Meine Frau und ich in Kroatien im Appartement, Ende Mai

Das Tischtuch ist lila-zyklam-rosa-türkis, so kleine und größere Kreise, wie eine alte Coral-Werbung. Ich bin wieder in unserem Appartement. Auf einem weißen Porzellansuppenteller liegen drei gelbe und eine braune Banane. Und vier Pfirsiche. Pfirsiche sind der Truthahn des Obstes. Also so ein Pfirsich regt einen nicht sonderlich auf. Da haben es die Marillen und die Zwetschken weiter gebracht. Die Erdbeeren sind ein bisschen laut. Der Pfirsich kann auf den Lippen brennen, aber da muss man sich schon bemühen. Die Ananas erinnert an ein verlängertes Wochenende und ist eine Mischung aus Toyota und Mazda. Die Birne ist ein Mercedes. Der Audi ist eine drapierte Zuckermelone. Und der Apfel ist ein Trottel. Beim Wort ‚Apfel‘ sprechen alle Menschen sofort schneller und lauter. Dann bewerfen sie sich mit Zimt und Gewürznelken.

Meeresfrüchte sind ein blödes Klumpert und eine Erfindung für dumme Touristen. Am meisten Meeresfrüchte werden aber dort gegessen, wo es weit und breit kein Meer gibt, in Böheimkirchen zum Beispiel. Ich hab gern große Fische mit Kopf und Schwanz und toten Augen. Und knusprig!

Morgen fahren wir nach Rom, also wir fahren so lang Richtung Süden, bis es warm wird. Warm, warm, warm. Meine Frau schneidet gerade Zwiebel, den wird sie dann rösten, und der Geruch beruhigt ihren Mann. Jetzt denke ich an Sex. „Oder wir fahren nach Venedig.“, sagt meine Frau. Sie hat rotlackierte Fingernägel, ein rotlackiertes Herz - und eine halbe Zwiebel in der Hand. Meine Frau hat „weißere“ und schönere Zähne als ganz Hollywood und schwarze Haare. Jetzt rührt sie den Zwiebel um und telefoniert mit ihrem Schwiegersohn. Der muss sofort nachschauen, wie das Wetter in Venedig und in Rom ist. Sie redet dabei sehr laut und rührt immer schneller um. Über Italien liegt ein Tief. Der arme Zwiebel.

Wir haben hier in der Küche des Appartements drei ziemlich bizarre Töpfe mit Plastikblumen. „Au!“, meine Frau hat sich verbrannt, ein Fettspritzer. Sie sagt noch immer sehr viel, sehr laut. Ich verstehe nichts von alledem, was sie sagt, dann wird sie abrupt leiser, und ich verstehe deutlich „…das interessiert mich sicher nicht.“ Der Hund liegt in einer Ecke und schaut wie die Plastikblumen zur Wand. Meine Frau zersticht das Faschierte und rührt mit der Gabel in der Teflonpfanne kräftig um. Die Küche schweigt und wartet.

Die Frau vom Vermieter geht oft alleine in den Wald und holt Wurzeln. Die werden dann gereinigt und lackiert, auf einen Sockel geschraubt und ausgestellt. Wir haben Glück, in einem Regal unseres Appartements stehen vier solche Wurzeln und glänzen still vor sich hin. Manche Wurzeln halten mit ihren Wurzelhänden eine kleine Glasflasche. Das ist dann natürlich besonders schön und einfallsreich. Wenn sie nicht Wurzeln lackiert, tut sie Holzleitern beizen, tagelang. Letztens habe ich sieben Leitern gezählt, aber das war vielleicht eine Auftragsarbeit.

„Das ist die höchste Stufe, was soll ich tun, das braucht ja zehn Jahre bis das durch ist!“, sagt meine Frau am Herd. Dazwischen wäscht sie mit kochendem Wasser aus der Therme das nicht mehr benötigte Geschirr und wischt ununterbrochen die Flächen neben Herd und Spüle. Wenn das Nudelwasser kocht, wischt sie nur mehr ganz knapp neben dem heißen Wassertopf, das macht sie immer so. „Irgendwann werd ich da deppert.“, sagt sie leise, und die Teflonpfanne stöhnt unter ihrer Gabel.

Jetzt hat sich meine Frau die Hose und die Ärmel hochgezogen, sie schaut mich an, als würden wir gleich zu ihrer Mutter fahren, und dabei singt sie: „Nobody knows…“ Ihre linke Hand schaut jetzt von hinten aus wie die von einem Installateur. Ich könnte jetzt sagen: „Schatzi, pass auf, dass die Nudeln nicht zu weich werden.“ Aber das tu ich nicht. Jetzt sucht meine Frau ihre Zigaretten und spricht mit dem Hund. Es hat wieder geregnet. Eine Plastikblume flüstert mir etwas zu, aber es ist kroatisch, und ich verstehe es nicht. Die Sonne kommt hervor. In einer Ehe können die Situationen schnell wechseln. Der Hund liegt jetzt hinter mir auf einem Sofa und schaut wie ein Hund auf einem Sofa.

