Das vergessene Südburgenland

Wo ich herkomme, ist es wunderschön. Wer zu mir nachhause fahren will, muss an der Burg Güssing vorbei, durch winzige Orte hindurch und am Ende noch mal über einen Feldweg. Es ist hügelig, es gibt Wälder und Wiesen und es kommt meiner Vorstellung einer Idylle schon recht nah.

Das alles ist sehr nett, aber leider nicht viel mehr. Das Südburgenland verliert gerade den Anschluss. In der letzten Woche etwa hat die Wäschefirma Triumph angekündigt, ihr Werk in Oberwart zu schließen. 207 Frauen und drei Männer verlieren dabei ihren Job. Das ist für jede und jeden einzelnen eine Tragödie, es tut aber auch der ganzen Region weh. Die wenigen vorhandenen Arbeitsplätze werden noch weniger, schlecht bezahlt sind sie sowieso.

Was macht die Politik, um die Situation zu verbessern? Das Land steckt 200.000 Euro in eine Sozialstiftung, die den Menschen helfen sollen, sich für andere Jobs neu zu qualifizieren. Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) sieht die neuen Jobs "vor allem im Pflegebereich" und im Tourismus. Außerdem: "Gemeinden die über 50-Jährige einstellen, bekommen für das erste Jahr vom Land 50 Prozent der Lohnkosten überwiesen", ist im Kurier zu lesen. Auch die landesnahen Betriebe Kurbad AG und das Krankenhaus Oberwart kämen als neue Arbeitgeber in Frage.

Kurzfristig ist das eine gute Sache, nachhaltig ist es nicht, denn damit wird nur das Symptom bekämpft, nicht aber die Ursache des Problems. Das ist nämlich ein viel größeres. Kaum ein Schulabgänger, der eine Chance auf einen Job hat. Kaum jemand, der eine Lehre beendet und Arbeit findet. Es gibt kaum weiterführende Schulen, und wer sich selbstständig machen will, muss durch Dutzende von bürokratischen Reifen springen.

Im Nordburgenland ist die Situation für die Menschen besser: Das Bruttoregionalprodukt liegt bei 28.500 Euro (die jüngsten Daten sind von 2012, http://www.statistik.at/web_de/statistiken/volkswirtschaftliche_gesamtrechnungen/regionale_gesamtrechnungen/nuts3-regionales_bip_und_hauptaggregate/index.html), im Südburgenland nur bei 22.900 Euro. Was dem Nordburgenland hilft, ist die Nähe zu Wien. Aus Eisenstadt fährt man eine dreiviertel Stunde in die Bundeshauptstadt. Sogar, wenn man aus Illmitz kommt und einmal um den halben Neusiedler See fahren muss, ist man innerhalb einer Stunde in Wien. Aus dem Süden braucht man über eine Stunde länger.

Nun, gegen den Standort kann die Landespolitik nichts machen. Das Problem ist, dass sie aber sonst auch nicht viel macht. Während im Nordburgenland Bahnhöfe ausgebaut und Zugverbindungen attraktiver gestaltet werden, wurde vor ein paar Jahren der Personenzugverkehr nach Oberwart (das letzte Stück weiter in den Süden fuhren Züge ohnehin damals schon nicht mehr) einfach abgestellt. Dass kurz davor die weiterführende Bahnstrecke von Oberwart nach Großpetersdorf um viel Geld saniert wurde, um dann brach zu liegen, klingt da fast wie ein Schildbürgerstreich.

Vor eineinhalb Wochen wurde eine Studie des Landes Burgenland und der ungarischen Regierung zum Thema Bahnausbau im Südburgenland zwischen Oberwart und der nur eine halbe Stunde entfernten westungarischen Großstadt Szombathely präsentiert. Sie kommt zu dem Schluss, dass es viel Sinn ergeben würde, die Bahn auszubauen. Die Chancen sollen gut stehen, heißt es nun. Was dagegen spricht: Das hieß es schon oft. Und: Das Burgenland steht kurz vor Landtagswahlen. Vor Wahlen werden gerne Reformen für nach der Wahl versprochen und nach der Wahl ist dann keine Rede mehr davon.

Das Südburgenland ist schön. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gab es unlängst einen Artikel, der den Immobilienkauf im Burgenland empfiehlt, weil so schön und gleichzeitig so günstig es momentan kein anderes Land macht. Es wäre Zeit, dass die Politik den Leuten dort hilft, bleiben zu können und dennoch Arbeit zu finden. Jenseits von unterbezahlten Pflegejobs und Tourismusdienstleistungen.

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