Flüchtlingsströme, Zuwanderungswelle, Völkerwanderung. Call it what you want, die Flüchtlinge kommen und werden nicht damit aufhören. Spät, aber doch haben die Politiker Europas erkannt, dass jeder seinen Teil dazu beitragen muss, diese möglicherweise größte Herausforderung unserer Zeit zu meistern. Sie fahren und fliegen gerade hin und her, um sich zu beraten.

Dabei bilden sich langsam, aber sicher zwei Blocks heraus. Der eine rund um Angela Merkel, die kurzzeitig ihre Grenzen unkontrolliert geöffnet hat. Der andere um Viktor Orbán, der mitten in Europa Zäune baut. Das gefällt nicht allen. Aber trotzdem scheint der ungarische Premier gute Chancen zu haben, seine Vision von einem Europa der Grenzsicherung durchzusetzen. Und dafür hat er viele Fans.

Das hat seinen Grund. Denn vergleicht man Viktor Orbán mit anderen europäischen Staats- und Regierungschefs, hat er nämlich einigen von ihnen etwas voraus: Staatsmännischkeit und Realismus.

Staatsmännischkeit äußert sich durch die Art, wie Orbán wahrgenommen wird. Vor allem, wenn Werner Faymann neben ihm steht. Der Regierungschef, der sich noch im Kommunismus mit der politischen Klasse angelegt hat, ist einfach ein anderes Kaliber als der Wiener SPÖ-Mann, der sich durch verkrustete Parteistrukturen nach oben gearbeitet hat. In seinen Worten und seinem Auftreten schwingt Selbstbewusstsein mit – und es lässt einen der Eindruck nicht los, dass Orbán einen Plan hat. Etwas, was man von vielen Politikern dieser Zeit nicht unbedingt behaupten kann.

Realismus äußert sich in der Art, wie Orbán Politik macht. Das idealistische „Refugees Welcome“ ist zwar wichtig, da nur durch die große Welle der Hilfsbereitschaft Flüchtlinge betreut werden. Aber einen echten Plan, wohin unkontrollierte Massenflucht führen soll, scheint es noch nicht zu geben. Orbán hingegen nimmt das Zepter selbst in die Hand und versucht, die Hauptlast von seinem Land wegzuschieben. Auch er bezweifelt nicht die Notwendigkeit einer europäischen Lösung – aber bis es diese gibt, behält er sich das Recht nationalstaatlicher Maßnahmen vor. Das ist weder idealistisch noch schön, aber wirksam. Und so nebenbei auch populär für seine Regierung, die von der Rechtsaußenpartei Jobbik unter Druck gesetzt wird.

Die Schattenseiten sind zahlreich. Was mit Flüchtlingen in Ungarn passiert – Stichworte Tränengas, Fremdenhass und „Fütterungen“ – ist eines modernen, europäischen Staates nicht würdig. Aber momentan bieten sie (leider) den einzigen Ansatz, der den nötigen Weitblick bieten kann.

#Refugeeswelcome ist schön und gut – aber wie schaffen wir es, den unzähligen Flüchtlingen menschenwürdige Zustände und Asyl zu bieten, sie in unsere Gesellschaften zu integrieren und dabei die finanziellen und sozialen Folgen im Auge zu behalten? Wie sieht der nachhaltige Weg aus? Wir wissen es nicht. Und wenn wir uns nicht bald etwas ausdenken, besteht Europa bald wieder aus Mauern.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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