Durchs wilde Stadtbild. Ein Rechter auf Abenteuerfahrt

Selbstverständlich hat Friedrich Merz, als er sich vom „Stadtbild“ daran gemahnt fühlte, dass noch viel zu wenige der dort zu sehenden Menschen abgeschoben werden, rassistischen bullshit verzapft: Aus dem bloßen Aussehen zu folgern, irgendjemand sei „illegal“ hier, ist dem voraufklärerischen Menschenbild der Rechtsextremist*innen so sehr verpflichtet, dass die sich freuen dürften, wie sehr die Fälschung dem Original mittlerweile ähnelt. Sein Fraktionschef Spahn legte nach, indem er Duisburg (NRW) als negatives Beispiel nannte, das man ja nur besuchen müsse, um zu verstehen, was Merz meine.

Ich selbst bereiste Duisburg einige Male und stellte dabei fest, dass die Stadt kulturell einiges zu bieten hat und an einigen Stellen so aussieht, wie Städte eben aussehen, in denen Einwanderer eine neue Heimat gefunden haben und sich eine Existenz aufbauen, was für Merz&Spahn anscheinend einen Skandal darstellt. Vielleicht haben sich die beiden von einer Artikelserie im Schmiermedium „Nius“ inspirieren lassen, die vor den Kommunalwahlen in NRW erschienen ist und deren Autor sich als eine Art Abenteuerreisender in Ruhrgebietsstädte (Duisburg, Gelsenkirchen, Hagen) begeben hat, um alles zu schildern, was sein Staunen resp. sein Missvergnügen erregt hat: „Wer in Hagen anreist, der könnte (…) auf den Beinamen ,Tor zum Orient‘ kommen. Die muslimische Community hat sich ausgebreitet und prägt Geschäfte, Spielplätze und die Fußgängerzone. (…) Spielotheken reihen sich an Obstgeschäfte, Wettbüros und Dönerläden. In Hagen gibt es alles, was es für das Leben in der Parallelgesellschaft braucht.“ Ist also jeder, der Obst und Döner erwirbt, Teil einer „Parallelgesellschaft“? Weiß das der Söder, der bekanntlich gerne Döner isst? Bei einem Auswärtsspiel seines 1. FC Nürnberg in Schalke sollte er keine Probleme haben, sich zu versorgen: „Wer in Gelsenkirchen wohnt, musste sich an Dönerläden, Juweliere, Casinos und arabische Lebensmittelgeschäfte gewöhnen. (…) Heute können die Gelsenkirchener ihre Innenstadt zwischen muslimischen Geschäften und Verfall kaum noch wiedererkennen.“ Nur geringfügig anders sieht die Lage in Duisburg aus: „Osteuropäische Geschäfte haben sich ausgebreitet.“ Das Verb „ausbreiten“, das an Krankheiten, ja Epidemien denken lässt, wird gerne verwendet: Der Autor berichtet aus Hagen von „Roma-Clans, die sich ähnlich wie in anderen Ruhrgebietsstädten ausbreiten“. Überhaupt treten Roma stets nur kollektiv als „Clans“ auf, und da weiß man ja, dass die Kriminalität („Clan-Kriminalität“ ) nicht weit entfernt sein kann, sei es in Duisburg („Mit der Pottidylle ist es vorbei, stattdessen terrorisieren osteuropäische Roma-Clans die Stadt.“ ), sei es in Gelsenkirchen („Für zusätzliche Probleme sorgen (…) Roma Clans. (….) Wie in anderen Ruhrgebietsstädten auch vermüllen sie ganze Wohnviertel.“ ). Ach ja, der Müll: „Die Bürgersteige sind bereits gepflastert von Sonnenblumenkernen-Schalen (….). Es riecht modrig, manchmal aber auch nach Grill“, also wahrscheinlich nicht anders als in einer Alman-Reihenhaussiedlung, sobald die Außentemperaturen die 5°-Marke überschritten haben.

Dem Abenteuerreisenden geht es darum, alles, was er sieht, als fremd, ja undeutsch zu markieren: „Deutsche Kinder sieht man auf den Spielplätzen nicht mehr.“ „Deutsche sieht man in manchen Teilen der Stadt kaum noch“, „für verbliebene Deutsche ist das Leben in Duisburg unerträglich geworden.“ Die Verknüpfung des Aussehens mit der Staatsbürgerschaft ist das eigentlich Skandalöse, ja Barbarische dieser Texte, die dem in seinem ruralen Shithole hockenden AfD-Wähler Angst einjagen und seinen Hass auf alles, was ihm fremd vorkommt, bestätigen sollen: „Wer das Tor zum Orient überschreitet, den erwartet (…) eine Vorahnung, wie es dem Rest des Landes bald ergehen könnte.“ Man kann nur hoffen, dass diese düstere Prognose ohne Folgen bleiben wird: Der rechte Attentäter von Hanau wählte eine Shisha-Bar als Angriffsobjekt, und als der Attentäter von Halle an der Tür der Synagoge gescheitert war, zog er weiter zu einem Dönerimbiss, um Muslime zu töten. Beide sahen den Kampf gegen „Überfremdung“ als ihren Auftrag.

Auch hier zu finden: https://angenehmwiderwaertigzugleich.home.blog/

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