Ich hatte kürzlich Geburtstag. Da überkommt mich jedes Jahr aufs Neue der Blues. Nachdenklichkeit, was ich im vergangenen Jahr erreicht habe, für mich, für meine persönlichen Ziele. Und was nicht. Besonders schlimm ist das seitdem der 25er durch ist. Ein Vierteljahrhundert, scheiß mich an, der Tod zwar immer noch hoffentlich weit weg, aber da kams mir das erste Mal richtig: „Ich bin kein Teenie mehr und auch nicht ewig jung.“

Meistens ist die Kategorie des Was-nicht-erreicht-wurde umfangreicher und ich verstehe nicht wieso. Da hab ich eh ein Jahr lang Zeit, 365 Tage, die voll ausgenutzt werden können und ein Jahr später stelle ich resigniert fest, das wieder kaum was weitergegangen ist. Dabei bin ich mit soviel Zeit gesegnet! Wenig Verpflichtungen durch nur wenig Zeit, die für Studium und Arbeit draufgehen, ich will gar nicht dran denken, was wäre, wenn ich einen klassischen 0815 40h Job hätte. Ich könnt gleich sagen, kaufts ma an Sarg, mein Leben ist vorbei. Und dennoch komm ich mir dauergehetzt vor, fühle mich in einem anhaltenden Stress, der mich kaum Dinge machen lässt, die ich machen will. Es kommt immer was „Wichtigeres“ dazwischen: Freunden helfen bei irgendwelchen Sachen oder alltägliche Besorgungen und Dinge für das (Über)Leben machen müssen. Was sind die Gründe dafür, die Träume nicht ausleben zu können?

1) Schlechtes Zeitmanagement. Ich bin leider Gottes ein Mensch, der viel Schlaf braucht. Wenn ich nicht meine acht, neun Stunden pro Tag kriege, bin ich von unausstehlich bis zu (je weniger es wird) körperlich und psychisch komplett unbrauchbar. Da haben es die Leute, die mit vier, fünf Stunden Schlaf auskommen können und dann fit sind wie ein Turnschuh und der Welt einen Haxen ausreißen können, besser. Und der Rest der Zeit geht für die oben genannten Dinge drauf, für die ein Mensch mit guter Zeiteinteilung wohl nur die Hälfte der Zeit braucht. Großartig. Mit weniger Schlaf auskommen, wird’s wohl nicht spielen also bleibt mir nur besser meine Zeit einzuteilen und da steh ich schon an und frag mich: WIE? Dazu kommt…

2) Prokrastination. Eine extrem behinderte Mischung, für alles fünfmal so lang zu brauchen und dann Dinge auch noch dauernd auf „später“ zu verschieben. Bis aus dem „später“ ein „irgendwann“ wird. Bekanntlich ist irgendwann ja nur eine nette Umschreibung für niemals. Leute, die es können, Dinge gleich anzupacken, sind auch besser dran. Und wieder frag ich mich, wie krieg ich die Verschieberitis weg…?

3) Zu viele Träume und Ziele. Ich hab nur das eine Leben und das will ich ausnützen, also pack ich es in Gedanken mit so viel Zeug voll, das ich erleben/sehen/erfahren will, dass ich nicht weiß, was davon am wichtigsten ist und was ich zuerst in Angriff nehmen soll. Am liebsten würde ich alles auf einmal machen, dadurch fühle ich mich wieder gestresst und überfordert und mache erst recht gar nichts, bevor ich mich nicht ausgerastet und geschlafen habe. Und so vergeht wieder ein Tag, ohne etwas gemacht zu haben. Schon Oasch, nicht?

4) Zu ambitionierte Träume und Ziele. Ich konnte mich nie mit dem Gedanken anfreuden, einfach ein kleines Rädchen unter vielen zu sein. Ich bin Egoist, ich will Erfahrungen sammeln, die mir etwas bedeuten. Ich ziehe keine Erfüllung daraus, Flüchtlingen zu helfen, wie schon mal an anderer Stelle geschrieben. Ich will nicht in irgendeinem (Büro)job versumpfen, bis ich in Pension gehe, um dann irgendwie vergessen und verloren zu verrecken. Ich will Abenteuer erleben, die Welt entdecken, reisen, schreiben, vl sogar noch schauspielern. Mehr oder weniger einzigartige Dinge tun, und nicht nur alltäglich zwischen Wohnung und maximal Stadtgrenze pendeln und nachts nicht einschlafen können, weil ich so laut seufze, ob der Träume und dann wieder stundenlang im Internet über Höhenbergsteigen zu lesen und zu vergehen vor Sehnsucht. Kleine, erreichbare Ziele gibt es bei mir nicht…

5) Das alltägliche Leben in der Gesellschaft. Das einzige, an dem ich nicht selbst Schuld trage oder etwas ändern kann. Es wird von einem erwartet, sich anzupassen, sich einzugliedern. „Such dir endlich einen richtigen Fulltimejob!“, „Fall ned dauernd aus der Reihe!“, „Hör endlich auf, Extrawürste haben zu wollen!“, „Tu endlich was für die Gesellschaft!“, „Sei ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft!“, etc… So oft schon gehört, so sehr kann ich es nicht mehr hören. Will ich alles nicht. Ich will kein allgemein-sozialer Mensch sein, der der Gesellschaft gibt, weil es die Gesellschaft so vorsieht, dass man das halt so zu machen hat. Aber nachdem ich nicht unendlich reich bin, werde ich in dieses Korsett gezwungen, denn ich muss irgendwie überleben in der Gesellschaft. Eine andere gibt’s hier nicht. Man braucht mehr oder weniger Geld, um sich was zu Fressen zu kaufen und ein Dach über dem Kopf zu haben und das kriegt man nur wenn man dafür (viel zu viel) arbeitet. Willkommen im 0815 Job, den ich verabscheue.

6) Widerstand gegen Punkt 5. In meinem restjugendlichen, postpubertären, trotzigen Streben gegen alles geht nochmal soviel Energie und Zeit verloren, sich gegen die gesellschaftlich aufoktroyierten Normen und Ansprüche zu stellen, dass ich gleich den Rest des Tages schlafen könnt. Und wirken tut es auch nur sehr begrenzt. Die Gesellschaft hat den längeren Atem, sitzt am längeren Ast und vor allem, wenn ich der Gesellschaft am Schädel scheiß, merkt die das nicht, aber scheißt mir die Gesellschaft am Schädel, bin ich einen Kilometer bedeckt.

Ich will am Sterbebett nicht bereuen, dies und jenes nicht getan zu haben, wie es anscheinend so viele Menschen machen (siehe Bronnie Wares Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“), und ich versuche kleine Schritte in die richtige Richtung zu machen. Ich lerne ordentlich Klettern und Bergsteigen, damit mir der Himalaya einen ebenso kleinen, aber wichtigen Schritt näherkommt. Ich habe angefangen hier zu schreiben. Es sind zwar „nur“ Blogs, aber der Anfang ist getan! Kein Weiter-in-die-Zukunft-Verschieben mehr, sondern es wirklich machen! Und ich muss sagen, ich bin stolz darauf, es auch zu tun und nicht mehr nur zu träumen. Da wird die Zukunft zur Gegenwart und das „irgendwann“ doch wieder zu einem „Jetzt!“ Und genauso muss ich es Schritt für Schritt auch mit anderen Zielen und Träumen machen, sodass ich doch einmal zufrieden sein kann.

„Auch der längste Marsch beginnt mit den ersten Schritt.“

Aus der chinesischen Spruchsammlung Dàodéjīng

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Andy McQueen

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