Wissen wir noch, was Demokratie ist?

Als Teenager lernte ich in Geschichte Dinge, die mich fassungslos machten. Wie konnten Menschen einander so schreckliche Dinge antun? Ich verstand es nicht.

Oft fragte ich mich, wäre ich in den Widerstand gegangen, hätte ich mein Leben geopfert für Freiheit und Demokratie?

Erwachsen geworden sah ich von weitem Orte, wo es genauso war, wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eines Europas, in dem ich so nicht hätte leben wollen. Aber es war weit weg. Ich war ohnmächtig und wusste nicht, was tun. Ich aß jahrelang keine Ananas aus Südafrika und das Klopapier war rauh. Wie lächerlich.

Jetzt ist es nah und ich bin Griechenland dankbar.

Das undefinierbare Gefühl, dass wir in Europa und im Speziellen die EU noch ungeheuer viel an Demokratie zu lernen sei, wird nun zur Tatsache.

Fassungslos höre ich Nachrichten, wie Finanzminister und Regierungschefs mit Griechenland sprechen, wie Eltern mit Kindern, die nur zur Vernunft gebracht werden müssen und jeder Widerspruch wie ein Hormonrausch pickeliger Teenager abgetan wird. Noch immer frage ich mich, wie blind wir alle sind. Brainwashed. Ungeheuer viel Geld wurde von Staaten in Banken investiert, wurden wir Bürger jemals gefragt, ob wir dem zustimmen? Mit Angst wurde uns gedroht. Undefinierbare Angst sollte uns zügeln. Was würde doch alles passieren, wenn der Kapitalismus zusammenbräche?

Nun stellen sie, die wir angeblich gewählt haben, diesen Kapitalismus auf den Kopf. Sparen statt investieren. Ich bin kein Volkswirt, ich kann nicht sagen, was passieren würde bei einem Ausstieg aus einem Wirtschaftssystem. Ich weiß es nicht.  Nur eines verstehe ich, dass wenn kein Geld vorhanden ist, auch keines eingenommen werden kann, und dass schneller Verkauf Gläubiger kurzfristig befriedigt, es Griechenland langfristig nichts bringen wird. Ich verstehe den Widerstand.

Die Sparmaßnahmen der deutschen Regierung 1928 waren geprägt vom Abbau der Sozialleistungen. Wohin es führte, wissen wir. Und jetzt zwingen europäische Politiker Griechenland zu genau dem.

Ich mag dieses Europa nicht mehr. Dieses Europa seltsamer, herzloser Politiker und Wirtschaftsführer. Europa ist zu einem undemokratischen System verkommen. Ich verachte diese Politiker, die sich fragen, woher die Verdrossenheit mit ihnen kommt. Wie weit sind sie vom Leben entfernt, dass sie nicht mehr verstehen, dass sie es sind, die nichts mehr mit Demokratie zu tun haben. Ihr derzeitiges Vorgehen erinnert mich an Foltermethoden in Guantanamo: Schlafentzug: „um klares Denken des Opfers zu unterbinden und um den Willen sowie die Widerstandskraft des Opfers zu brechen und so beispielsweise Aussagen zu erpressen“. So lautet die Definition in der Wikipedia.

Ich hoffe, dass Griechenland uns noch weiterhin Demokratie lehrt und nicht zustimmt, antisoziale Gesetze über den Kopf der Bevölkerung zu verabschieden. Alleine der widersinnige Glaube, einen Mann niederreden zu können, um einen ganzen Staat in die Knie zu zwingen, ist bizarr. Das Einzige, was mich wundert, ist, dass er noch nicht zurückgetreten ist. Welcher von diesen anderen, unseren Politikern würde so stark hinter seinem Volk stehen?

Wir werden von Menschen regiert, die nichts mehr von Demokratie verstehen und ich frage mich, inwieweit sie wie Marionetten agieren, ohne zu wissen, welchem Herr sie folgen. Ich zweifle, dass sie ihren Wählern folgen.

Wir haben Demokratie zu lernen. Ich bin Griechenland dankbar.

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Unplugged 1-Stein

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