VEGETA ZA PILETINU, das ist altslawisch und heißt: Glück für die Frau. ELEKTRO ZETA, das ist kroatisch und heißt: Herd. ‚Clever‘ heißt: JESTIVO SUNCOKRETOVO ULJE. Oder: JABUČNI OCAT. Meine Frau vermischt die Nudeln mit dem Faschierten und putzt gleich den Herd. Wenn meine Frau gleich nach dem Kochen den Herd putzt, ist es für mich besser, wenn ich still bin und brav Salat zu den Nudeln esse. Sie singt auch wieder und wischt mit dem Geschirrtuch alles trocken, die ganze Küche wird gewischt. Sie stellt die Töpfe ganz leise in die Schränke und macht die Türen ganz laut zu.

Dazwischen tut sie sich räuspern und summt wieder ihr Lied: „Nmh, hm, hm, hmmm…“ Manchmal hört man auch ein undeutliches „…jo, leck mich doch, heast…“ Jetzt kniet sie mit dem Schauferl und dem Beserl, sie rupft auch dem Teppich ein paar Flusen aus. Dann steht sie auf und zermantscht das Hundefutter mit der Hand. Ein Plastikblumentopf wird zurechtgerückt, der Hund schmatzt laut und scheppert mit dem Schüsserl gegen die Wand. Der Wasserhahn tropft noch ein wenig nach, das Geschirrtuch wird wieder und wieder zusammengelegt. Plastikflaschen köpfeln in den Mistkübel und verhalten sich ruhig. Ein Flankerl auf meinem Schreibheft geht mit meiner Frau raus auf die Terrasse, und der Wasserhahn will noch etwas sagen. „Aus jetzt!“, sagt meine Frau zum Hund, und der Wasserhahn schweigt, ich schwör’s.

Ein Regenbogen schaut meiner Frau ins Gesicht, sie will auch gleich die Handcreme. Die Handcreme der Frau ist der Friede der Ehe. Bei Nagelfeile bleibt es spannend. Wenn deine Frau die Vorhänge waschen will, ist es besser, du spielst dich mit einer Atombombe.

Jetzt habe ich den halben Topf Pasta Asciutta gefressen und versuche zu denken. Meine Frau sagt nicht mehr, dass ihr kalt sei, sie sagt: „Der Hund ist kalt!“ Oder sie sagt: „Warum brummt dieser blöde Fernseher so laut?!“ Dann dreht sie die Klimaanlage als Heizung auf und den Fernseher lauter. Wenn es in Kroatien kalt ist, ist es sehr kalt. „Die Fernbedienung geht auch nicht“, sagt meine Frau, „wahrscheinlich ist die Batterie leer - oder wie auch immer.“

Meine Frau hasst Pudding. Sie liebt Nutella. Heute hab ich ihr in Opatija ein Croissant mit Schokocreme – quasi Nutella – gekauft. Sie beißt rein und sagt: „Das ist Pudding.“ Wenn meine Frau sagt, das ist Pudding, dann ist das Pudding. Die Physik hat die Schwerkraft. Frauen haben recht. KREM BANANA KANDIT 300g, es wird eng. Eine Marlboro raucht mich, PUŠENJE UBIJA, das heißt: Wahrlich, ich sage euch.

Ich gebe die Lesebrille rauf-runter-rauf-runter, es wird nicht wärmer. Jetzt bekomm ich Kopfweh, na immerhin. Wenn man Kopfweh hat, ist man automatisch konzentriert. Mit Kopfweh und Marlboro fühlt man sich wie ein Schriftsteller, wenn einem dann kalt auch noch ist: wie ein Künstler. Meine Frau steht mit nackten Füßen auf dem Steinboden, schaut mir in die Augen, weint salzige Tränen und sagt: „Mir ist kalt.“ Ich sage ihr, dass ich sie wieder heiraten würde, und dass sie bitte die Schlapfen anziehen soll. Sie schreit: „Wir sind schon verheiratet, du Trottel, und ich hasse Schlapfen!“ „Na gut, dann stell dich auf den Teppich.“ „Nein!“

Und: bitte nichts von der Großmutter und der Zwischenkriegszeit erzählen, wenn deine Frau friert, das ist schlecht, das ist ganz, ganz schlecht. Ich drehe die entzückend zarte Klimaanlage von 23 Grad auf 28 Grad, stelle Wasser zu, drehe den Teekocher auf und koche zusätzlich Kaffee in der Kaffeemaschine. Die Küche wird zum Dampfbad.

Meine Frau bleibt im Wohnzimmer, deutet auf die Klimaanlage: „Da kommt’s kalt raus!“ Sie sagt jetzt Jugoslawien zu Kroatien und schaut eine Serie mit Ärzten und Notaufnahme. Ich entdecke einen vierten Strauß Plastikblumen, nehme mir Kaffee, verschütte absichtlich ein bisschen Zucker und versuche so mit einem „Na geh, heast!“ eine wohlige, heimelige Stimmung zu erzeugen. Es will nicht ganz gelingen.

