Ein paar positive Worte zu den ÖH-Wahlen

Nächste Woche sind ÖH-Wahlen. Die Studierenden unter euch werden das schon mitbekommen haben. „Wahlen“, weil man als Student mehrere Stimmen hat – eine für die Bundesebene, eine für die Universität, eine fürs Studium. In Sachen Relevanz sind die Wahlen irgendwo zwischen „Studium selbst gestalten“ und „Eh wurscht“ einzuordnen. Je nachdem, wen man fragt.

Und das halte ich gelinde gesagt für eine Frechheit. Ich selbst bin jedes Mal froh, wenn ich wählen darf. Nicht nur aus Prinzip und als Freund der Demokratie, sondern weil ich das Mitbestimmungsrecht nutzen muss, wenn ich die nächsten Jahre auch mitreden möchte. Es gibt nichts Nervigeres als diese notorischen Nichtwähler, die sich dann über „die Politiker“ aufregen, aber sich nicht mal an einem Tag im Jahr die Zeit genommen haben, das zu verhindern.

Bezeichnend ist, dass ich mit meinen bescheidenen 21 Jahren noch keine so sachpolitische Wahl erleben durfte wie die ÖH-Wahl. Natürlich ist auch hier der übliche Populismus dabei – Kampfbegriffe wie „neoliberal“, „linksradikal“ etc. werden inflationär verwendet, um das jeweils feindliche Lager zu diskreditieren und die eigene möglichst gut dastehen zu lassen. Dennoch dominieren vor allem die Ideen und Inhalte den Wahlkampf – etwas, das ich bei Wahlen im Bund vermisse.

Bezeichnend ist übrigens auch, dass das rechte Lager bei den ÖH-Wahlen marginal durch den RFS besetzt ist. Und dieser schafft es vor gebildetem Publikum ohnehin nicht, sich erfolgreich zu inszenieren. Das passt übrigens sehr gut zur Statistik des SORA-Instituts, dass die FPÖ vor allem bei Wählern niedriger Bildungsschichten erfolgreich ist. Die Schlüsse daraus dürft ihr ziehen – die Stimmung an den Hochschulen ist jedenfalls eindeutig. Nicht umsonst wirbt der RFS mit „Traust dir nie“.

Auch die Angebotsvielfalt bei den ÖH-Wahlen finde ich wichtig. Dabei sind nicht alle außer der RFS links, so wie es für Außenstehende oft den Anschein machen mag. Neben den zwei (!) kommunistischen (!!) Parteien, den Grünen Alternativen Student*innen (GRAS) und dem VSStÖ (sowas wie die SPÖ, nur eben keine verfilzte Altpartei) gibt es unabhängige Fachschaftslisten (FLÖ), die „engagierten Studierenden“ (FEST), die ÖVP-(offiziell nicht)-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) und die jungen liberalen Studierenden von den NEOS (JUNOS). Zusätzlich gibt es noch StuLife, die abgesehen von ihrer Nähe zur UETD (das sind die, die Erdogan hergeholt haben) nicht wirklich ein Profil etablieren konnten – und sogar eine Satirepartei gibt es mit der LISTE, die Zugangsbeschränkungen für Kärntner fordert.

Der Unterschied zu anderen Wahlen ist, polemisch gesagt, dass die alle (außer die LISTE) es wirklich ernst meinen. Im „normalen“ österreichischen Wahlkämpfen regnet es Versprechen und Goodies Monate vor dem Wahltermin (Gemeindewohnungen in Wien), unangenehme Themen werden verschoben („Die Pensionen sind sicher“, Hypo Alpe Adria …), die Politiker liefern sich Schlammschlachten (Vassilakou-Plakat) und nicht selten erinnert das alles irgendwie an den intriganten Stil von „House of Cards“ (Akkilic-Wechsel).

Die ÖH-Fraktionen allerdings unterstehen oft gar keinen Parteien – und wenn, dann sind sie weitgehend unabhängig von diesen und lassen sich nur von ihnen finanzieren. Das kann ein Vorteil sein – so spricht der VSStÖ zusammen mit der SJ in der SPÖ die Themen an, die die alten Herren an der Spitze gerne ausklammern. Die JUNOS sind zwar bei den NEOS dabei, nehmen aber keine Stellung zu Cannabis-Legalisierung ein, da das nicht Hochschulmaterie ist. Der RFS agiert in Sachen Studiengebühren sogar gegen die Linie seiner Mutterpartei – was auch immer man davon halten mag. Das alles sind keine Berufspolitiker, die um ihren Arbeitsplatz zittern müssen – das sind Menschen, die ernsthaft für ein besseres Studieren eintreten.

Ich finde, so sollten Wahlen aussehen. Die Fraktionen sollten ihre Ideen in den Vordergrund stellen, um eine echte Abstimmung „für das Allgemeinwohl“ zu ermöglichen – unabhängig von Machtspielchen und dergleichen. Vielleicht ist mir das auch entgangen – aber ich attestiere zumindest den meisten Kandidaten und Kandidatinnen Ehrlichkeit. Sogar denen, die ernsthaft Studiengebühren für Drittstaatsangehörige fordern. Oder eine globale kommunistische Revolution, ausgehend von der Uni Wien.

Es ist nicht alles schlecht – weder in der Demokratie Österreich an sich, noch bei den ÖH-Wahlen. Und ich halte es für angebracht, wählen zu gehen. Denn bei einer Wahlbeteiligung von etwa 30 % ist klar, dass die ÖH ein schwaches Verhandlungsmandat gegenüber der Bundesregierung hat. Aber das kann sich alles ändern. Dafür muss man halt wählen gehen.

3
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

Noch keine Kommentare

Mehr von Stefan Schett