„Die Rechten sind gefährlich“. Diese Aussage wird teils nach lächerlichen Lappalien verwendet, teils gegen die falschen gerichtet und teils ist sie einfach unwahr, wenn sie sich gegen irrelevante Randgruppen richtet. Aber unterschreiben würde ich sie dennoch. Nicht, weil ich als Gegenpart links bin – sondern weil eine erstarkte Rechte die Europäische Union zum Scheitern bringen könnte.

Und auch das klingt jetzt wieder überzogen. Gerade, weil wir in Österreich einen Wahlkampf hinter uns haben, in dem das oft genug angesprochen wurde. Norbert Hofer, der freiheitliche Kandidat, der es fast zum Präsidenten geschafft hätte, wurde oft auf sein Verhältnis zu Europa angesprochen. Was hängen blieb: Europaskeptisch, aber dennoch kein Austritt bitte. Das nahm dem „die Rechten sind gefährlich“-Spruch ein bisschen Angriffsfläche.

Dass die Rechten dennoch Europa bedrohen, davon konnte ich mich beim „Patriotischen Frühlingsfest“ der FPÖ überzeugen. In Vösendorf trafen Vertreter der Europafraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) zusammen – Markus Pretzell von der AfD war dort, genauso wie osteuropäische Vertreter der Rechten und Lorenzo Fontana aus Italien. Nacheinander hielten sie Reden, die dem Publikum zeigen sollten: Sie kämpfen gegen die Zentralisierung Europas.

Ich finde das nicht gut. Ich habe den Schilling zwar noch mitbekommen, trauere ihm aber nicht nach. Ich weiß, dass die Teuerung seit 2002 nicht wegen, sondern trotz dem Euro passiert ist. Und dass die wirtschaftlichen Probleme Österreichs an der „Arbeit“ der Bundesregierung liegen – und nicht etwa an der Kommission. In den Reden der Rechten klang das freilich anders. Aber es war großteils der gewohnte rechte Populismus mit einfachen Lösungen für komplexe Probleme.

Nichts zu befürchten, könnte man also meinen. Bis eine Person auf die Bühne kam, die mich staunen ließ.

Marine Le Pen: Der Prototyp der Rechten

Von Marine Le Pen, Präsidentschaftskandidatin des Front National in Frankreich für 2017, hatte ich schon gehört. Bis jetzt stellte ich sie mir immer vor als weiblichen Strache. Ich dachte, ihre Umfragewerte seien vor allem der Inkompetenz der französischen Traditionsparteien geschuldet – so ist es ja auch in Österreich und in vielen anderen Staaten Europas. Aber mit ihrer untertitelten, französischen Rede erstaunte mich Le Pen. Sie machte mir beinahe Angst.

Marine Le Pen ist der Prototyp der Rechten. Sie spricht zwar die klassischen rechten Themen an, zum Beispiel den Verlust von Souveränität, die „Bürokratisierung“ der EU und die Herausforderung durch die Migration. Aber gleichzeitig klingt sie dabei nicht so, als wäre sie rechts oder würde vereinfachen. Teilweise spricht sie sogar eigentlich linke Themen an, beispielsweise Solidarität mit Griechenland und eine Ablehnung des Sparkurses der EU. Sie verbindet Globalisierungskritik mit Xenophobie, solidarisiert sich mit Arbeitern und tritt gegen alles auf, was es an Establishment gibt – egal ob nationale Regierungen oder die EU.

Am Ende von Le Pens Rede brach eine Stimmung aus, die nicht zu beschreiben ist. Die Besucher feierten diese Dame, die 2017 Präsidentin werden könnte. Ich allerdings hatte Angst um mein Europa.

Le Pen könnte das Ende Europas einläuten

Denn Marine Le Pen ist anders als die anderen. Gegen sie ist Strache mit seinen simplen Taschenspielertricks ein Kindergarten. Sie beschränkt sich nicht darauf, an jeder Stelle die „Ausländer“-Karte zu spielen – auch, wenn ihr Programm das nicht immer unterstreichen mag, kommt es einem zumindest so vor, als wäre ihr Programm einigermaßen fundiert. Die Forderung nach nationalstaatlicher Souveränität, um das Leben der Menschen wieder zu verbessern, wird absolut rund inszeniert – und alle werden eingebunden, anstatt ausgegrenzt. Das Modell Le Pen funktioniert – und es ist beängstigend, wie gut sie das umsetzen kann.

Sollte Le Pen 2017 gewinnen, könnte das das Ende der EU sein, wie wir sie kennen. Vor allem, wenn Großbritannien bis dahin ausgetreten und zersplittert sein sollte. Dann wäre eine von de facto zwei europäischen Großmächten in der Hand der Rechten – und diese würden jede Reform der EU, alles, was Europäisierung anbelangt, blockieren oder gar rückgängig machen.

Ein Sieg von Le Pen könnte auch als Boost für die anderen rechten Parteien Europas wirken. Die AfD, PVV, FPÖ, Lega Nord usw. würden alle davon profitieren, wenn es sogar im Land der Französischen Revolution möglich wird, eine Kandidatin zu wählen, die all diese Prinzipien der Moderne in Frage stellt. Der latente Rassismus innerhalb der europäischen Rechten wird in anstrengenden Zeiten der Flüchtlingskrise sicher gerne ausgeblendet, wenn man sich die aktuellen Wahlergebnisse ansieht.

Wer vor Hofer und Strache Angst hatte, der muss Le Pen fürchten. Sie ist das Gefährlichste, was die Rechte zu bieten hat – und es sieht momentan nicht so aus, als hätte ihr irgendjemand etwas entgegenzusetzen.

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