Warum ich mich vor meinem Hauspersonal fürchte

Also im Prinzip bin ich eine orientierte, durchsetzungsstarke Person. Ich habe lange Personal geführt, bin mit schwierigen Kunden und Kundinnen zurecht gekommen, habe später hoch verhaltensauffällige Jugendliche unterrichtet, unterrichte jetzt sehr gerne beinahe Erwachsene - und trotzdem beschleicht mich immer an einem Tag in der Woche ein peinigendes Gefühl der Furcht.

Das war, wenn ich es recht bedenke, immer schon so. Meine erste Haushälterin, eine dralle, blonde Polin, die ich mir gut als Ausbilderin beim Bundesheer vorstellen konnte, betrat vor 25 Jahren meinen Haushalt, rümpfte die Nase und beschied mir, dass sich hier einiges zu ändern hätte. Sie sei aber nicht heikel, was Putzmittel beträfe, so lange diese nicht biologisch, sondern aus möglichst unverdünntem Chlor bestünden.

Ich scheine ein tief sitzendes Trauma zu haben - man HAT einfach keine Putzfrau, man schafft das selbst, das gehört zum Frau-Sein eben dazu. So hielt es Mutter und Großmutter, auch wenn sie ganztags arbeiteten. Dass die jeweiligen Männer keinen Finger zu rühren hatten, verstand sich von selbst. Eine Frau war für sie schlichtweg faul, wenn sie nicht locker beides schaffte. (Nur Hausfrau zu sein erschien ihnen ebenso lächerlich) Da mangelnde Tüchtigkeit in meiner Herkunftsfamilie so ziemlich die schlimmste aller Sünden ist, gleich gefolgt von mangelnder sozialer Verantwortung und Egoismus, und ich nur letzteres übernommen habe, fürchte ich mich vor dem Hauspersonal, weil ich mich unbewusst schäme.

Polin Nr. 1 hatte meinen Haushalt und mich gut 15 Jahre perfekt im Griff. Mit ihren Vorwürfen lernte ich umzugehen. Etwa, als sie mir anklagend ein grau gewordenes Stück Weißwäsche mit den Worten "Hast du wieder selbst gewaschen?" unter die Nase hielt. Ich senkte die Augen und entschuldigte mich. Kopfschüttelnd machte sie sich danach wieder an die Arbeit. Später gründete sie ihr eigenes Unternehmen - sie putzt jetzt für Firmen. ich bin sicher, dass sich Chef oder Chefin immer noch bei ihr entschuldigen müssen. Das tröstet mich irgendwie.

Polin Nr. 2 wollte mich erst kennen lernen, um sich zu versichern, dass ich keine Verrückte bin. Da ich mich eine gute Stunde ohne weiters verstellen kann, sah ich dem Treffen gelassen entgegen und sie ließ sich herab, für mich zu arbeiten. Wir kommen blendend miteinander aus. Sie nennt mich "die Katastrophe" und mein Kind "die kleine Katastrophe" , hört beim Bügeln am Sonntag die Messe aus dem Stephansdom und begegnet meinem hartnäckigen Atheismus und den diversen Gegenständen und Kleidungsstücken, die auf meine sexuelle Devianz schließen lassen, mit mütterlichem Gleichmut, aber auch mit Strenge. Neulich, als sie meinen Ärztemantel bügelte und die Seidenstrümpfe zusammenlegte, sah sie mich an und sagte: "Ich weiß genau!"

Ich zuckte wie ein ertapptes Schulmädel zusammen und gleichzeitig fiel mir siedend heiß ein, dass ich ein bestimmtes Putzmittel nicht besorgt hatte.

Im Prinzip bin ich eine orientierte Frau. Ich habe daher beschlossen, dass meine Furcht unter "Opportunitätskosten" für einen perfekten Haushalt zu verbuchen ist.

Ich muss aufhören. Sie ist da und will mir einen Vortrag über meinen Mangel an Verantwortungsgefühl meinen Zimmerpflanzen gegenüber halten.

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