Orlando – Ein Angriff auf hart erkämpfte Rechte

Er ist wieder da: Der jüngste Auswuchs an Homophobie in Form eines islamistischen Terrorakts in einer Schwulenbar. Ein sich zum IS bekennender Moslem erschießt mit einer Sturmfeuerwaffe in der Nacht zum Sonntag feiernde Menschen und tötet dabei mindestens 50 Personen und verletzt 53 weitere. Nun ist der Hintergrund des Täters nicht zu verleugnen: Er war Moslem. Aber zeigt das nun, dass alle Moslems homophob sind und sich mit dem Islam auch homophobe Tendenzen verbreiten? Statistisch vielleicht. In muslimischen Ländern ist Homophobie weit verbreitet. In unzähligen muslimischen Ländern gibt es die Todesstrafe und auch Freiheitsstrafen für Homosexuelle. Aber deswegen alle Muslime unter Generalverdacht stellen? Wenn es nach dem ginge, dürfte ich auch mit keinem Russen mehr sprechen, denn da schaut es aus nicht besser für Schwule aus. Oder noch überzogener: Mit keinem von euch Heten mehr!

Lasst uns daher doch einmal über Homophobie sprechen. Der Westen ist doch der Vorreiter, wenn es um Menschenrechte geht? Lasst uns noch weiter darüber sprechen, dass diese freie Idee für Schwule, Lesben und Transgenderpersonen eine beschissene Illusion ist, denn der Westen steht dem Islam an Homophobie in nichts nach; schließlich haben wir sie erfunden. Der freie Westen ist ein Lügenmärchen, das wir und nur allzu gerne selbst erzählen. Gerade am Beispiel der USA zeigt sich die gesamte Bigotterie der Debatte um Gleichberechtigung für LGBTs: Es ist das Land, in dem Heteros sich vor Transgenderpersonen auf der Toilette fürchten und seit dem letzten Anschlage alle nicht-heterosexuellen um ihr Leben fürchten müssen. Es ist das Land, in der noch jüngst eine ohnehin schon fast vergessene Selbstmordwelle von jungen Teenagern hinwegfegte, die durch gezieltes Mobbing so weit getrieben worden sind. Es ist das Land der Heuchler. Not the land of the free.

In Europa allerdings schaut es nicht besser aus und die fehlenden Ehe- und Adoptionsrechte in vielen Unionsländern können bestenfalls als erbärmlich beschrieben werden. Eine 2015 erschienene EU-weite Studie zeigt auf, dass sich 58% aller LGBTs unionsweit diskriminiert fühlen und verdeutlicht, dass gerade einmal 39% der Heterosexuellen es akzeptieren, wenn zwei Männer sich küssen. Die Studie zeigt außerdem, dass Homophobie überall in Europa ist: an Schulen, am Arbeitspatz, auf der Straße.

Wir müssen endlich begreifen, dass Homophobie nicht alleinig vom Islam gepachtet ist und dass der Westen hier eine Doppelmoral sondergleichen an den Tag legt. Traurig an dieser ganzen Tatsache ist, dass Schwule sogar Rechtsparteien wählen unter dem Deckmantel des Schutzes vor solchen Angriffen. Die Rechten sollen uns vor den Bösen aus dem Orient schützen. Sind diese Leute nicht komplett wahnsinnig? Dabei wird nämlich vergessen, dass die Rechten genauso homophob und gefährlich sind. Ja, so ist es. Heinz Christian Strache, Marine Le Pen, Geert Wilders oder Donald Trump haben mehr mit dem radikalen Islam gemeinsam als das jemandem bewusst ist. Wenn jetzt Rechte betroffen sind, ist das doch mehr als heuchlerisch, sich jetzt noch als Schutzherr der Schwulen und Lesben aufzuspielen!

Homophobie ist überall. Wann begreifen die Leute endlich, dass es eine Eiterbeule ist, die sich durch die Gesellschaft zieht? Wie oft müssen unsere Bars mit rechten Schmierereien noch verunstaltet werden? Wie oft müssen wir auf offener Straße von einem braunen Mob verprügelt werden? Wie oft müssen wir auf unseren Paraden mit Steinen beworfen werden? Wie oft muss noch etwas geschehen, dass auch die heterosexuelle Mehrheit erkennt, dass der Kampf gegen Repression auch ihr Kampf ist? Wieviel Zeit muss vergehen, bis endlich mal jemand rafft, dass es solche Monster in jeder Gesellschaft gibt?

Es geht hier nicht um rechts, links, Moslem, Christ, Jude oder sonst was. Es geht hier einzig allein um Homophobie. Die Blicke, die mir auf der Straße zugeworfen werden, stören mich schon lange nicht mehr. Mord und Todschlag allerdings schon. Es ist die Gewalt, die mich ankotzt. Gewalt sollte uns alle ankotzen. Ein Kampf gegen Gewalt sollte in unser aller Interesse sein. Gewalt sollte es nicht mehr geben. Diese Gewalt entsteht nur, weil gewisse Menschen andere für minderwertig halten, egal ob Frau, schwul, hetero oder farbig. Gewalt geht uns alle an. Und somit war dieses Massaker nicht nur ein Massaker, das LGBTs im Speziellen betrifft, sondern es betrifft uns alle. Orlando ist ein Attentat auf uns alle. Aber erspart mir diese Heuchelei.

shutterstock/Syda Productions

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