittelmeer wird klein und trocken. Dann lacht sie, und nichts ist wichtig, außer dieses tanzende Kind in diesem singenden Körper. Afrikaner verkaufen weiter Taschen, meine Frau IST Afrika und verkauft eine Kontinentalverschiebung an Schmerzen. Das kann sie:

„Weil ich wieder am Bauch gelegen bin, aber ich bin ja kein Bauchlieger, nur heute hab ich mir gedacht, legst dich auf den Bauch, sonst lieg ich nie am Bauch, hast mich schon einmal am Bauch liegen gesehen? Nein. Eben. Sag ich ja. Nie lieg ich am Bauch. Nur heute. Au! So was Blödes. Warum muss ich mich auch auf den Bauch legen, aaah! Die Liege ist heut auch anders, sonst hätt ich mich nicht auf den Bauch gelegt. Da hat wer was verstellt. Au! So. Nie wieder auf den Bauch, nie mehr lieg ich am Bauch.“ „Ja, Schatzi, na klar.“ „Good prize!“ „Ja, na klar, thank you.“

Meine Frau liegt jetzt im warmen Swimmingpool und spielt Thunfisch. Wenn ich Glück hab, muss ich dann ein Kipferl essen. Wenn ich Pech hab, lernt sie ganz liebe Menschen aus Amstetten kennen - und ganz sicher wen, der diese Schmerzen im Rücken kennt. Wir hatten auch schon Neulengbach UND Kipferl, allerdings ohne Schmerzen. Jetzt muss ich auf’s Klo. 78 Meter Fußmarsch, es ist zum Verzweifeln.

Immer bin ich am Strand,

immer hab ich meinen Schwanz in der Hand,

immer knie ich vor einem Schritt,

immer will ich dorthin zurück.

Bin gotisch neurotisch,

manisch romanisch,

tief depressiv.

Ich bin eine Klitoris, verkleidet als Niederösterreicher, dümmer geht’s nicht. Ich wurde in den Ötschergräben mit Jause vergewaltigt. Ich musste mich über Parmesan freuen, da konnte ich noch nicht mal gehen. Mein Vater war ein zitternder Schnauzbart mit Automatik und Servolenkung. Meine Mutter ist ein treuherziges Cover von James Last. Mein Bruder ist ein Schraubenzieher, meine Schwester eine 3/4 Geige. Mein Schwager hat einen Kopf und schöne Schuhe. Mein Neffe ist vom Andromedanebel und badet gern im Wechselstrom. Mein Leben ist eine ausgeleerte Legoschachtel. Meine Geheimnisse sind verschwitzt. Meine Hemmungen sind Verkehrstafeln. Meine sexuellen Vorlieben liegen im Kühlschrank. Wenn ich geradeaus blicke, sehe ich Kniescheiben. Schau ich zum Himmel, sehe ich Schamlippen.

Mir sind gesprochene Worte wie in meine Kniekehlen gedroschene Eisenstangen, Blicke wie Wirbelstürme. Hab ich Angst, bin ich Mann, hab ich keine, bin ich Frau. Bin ich Frau, mach ich Angst. Mach ich Angst, kommt Physik. Dann wisch ich mir den Dreck von den Knien und geh wieder weiter als Mann. Das ist kein Kreislauf, das ist ein Scheißlauf. Ich wär so gern ein Volltrottel mit BMW und großem Schwanz. Okay, Mercedes. Die Vollidioten erklären alles mit ausgestrecktem Arm und offener Handfläche nach oben. Und: Je dümmer desto Religion. Religion ist die Schwanzverlängerung für die Grenzdebilen, ein bigotter Ausfluss der Schadensbegrenzerinnen. Gesunde Menschen ficken und fressen und wollen niemanden retten. Noch nie sah ich einen erfolgreichen Menschen mit Nickelallergie. Gäbe es nicht Marlboro 100 und alte Hängebusen, ich würde wen würgen, am Hals, genau. „Good…“ „!“

