Wie ist das nun mit der Meinungsfreiheit?

Irgendwie sind wir ja alle dafür. Aber eigentlich nur, wenns ums Eigene geht. Die Anderen liegen ja eh schief, reden Blödsinn, haben nicht richtig nachgedacht.

Ich natürlich schon. Weil ich bin ja schlau, lebenserfahren und kenne mich aus. Und dass die Anderen von sich genau das Gleiche denken, macht mich dann wütend. Kapiern die denn nicht?

Kein Wunder, dass sich die Leute in Blasen verkriechen, wo man sich gegenseitig bestärkt, Recht gibt und immer neue Räuberpistolen auftut, weil es anders ja eigentlich langweilig wäre. Also wenn immer alle das Gleiche denken. Würden sich die Themen bloß nicht so schnell erschöpfen ...

Da kommt so etwas wie Fisch+Fleisch gerade recht.

Weil ... da sollen doch tatsächlich ALLE alles schreiben dürfen, sei es so abwegig wie auch immer. Meinungsfreiheit pur. Mit kontroversen Diskussionen, grad wia im richtigen Leben (wo man derlei in Wahrheit oft vermeidet; Freunde, Bekannte, Kollegen sind auch dann noch Freunde, Bekannte und Kollegen, wenn man sich gestritten hat, meistens).

Im Internet-Auftritt von Nachgehakt (25.03.2015) wird das Interview mit Silvia übertitelt mit

"Das Bashing bringt uns unglaublich viele Leser"

was damals nicht die internen Querelen, sondern das Medienecho zu F+F beschrieb. Auf erstaunliche Weise ist dieser Titel eine Zeit lang jedoch auch Programm gewesen.

Die Leute schauen gern zu, wenn sich andere streiten und die Köpfe einschlagen. Es hat seinen Reiz, friedlich daheim zu sitzen und anderen bei ihrer Aufregung zuzuschauen. Und manchmal jucken einem die Finger, da will man dann doch auch mitreden und meldet sich halt an. Ist ja keine große Sache. Und ehe man sichs versieht, steckt man mittendrin in diesen Streits und führt sich genauso auf wie jene, denen man anfangs amüsiert zuschaute. Das ist dann zwar gar nicht mehr amüsant, hat aber doch - für eine gewisse Zeit - einen Suchtfaktor, weil ... merken die anderen denn nicht, dass sie schief liegen, Blödsinn reden und nicht richtig nachgedacht haben?

Weil sie es aber nicht merken und man nicht schreien oder auf den Tisch hauen kann, wird der Ton immer schärfer, die Beleidigungen immer gemeiner, das Vokabular immer drastischer. Manch einer, sogar von denen, die selbst kräftig austeilen können, droht dann auch schon mal mit Klage. Die Leiseren haben sich längst zurück gezogen, schauen erst nur noch zu, kommentieren sparsamer, vielleicht beschwichtigend, zuweilen spitz; irgendwann sind sie ganz weg. Und die Anderen, noch da Gebliebenen, kreischen immer weiter nach ihrer Meinungsfreiheit.

Die man ihnen doch versprochen hat, wenigstens hier, wenn schon nicht draußen in der Welt, wo man Rücksichten nehmen muss oder schnell Konsequenzen spürt.

Über allem thront jene, die sich als Chefin längst fühlt wie der Zauberlehrling. So große Ideen hatte sie. So sehr glaubte sie, dass es genau DAS ist, was der Gesellschaft fehlt: ein Austausch unter Ungleichen, die voneinander erfahren, miteinander sprechen, am Ende womöglich im besten Fall einen Konsens finden.

Der Mensch, so scheint es dieses gut gemeinte Experiment wieder einmal bewiesen zu haben, ist nicht geschaffen für die Freiheit, in der Meinung und im Handeln, vielleicht nicht einmal für die Demokratie und wenn er sich auch dünkte, reif für all das zu sein.

Öffnen wir also den Käfig. Die letzten Versuchstiere werden schon merken, dass bald keiner mehr da ist.

*(ich schwöre, ich hab nichts gegen Falco)

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