Bald werden es 50.000 Unterschriften sein, die die Petition unterstützen, Lukasz Urban das Bundesverdienstkreuz zu verleihen (1). In der Begründung der Petitionsschrift wird angeführt, dass Urban wohl bis zum Schluss in das Geschehen eingegriffen habe -- und so als "Held vom Breitscheidplatz" noch Schlimmeres verhindert habe. Und dafür mit seinem Leben bezahlt habe.

Auch wenn die aktuellen Autopsieberichte mittlerweile einen solchen Ablauf eher unwahrscheinlich machen...es wird dem Phänomen "Lukasz Urban" keinen Abbruch tun. Wieso?

Die "offizielle" Empathie den Toten von Berlin gegenüber ist eher verhalten. Verbal scheint Frau Merkel bemüht, alle vom Anschlag (auch mittelbar) Betroffenen einzuschliessen. Aber eine Erklärung, die defacto vom Blatt abgelesen und ohne erkennbare emotionale Beteiligung, geschweige Modulation vorgetragen wird (2), wirkt eher pflichtschuldig. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Merkels Auftritt ist zwar durchaus kongruent mit dem Ansinnen und Wunsch, das Land möge "besonnen" reagieren...die Frage ist, ob es tatsächlich "Besonnenheit" ist, die die Stimmung "da draussen" prägt.

"Besonnen" und begrüssenswert war und ist es, dass es im Gefolge der Geschehnisse so gut wie keine von nationalistischen oder rassistischen Ressentiments geprägten öffentliche Kundgebungen gab.

Für was aber stehen pflichtschuldige Statements "gegen rechts" im Sinne von "Wir lassen uns den Breitscheidplatz nicht nehmen", so, als ob es Nazis gewesen wären, die dort gewütet hätten? Natürlich ist es niedlicher, rote Herzchen statt Galgen vor sich her zu tragen, natürlich klingt es netter, wenn man der "Liebe" statt dem Hass das Wort redet.

Aber "Lukasz Urban" ist ein Hinweis darauf, dass immer mehr Leute sich weder "rechts", aber auch nicht im platten "gegen rechts" wiederfinden.

Lukasz Urban hat (wohl im Unterschied zu den anderen Toten, die dazu keine Zeit mehr hatten) seinen Mörder gekannt. Und er hat ihn als solchen e r kannt. Und er hat sich gegen ihn gewehrt. Ob dieser Kampf nun tatsächlich bis zum bitteren Ende ging, ist in diesem Zusammenhang nebensächlich. Urban würde zum Helden, genauer zur Identifikationsfigur, allein schon dann, wenn er sich der Vorstellung nach gewehrt haben k ö n n t e.

Merkels Diktion von einer "unbegreiflichen" Tat transportiert genau wie das dümmliche, anscheinend aber unvermeidliche "Warum?" neben den Kerzen am Anschlagsort das Unvermögen oder den Unwillen zu erkennen, wer der Gegner ist.

Über die Sicht auf die "große Welt" eines Lukasz Urban ist wenig bekannt. Was man nachzulesen kann, ist die Aussage seines Cousins (in dessen Speditionsunternehmen der Ermordete tätig war) zum letzten Kontakt miteinander: "When I spoke to him he was saying it was a strange area of Berlin because it was full of Muslims. The only Germans he came into contact with were those at the depot."(3) Es wäre ziemlich sicher vorschnell und zu einfach, dieses Statement in der wohlfeilen Schublade "Rassismus" abzulegen.

Es reflektiert den Eindruck des Bewohners eines Landes, welches in Sachen "Flüchtlinge", zumal denen muslimischer Provenienz, einen erklärt anderen Kurs fährt als Deutschland. Polen hat zusammen mit den anderen 3 "Visegrad-Staaten" (Tschechien, Slowakei, Ungarn) seine diesbezügliche Position erklärt. Das wiederum macht verständlich, warum Lukasz Urban, eben als Pole, in den offiziellen Statements zum "Breitscheidplatz" von deutscher Seite mit keiner Silbe erwähnt wurde.