Onan ließ es auf die Erde fallen und hatte leicht lachen. Ich bin verheiratet und auf Urlaub in Jesolo, das sind Schmerzen! Essen mit Messer und Nabel, Salat zu zweit oder mit Essig und Gföhl. Die Habsburger haben wenigstens Elektroboote und die Nervenentzündungen eines Waldviertels, hier sind die Mistkübel mit dem Zirkel eingemessen. Italiener haben keine Fantasie, sie sind nur begabt kindlich und affig glücklich. Sie sprechen nicht, sie singen Phrasen und Refrains. Den Geist gibt es nur in Venedig. Venezianer sind Alkoholiker und rauchen Nikotin. Sie schauen immer traurig und haben einen sympathisch blassen, hellgrauen Teint. „Good prize!“ „Thank you very much!“

Meine Frau jammert. Der Rücken. Sie wird dann eine Schmerztablette nehmen. Dann fahren wir nach Venedig, meine Frau, ihr Rücken und ich. Venedig ist eine Gebärmutter, man will immer wieder hin oder endlich raus. Den Hund lassen wir heute im Hotelzimmer, braver Hund. Mein Hund jagt gern Tauben, da wird’s in Venedig spannend. Sie hat das Geflattere so gern. Und kleine Hunde tut sie gern schrecken. Meine Hündin ist schön, schwarz, verfressen und immer beleidigt. Wenn sie neben meiner Frau im Bett liegt, muss ich lange betteln, dass sie ein bisschen Platz macht. Sie heißt Kimi, und auf ihren Hügeln wurde Rom erbaut.

Heute habe ich Sonnenmilch statt Öl auftragen müssen. „Das ist heute besser.“ „Ja.“ Ich mag keine Sonnenmilch. „Das Carotin wird dir gut tun, du wirst sehen!“ „Ja.“ Wenn man eine Frau hat, hat man viel, was einem gut tun wird. Meine Frau ist ein Sonnenuntergang im Osten, wenn es gut tut, tut es gut. Meine Frau hat gerne Ersatzglühbirnen, ich hab gern Licht in der Nacht. Meine Frau hat gern diese kleinen, knusprigen, aber ohne diesem dings und ohne dem dings. Ich hab gern Spareribs mit Pommes und Coca Cola. Beim dings. Meine Frau und ich sind ein Brathendl mit Saft. Hendl, Salz, Saft. Wir machen uns Wurstknödel mit Sauerkraut bei 38 Grad im Schatten und als wir zum ersten Mal am Lido di Venezia waren, haben wir nach zwei Minuten einen BILLA gefunden.

Meine Frau weint gerne, und ich schau ihr gern beim Weinen zu. Meiner Frau ist es egal, ob ich ganz böse oder ganz lieb bin, sie fragt immer: „Willst heute breite Nudeln oder Reis, breite Nudeln, gell?“ „Ja.“ Oder: „Du, ich mach uns heut zum Hendl Reis mit Erbsen, oder hättest lieber breite Nudeln? Nein, Reis mit Erbsen, gell?“ „Ja.“ Ich bekomme immer das, was ich will, und meine Frau weiß immer, was ich will. Dazwischen hab ich Schreikrämpfe und Tobsuchtsanfälle. Dann dreht meine Frau den Staubsauger auf und fährt mir über die Zehen. Das tut sehr weh, und ich sage laut: „Au!“ Meine Frau sagt: „Oje.“ Wenn ich von einem Zimmer ins andere gehe, sage ich zu meiner Frau: „Baba!“ Und meine Frau sagt: „Baba!“ Wir weinen bei den gleichen Liedern an den gleichen Stellen, ich esse dann etwas Salziges, meine Frau etwas Süßes. Wir haben einen Ehevertrag, Chips und Schokobananen. Wir reden über Sex aber stören uns nicht beim Nasenbohren. „Good prize!“ „Haupt-prize! Thank you!“

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Roul Starka

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