Ein paar Tage lang fühlte ich mich nackt ohne sie. Nicht, dass das vorbei wäre wie damals beim Ehering. Nach einer Ehe, die am Ende ist, ist der Ehering nurmehr Gewohnheit. Vielleicht ersetzbar durch einen anderen Ring. Oder eben durch garnix.

Aber das hier war anders.

Die Kette, die mir neuerdings bei mehreren Gelegenheiten einfach entgegen gefallen war (und ich bin froh, dass ich sie nicht ganz verlor), bedeutet mir wirklich viel.

Mein Vater schenkte sie meiner Mutter zur silbernen Hochzeit. Und die trug sie 25 Jahre lang, zehn Jahre über seinen Tod hinaus, bis zu ihrem eigenen. Seitdem trage ich sie, immerhin schon zwanzig Jahre lang. Unentwegt. Bis auf die wenigen Gelegenheiten, an denen mich irgendein Arzt bat, sie für eine Untersuchung abzunehmen.

Die Kette als solches ist nichts wirklich Besonderes. Zarte Glieder mit einem kleinen Herzen dran. Eigentlich sogar irgendwie kitschig.

Aber was ist schon Kitsch, wenn es um Familie geht?

Ich war dabei, als der Vater sie kaufte und einen Herzanhänger zur Silberhochzeit ganz folgerichtig fand.

Ich war dabei, als die Mutter sie bekam und sich tatsächlich wahnsinnig freute (woran man erkennen kann, dass die Leute damals noch bescheidener in ihren Wünschen waren).

Ich war dabei, als die Kette an Mutters Busen bebte, wochenlang immer wieder, während sie den allzu frühen Tod ihres geliebten Mannes beweinte.

Ich war dabei, als meine Mutter wenige Tage vor ihrem eigenen Tod mit nichts als einem Krankenhaus-Notfall-Hemd und eben der Kette um den Hals auf der Intensiv lag und den Arzt ernst fragte:" Ist das jetzt das Ende?"

Und ich wunderte mich, dass keine meiner Schwestern beim Verteilen ihres Schmuckes den Wert dieser Kette erkannte, der eben kein wahnsinnig materieller, aber ein sehr sentimental-nostalgischer war.

Ich schätze, wenn ich selbst dermaleinst sterbe, werde auch ich diese Kette tragen. Denn wenn der letzte Verschluss weit über vierzig Jahre hielt, wird der neue das dann wohl auch tun. Die Goldschmiedin, der ich die Misere heute anvertraute, gab nicht zu erkennen, dass die Sache selbst wohl eine solche kostenaufwendige Reparatur nicht wert ist. Ich schätze, sie hat, trotz ihrer Jugend, erkannt, dass es in Sachen Schmuck andere Dinge sind als rein monetärer Wert, die das Maß unserer Wertschätzung ausmachen.

Und, stell dir vor, Globi, beim Erklären der Ursache des Schadens verwandte sie beinahe die gleichen Worte wie du.Wahrscheinlich sind Optiker und Goldschmiede so weit voneinander gar nicht entfernt.

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Spinnchen

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Globetrotter

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