Es soll hier nicht darum gehen, über das grundsätzliche "richtig" oder "falsch" der jeweiligen Flüchtlingspolitik zu urteilen. Unbestrittenerweise ist die deutsche Position erstmal die mit mehr "Herz". Man kann andererseits die Visegrad-Position noch so sehr verdammen: islamistischen oder mit Berufung auf den Islam verübten Terror kennen die Bewohner dieser Länder nur aus den Auslandsnachrichten.

Genauso kurzsichtig, wie jeden und alles, was man als "Islam" wahrnimmt, von vornherin zu verdammen, ist es, so zu tun, als wäre das, was als "islamistischer Terror" wahrgenommen wird, von gleicher Qualität wie herunterfallende Dachziegeln, Blitze aus heiterem Himmel oder das Betriebsrisiko beim Autofahren.

Wenn dem so wäre, wäre es grundsätzlich müßig, sich um Morde und Mörder zu kümmern... wer, gemessen an der überwältigenden Anzahl derer von uns, der eines natürlichen Todes sterben, wird schon ermordet?

Hinter die Nachricht von jedem Mordfall könnten wir völlig zutreffend den Hinweis dranhängen, sowas hätte es vorher auch schon (mal) gegeben. Dieser Hinweis als allfälliges "Nachrichtenergänzungsmittel" hat dieser Tage ja wieder Hochkonjunktur..."und damit Schluss der Debatte". Tatsächlich?

Das Momentum, was sich in "Lukasz Urban" ausdrückt, zeigt, dass immer weniger Leute bereit sind, sich nach "Breitscheidplatz" ohne weiteres auf den Weihnachtsmarkt zurückschicken zu lassen.

Wohlgemerkt: Natürlich ist es ein richtiges Statement, im Sinne eines "jetzt erst recht" demonstrativ Glühwein zu trinken und fette Würste zu essen. Aber anscheinend steht "Lukasz Urban" dafür, dass das, natürlich neben der pflichtschuldigen Positionierung "gegen rechts", nicht alles (gewesen) sein kann.

Nochmal: Lukasz Urban hat seinen Mörder gekannt. Als solchen. Nicht als einen wie immer auch Fehlgeleiteten, Geltungssüchtigen... oder sonstwie Relativierten, letztlich "Weg-Erklärten" *. Er hat ihn e r kannt als Feind, der ihm nach dem Leben trachtete. Als jemanden, der ganz genau wusste, "wie es sein kann, dass sowas an einem Ort, wo das Leben gefeiert wird, stattfinden kann" (Zitat Erklärung Merkel).

Die Antwort ist einfach: Genau deshalb.

"Ihr liebt das Leben, wir aber den Tod", so der "Altmeister" dschihadistischen Terrors, Bin Laden. "Lukasz Urban" transportiert das Verlangen, genau dagegen was zu tun. Das aber kann nur beginnen mit Erkenntnis.

Man muss weder Carl Schmitt gelesen haben und noch weniger ihn mögen.

Und sicherlich muss man nicht mit ihm zusammen, in seinem Sinne antworten.

Aber eine "Antwort" auf die von ihm gestellte Frage: Was tun, wenn der Feind u n s als den seinen e r k e n n t und erwählt? muss mehr sein als ein (nur scheinbar hilfloses) "unbegreiflich" von Merkel oder "Warum?" von Schlichtlingen. Und deutlich mehr als die Umleitung des richtigen Reflexes, dass man soetwas wie "Breitscheidplatz" nicht will, in rituell abgefeierten Hass "gegen rechts".

Weder ein plattes "Muslime raus" noch ein simples "Der Islam gehört zu Deutschland" können die Antwort sein.

Das eine wie das andere steht vielmehr bei der Suche nach einer adäquaten Antwort im Wege.

* : Andernorts hat man weniger Probleme, den Mörder als das zu benennen, was er war: "Killer".(4)

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