Erstmals seit 70 Jahren!

Letztens ist etwas sehr bemerkenswertes passiert: Armin Wolf hat eine Aussage von FPÖ Chef Strache öffentlich auf Twitter verteidigt. Warum er es tun musste und was danach passiert is, war ebenso denkwürdig. Aber der Reihe nach: Nach dem Wahlerfolg in Oberöstereich kam ein klassischer Strache-Sager, noch dazu im Wahlkampf. Das ist eine meist sehr aufgelegte und mit Dankbarkeit seiner Kritiker angenommene Aussage, dieselbe in der Luft zu zerreißen und sich über HC zu empören.

Da war also in einem Interview folgendes zu hören: "Ich glaube, dass spätestens heute sichtbar geworden ist, dass wir dort [Anm.: es geht um Wien] erstmals seit 70 Jahren stärkste Kraft werden können." Und da läuteten die Alarmglocken bei allen Anti-FPÖlern. Vor 70 Jahren war 1945. Nazis. NSDAP. Hat sich Strache also mal wieder im Ton und Aussage vergriffen, indem er eine bewusst doppeldeutige Aussage gemacht hat. Es folgt also, was folgen muss. Allgemeine Empörung der Linken. Historische Erläuterungen, warum das so fehl am Platz ist. Aufgreifen des Themas durch Boulevardmedien. Und so weiter und so fort. Business as usual.Schauen wir uns die Aussage selbst einmal versucht wertneutral an, indem wir versuchen auszublenden, wer sie getätigt hat und... Es ist nichts Falsches daran zu erkennen. Er hat schlichtweg recht. Es ist möglich, dass die FPÖ den ersten Platz bei der Wienwahl nächste Woche ergattern kann. Warum ausgerechnet seit 70 Jahren? In der österreichischen Politik ist es durchaus nicht nur bei den Blauen üblich mit dem Beginn der Zweiten Republik einen Neustart für Österreich zu sehen und Ereignisse damit zu verknüpfen. Und das ist nun halt grad genau 70 Jahre her.

Nichtsdestotrotz wurden Bilder der zerstörten Hauptstadt auf Facebook gepostet, Strache vorgeworfen, er wolle sich zum Nachfolger Hanns Blaschkes aufwerfen, dem letzten NSDAP-Bürgermeister von Wien und sehe sich und seine Partei in dessen spiritueller Nachfolge. Ich muss ehrlich sein, ich habe die Posts der sich aufregenden Social Media Benutzer nicht weiter verfolgt, bis Armin Wolf für Strache in die Bresche sprang: "Finde die Empörung über das "Erstmals seit 70 Jahren"-Strache-Zitat wirkl. lächerlich. Seit 70 Jahren gibt es in Wien wieder demokr. Wahlen." Wolf kann man nicht vorwerfen sich an Rechts anbiedern zu wollen. Dieser Post ist also der eines Menschen, der noch selbstständig denken kann und wenn es notwendig ist, auch einmal dem sonstigen Gegner die Stange zu halten. Meine Hochachtung hat er damit. Was dann auf den Tweet folgte, war eine schrecklicher Einblick in unsere Gesellschaft.

1) Strache ist böse. Die FPÖ ist eine widerwärtige Ausgeburt. Alle, die das nicht erkennen, sind verblendet. Alles, was er sagt, ist verklausuliertes Naziidiom.Es folgten Diskussionen mit Spitzfindigkeiten, es habe auch schon in der Ersten Republik freie Wahlen gegeben und zudem sei die Aussage von einer rechten Partei getätigt worden und daher grundlegend bedenklich. Ob er nun ein "wieder" in dem Interview gesagt hat oder nicht, sei vollkommen unerheblich (was es eben aus semantischer Sicht nicht ist), weil es nun mal Strache ist, der es gesagt hat. Ebenso, dass darauf hingewiesen wurde, dass schon genannter Blaschke nur bis April '45 Bürgermeister war und danach zunächst provisorisch und nach den ersten Wahlen im November '45 Theodor Körner, der wohl ebensowenig rechts war, wie es Wolf ist. Wird ebenso vom Tisch gefegt mit dem "Argument", dass Strache sicher nicht darauf angespielt hat.Es wird also aus Prinzip, eben weil man es gewöhnt ist, davon ausgegangen, Strache wollte unbedingt zweideutig auf etwas anspielen, weil er das halt eh immer macht. Und außer Armin Wolf ist es von öffentlicher Seite niemandem eingegangen, dass das nicht notwendigerweise so sein muss. Dennoch musste er sich daraufhin gegen die verteidigen, die sonst hinter ihm stehen, anstatt dass nachgedacht wird, ob er nicht vielleicht doch recht hat. Aber das hieße indirekt, Strache rechtzugeben und das ist ein Ding der Unmöglichkeiten in den Köpfen dieser Menschen.

2) Strache ist arm. Die FPÖ ist unser verkannter Erlöser. Alle, die das nicht erkennen, sind verblendet. Alles, was er sagt, die ungeschönte Wahrheit. (Und Wolf ist eine "linke Ratte".)

Die Anhänger von HC haben natürlich auch nicht lange auf sich warten lassen und sind auch ihrer Stammrolle treu geblieben. Wolf wurde angefeindet, weil der allergrößte Teil der Poster offenbar nicht gelesen hat, was er eigentlich geschrieben hat. Als hätte es nicht gereicht, dass die Linken ihren Feldzug der I-Tüpferlreiterei nicht überwinden können und sich in ihrer vermeintlichen intellektuelle Überlegenheit lieber suhlen als zuzugeben, dass sie - eh nur ausnahmsweise - übertrieben reagiert haben, müssen die intellektuellen Grobmotoriker der Rechten auch offenbaren, dass sie sekundäre Analphabeten sind. Lieber mal zuerst draufhauen und dann nachdenken, wenn überhaupt - wie sie es halt gewöhnt sind. Denn hätten sie nachgedacht, hätten sie der "linken Ratte" Recht geben müssen und das, naja siehe oben. Never change a winning system...

Was sagt uns das jetzt? Die Situation ist noch viel verfahrener als befürchtet. Links ist der noble Adlige, vergeht aber in seiner Hybris gegen Rechts. Rechts ist der ungeschlachte Bauer, der sich in Selbstmitleid badet, dass ihn niemand verstehen will und kann. Diesen beiden Personen werden sich nie frewillig auch nur im selben Raum aufhalten, geschweige denn an einen Tisch setzen und es wird von Tag zu Tag schlimmer. Immer mehr Leute werden entweder dem Einen oder dem Anderen zugeteilt - freiwillig oder unfreiwillig, bis nichts mehr anderes übrig sein wird. Beide sind so dermaßen von der Richtigkeit ihrer Position überzeugt, dass ich gar so weit gehe zu behaupten, würde man der FPÖ ein komplett konträrer Wahlprogramm unterjubeln und es in ihrer Diktion verbreiten lassen, wären die Anti-FPÖler weiterhin strikt dagegen und die Strache Anhänger auf einmal begeistert dafür, wogegen sie zuerst noch gehetzt haben.

Beati pauperes spiritu.

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