Der Aschenbecher schaut so blöd wie nur ein Aschenbecher blöd schauen kann. Ein Korkenzieher, eine Schere und ein oranger Plastiktrichter hängen auf kleinen Nägeln an einem Holzregal. Die Brotdose, die immer klemmt, war voriges Jahr „so urig“ und „so schön alt“. Jetzt heißt sie nur mehr: „Die depperte Dosen die.“

Der Mensch hat gar keinen Charakter, nur verschiedene Außentemperaturen und nicht isolierte Appartementhäuser in diesem Jugos…, also in Kroatien und überall auf der Welt. Im Winter, zum Beispiel, ist es kalt. Voriges Jahr im August war es hier immer zu heiß und überall Fliegen und Gelsen und „Wah!“

Jetzt hat die Tür geknackst, und ich wäre gern eine junge Fee, die von wilden Räubern überfallen wird. Sie riechen nach Schnaps und nach Bier und nach Sardinen und haben Eisenfeilspäne in ihrem verschwitzten Brusthaar. Ich mache den Räubern einen großen Topf mit heißer Würstlsuppe. Dann fällt mir ein Stück Brot zu Boden, ich knickse mich hin und mache leise: „Ouh…“. Dann wache ich auf - und es ist kalt. KONČAR, das heißt ‚Räuber‘ auf jugoslawisch. Wurzeln einheizen wär schön, auf der Terrasse. Und russische Volkslieder dazu singen. In Moskau hat es 30 Grad!

„Die Nutella ist eiskalt!“, sagt meine Frau, isst sie mit dem Löffel trotzdem und meint: „So, das war jetzt das Beste vom ganzen Tag.“ Dazwischen erzählt sie von den Nabelschnüren ihrer „Kinder“ vor 30 und 27 Jahren und ruft: „Schatzi! Der Tatort!“ Dann schraubt sie die Nutella zu, schaut wieder auf den Fernseher und sagt: „Nein, den mag ich nicht, den anderen hab ich gern, den dings, na…“, und schraubt die Nutella wieder auf.

Morgen fahren wir weiter, also schon früher als geplant. Ich koche alle Eier und werde sie später essen. Ich esse gern harte Eier in der Nacht. Mit viel Salz. Dann wird mir schlecht und ich kann endlich in Ruhe fernsehen. Das Schreiben putscht einen ja so auf. Schreiben ist wie Sex. Man macht ein angestrengtes Gesicht und wenn man eine Idee hat, tut es furchtbar weh. Wenn man brav arbeitet, kann es schön werden, das muss aber nicht sein.

Jetzt wird mir warm, und die Eier kochen. Meine Frau zappt zwischen den vier empfangbaren Sendern hin und her, weil aber die Fernbedienung nur mehr schlecht funktioniert, muss ich alle zwei Minuten ins Zimmer laufen und umschalten. Wenn ich wieder zurück in der Küche bin, schreit sie aus dem Bett: „Du, Schatzi, wovon handelt denn der Film?“ Ich weiß es nicht und sage: „Das ist ein superspannender Spielfilm, sehr spannend! Und lustig!“ Jetzt schaltet sie doch alleine um, es läuft eine Dokumentation, und sie will drüber reden. Ich sage: „Soll ich dir deine Zigaretten bringen, Schatzi?“ Sie sagt: „Wäu!“

Ich rieche kurz an ihrer Handcreme und gehe wieder in die Küche, die Eier tanzen im Topf. Ich streichle die Pfirsiche und denke an die vielen hungernden Kinder in Afrika. Dann rauche ich mir eine Zigarette an und denke an Naomi Campbell. „Wah!“, macht meine Frau. „Ja, Schatzi, was ist denn?“, sage ich mit einer sehr hohen Stimme und wisch mir die Zigarettenasche vom Handrücken. „Das müsstest sehen!“ Ich laufe zu ihr ins andere Zimmer, mache: „Hm?“ „Ist schon wieder weg, das hättest sehen sollen!“ „Ja, was war denn?“ „Na wurscht“, sagt meine Frau, „lass dich nicht stören.“

Ich gehe zurück in die Küche, dämpfe die Zigarette aus, greife zur Feder. „Was kochst denn du da?“ Mein Schatzi. „Eier!“ „Mitten in der Nacht?“ „Es ist 21 Uhr 19, Schatzi.“ „Aha. Na ja.“ „Ja.“ „Kannst mir wieder einen anderen Sender drücken, das ist so blöd.“ „Ja. Jaja. Na klar.“ „Hm. Das ist auch deppert.“ „Ja, wart…“ „Was ist denn das?“ „Ich weiß es nicht.“ „Du hast heute wieder mehr geraucht, gell?“ „Ich … nein, ich … ja.“ „Die Samarin sind in der Badetasche, und dreh endlich die Eier ab.“ „Ja. Warum sind die Samarin in der Badetasche?“ „Hm?“ „Ja. Jaja. Willst was anderes sehen?“ „Das ist mir wurscht, und gib die Butter wieder in den Kühlschrank.“ „Na klar.“

VŽIGALICE ŠIBICE, das ist kroatisch und heißt: Bis in alle Ewigkeit.

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Roul Starka

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