Abschied vom Raucherkammerl

Kein Scherz: Sobald meine Nachbarn rauchen, stinkt meine Wohnung wie ein Aschenbecher. Der Gestank kommt durch die Decke - und wird sogar von Rauchern als „unerträglich“ beschrieben. Mein Hausbesitzer weiß, was da zu tun ist: Ich soll die Nachbarn verklagen – denn die einzigartig-undichte Decke sei gottgegeben.

Diesmal erzähle ich eine Geschichte in ganz eigener Sache. Weil ich in Partei bin - und jetzt aufgebe. Nicht, weil der Kampf sinnlos oder uninteressant wäre - sondern weil ich keine Lust habe, außer Geld und Zeit auch – und vor allem – meine Gesundheit aufs Spiel zu setzen, bis das Gericht entschieden hat. Also ziehe ich aus. Oder um.

Die Sache ist die: Ich bin Nichtraucher. Und lebe nicht gerne in verrauchten Räumen. Gleichzeitig will - und werde - ich aber niemandem vorschreiben, wie er in seinem privatesten Umfeld, nämlich der eigenen Wohnung, zu leben hat. Deshalb werde ich meine Nachbarn sicher nicht auf Unterlassung klagen - so, wie mir das der Besitzer des Hauses, in dem ich wohne, über die Hausverwaltung empfohlen hat.

Wieso ich das seiner Ansicht nach tun soll? Zehn Minuten, nachdem die vor zwei Jahren unter mir eingezogenen Nachbarn - zwei nette und freundliche Jungs in einer WG - sich in ihrem Wohnzimmer eine Zigarette anzünden, stinkt es in meinem. So, als hätte ich einen vollen Aschenbecher über Nacht stehen lassen. Und ich betone: Wenn ich „eine Zigarette“ sage, meine ich exakt eine. Bloß: Die Jungs sind starke Raucher. Sie sind abends oft zu Hause - und lange wach.

Das ist, möchte ich ausdrücklich festhalten, auch ihr gutes Recht: Sie sind erwachsen. Und ob sie sich in ihren eigenen vier Wänden mit einem legalen Suchtmittel nachhaltig schädigen oder nicht, ist ausschließlich ihre Sache. Nur ist mein Wohnzimmer deshalb halt oft ab 16 Uhr nicht benutzbar. Die Tür zum Schlafzimmer dichte ich unten mit Fetzen ab. Und in der Früh lüfte ich dann eine Stunde.

Nein, ich bin weder hysterisch noch rieche ich Rauch, den es nicht gibt:: Eine gute Freundin (Balkonraucherin) lässt ihre Kinder in Wohn- und Arbeitszimmer bei mir nicht mehr spielen. Ein Freund - und Arbeitsmediziner - erklärte mir unlängst, dass ich in diesem Raum sicher keine Angestellten arbeiten lassen dürfe. Und als eine Mitarbeiterin der Hausverwaltung vor Ort überprüfte, ob der Raum tatsächlich ein Aschenbecher sei, meinte auch sie „ich bin selbst Raucherin - aber in diesem Zimmer hielte ich es auch nicht lange aus.“

Kamine und Fenster sind dicht: Von dort kommt der Dampf nicht. Der letzte Verdächtige ist auch der von Anfang an Naheliegendste: Der Boden. Respektive die Decke.  Der Baumeister der Hausverwaltung begutachtete von unten, der Tischler von oben. Dann schrieben sie Kostenvoranschläge.

Ein paar Tage später richtete der Hausbesitzer über die Hausverwaltung aus: Ich möge doch meine Nachbarn auf Unterlassung klagen. Also auf Nichtrauchen in deren eigener Wohnung. Er werde in dieser Angelegenheit nämlich keine Maßnahmen setzen. Weder gegen die Raucher (was ich nie wollte) - noch gegen den Rauch.

Ich kann schon nachvollziehen, wieso: Ich wohne im Altbau. Das bedeutet: Trambalken, Oben Beschüttung und Parkett, unten Schilf und Verputz. Das aleine wäre nicht das Thema. Aber: Meine Nachbarn haben schönen Stuck am Plafond - ich einen wunderschönen, alten Sternparkettboden. Tischler wie Baumeister legten daher beim Begutachten die Stirnen in Dackelfalten: „Natürlich kann man das abdichten - aber es ist kompliziert und wird sicher teuer“. Wer sich je mit dem Mietrecht auseinandergesetzt hat, weiß: das Innere von Böden und Decken sind rechtlich wie die Wände eines Hauses. Also Teil der Substanz der Immobilie. Erhaltung und - gegebenenfalls - Reparatur sind Sache des Hausbesitzer.

Natürlich könnte ich, meint mein Anwalt, statt die Rechte meiner Nachbarn in ihrer eigenen Wohnung zu beschneiden, die Pflichten des Hausbesitzer vor Gericht thematisieren. Bloß: Solche Verfahren dauern. Und in der Zwischenzeit sitze ich in einem dampfenden Aschenbecher - und bezahle Miete für Räume, die ich oft wirklich nicht benutzen kann. Das will ich nicht. Das brauche ich nicht.

Also ziehe ich aus - und wünsche dem Hausbesitzer viel Spaß mit dem Nachmieter: Bisher haben alle, die interessiert waren, beim Anblick des Rauch-Raumes gesagt: „Oh, das wäre wirklich ein super schönes Kinderzimmer.“

Nur: Bei den Besichtigungsterminen waren meine Nachbarn nie zuhause.

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Fotocredit: Fotolia/Brian Jackson

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MartinMartin

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