Am 30. Dezember 1525 verstarb einer der bedeutendsten Männer der europäischen Wirtschaftsgeschichte: Jakob Fugger der Reiche. Jetzt, fünfhundert Jahre später, gedenken wir eines Menschen, der nicht nur Reichtum anhäufte, sondern eine Haltung von außergewöhnlicher Menschlichkeit lebte. Fugger war Visionär, Mäzen, Sozialreformer und ein Mann, der in seinem Denken und Handeln den Geist einer besseren Zukunft vorwegnahm.
In einer Zeit radikaler Umbrüche, neuer Handelswege und wachsender sozialer Spannungen gelang es Fugger, ein Vermögen zu erwirtschaften, das rund zwei Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts ausmachte – mehr als das vereinte Vermögen heutiger Milliardäre wie Elon Musk und Jeff Bezos. Doch Fugger verstand Reichtum als Auftrag, nicht als Selbstzweck. Für ihn war Besitz Verantwortung: Verantwortung für Menschen, für Gemeinschaft und für Fortschritt.
Ein Symbol dieses Denkens ist die Fuggerei in Augsburg, gegründet 1521. Als älteste Sozialsiedlung der Welt bietet sie bis heute ehrbaren, aber bedürftigen Augsburger Katholiken ein Zuhause – für eine symbolische Miete von einem Gulden im Jahr, also nur 88 Cent, verbunden mit drei täglichen Gebeten für die Stifterfamilie. Damit verband Fugger materielle Unterstützung mit spiritueller Gemeinschaft – ein soziales Konzept, das bis in unsere Gegenwart wirkt.
Jakob Fugger war jedoch weit mehr als ein Wohltäter in seiner Heimat. In Zeiten, in denen nationale Grenzen und religiöse Mauern Menschen voneinander trennten, lebte er Weltoffenheit und Toleranz. Er finanzierte Unterkünfte und Gästehäuser für Reisende und Kaufleute aus fremden Ländern, hieß Fremde willkommen und gab ihnen die Möglichkeit, in Augsburg Fuß zu fassen. Fugger wusste, dass Handel nicht nur vom Tausch der Ware, sondern vom Vertrauen der Menschen lebt.
Er arbeitete mit jüdischen und muslimischen Kaufleuten auf Augenhöhe, führte faire Geschäfte mit ihnen und schenkte ihnen den Respekt, der im Europa des 16. Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit war. In einer Zeit, die oft geprägt war von Misstrauen, religiöser Intoleranz und Abgrenzung, zeigte Fugger, dass wirtschaftlicher Erfolg nur dann dauerhaft ist, wenn er auf gegenseitigem Ansehen und Gerechtigkeit beruht. Sein Verhalten war Ausdruck einer inneren Größe, die weit über die Grenzen seiner Epoche hinausweist.
In seiner gesamten Lebensweise verband Fugger ökonomische Weitsicht mit sozialer Verantwortung. Er bezog seine Angestellten, Handwerker und Geschäftspartner in seine Entscheidungen ein, sorgte für gerechte Entlohnung und langfristige Perspektiven. Mit Vertrauen, Organisationstalent und menschlicher Wärme schuf er die Grundlagen moderner Unternehmenskultur. So darf man wohl sagen: Fugger war einer der ersten Sozialdemokraten – lange bevor das Wort existierte.
Und Fugger war, im Geiste moderner Nachhaltigkeit, auch ein früher „Grüner“. Er wirtschaftete mit Maß, verschwendete keine Ressourcen und stand technischen Neuerungen offen gegenüber. Er verstand, dass Fortschritt dann Bestand hat, wenn er der Gemeinschaft dient.
Jakob Fugger hat gezeigt, dass Kapitalismus, soziales Handeln und ökologisches Denken keine Widersprüche sind. Er beweist, dass Reichtum, der teilt, Verantwortung trägt – und dass wahrer Wohlstand darin besteht, Spuren des Guten zu hinterlassen.
So erinnern wir uns an diesem 500. Todestag an einen Mann, der Gold in Vertrauen verwandelte und Macht mit Mitgefühl verband. Sein Werk mahnt und inspiriert zugleich: Wahrer Reichtum ist jener, der Menschen verbindet – über Zeiten, Nationen und Glaubensgrenzen hinweg.