Wer hat sich noch nicht empört über die Veröffentlichung von Adressen der hessischen AfD-Kandidaten? Schlimm, oder? Nun mag man sich fragen,ob nicht einfach ein paar Daten veröffentlicht wurden, die man ohne große Mühe herausfinden kann (es sei denn, die Politiker lebten unter Geheimadressen), doch viel befremdlicher wirkt die Empörung, die bis in die bürgerliche Presse reichte: Das könne man doch nicht machen!

Nein, kann man auch nicht, es handelt sich allerdings um eine durchaus übliche Vorgehensweise der Rechten. So berichtete mir vor einigen Tagen eine Korrespondentin aus NRW, die Befürworter*innen einer Unterkunft für Geflüchtete seien als "Systemlinge" an eine Art Onlinepranger gestellt worden, inklusive ihrer Adressen. Und gestern spazierte ich durch eine westdeutsche Großstadt, in deren Fußgängerzone eine Coronaschwurblerin einen Stand aufgebaut hatte, um einiges Verschwörungskritisches unter die Leute zu bringen. Eine Gegendemonstrantin erklärte mir, es sei in den Schwurbelkreisen üblich, "Verbrecherlisten" online zu stellen, auf denen sich Ärzte, Lehrer, Richter und viele andere mehr wiederfänden, die sich in der Corona-Pandemie "schuldig" gemacht hätten. Mittlerweile habe man den Schulterschluss mit der AfD gesucht und gefunden. Auch bei der afd-nahen Internetkloake "pi-news" gehört die Veröffentlichung von Kontaktdaten missliebiger Menschen gleichsam zum Geschäftsmodell und was auf den entsprechenden Facebook- oder Telegramseiten stattfindet, will man sich lieber nicht ausmalen. Wenn man zudem bedenkt, dass der Aufstieg der AfD ohne die Ausbreitung der (a)sozialen Medien kaum vorstellbar wäre, wird klar, dass die dort vorherrschende Anonymität zur permanenten Bedrohung aller Menschen wird, die nicht ins Weltbild der Faschos passen.

Überraschend war daher nur, dass Behörden und bürgerliche Presse sich gerierten, als handele es sich um eine bislang völlig unbekannte Form der politischen Auseinandersetzung. Dass die AfD und ihre Kader ein gewisses Geschick darin besitzen, sich als Opfer zu inszenieren, sollte doch bekannt sein. Dass man aber diese Märchen glaubt, könnte damit zu tun haben, dass man versucht ist, die "Brandmauer" einreißen zu wollen. Warum eigentlich? Um zu erfahren, was dann passiert? Das weiß man doch seit langem.

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