Immer öfter stellt es mir die Nackenhaare auf, wenn ich Artikel und Kommentare über die angeblich drohende Abschaffung des Bargeldes lese. So schüttet Professor Max Otte Benzin ins Strohfeuer der Bargeldhysterie: "Eine bargeldlose Welt würde uns unserer Freiheit berauben und uns zu schutzlosen Subjekten eines allmächtigen Systems machen. Eine Staats- und Konzernwirtschaft, der wir restlos ausgeliefert sind: In einer bargeldlosen Wirtschaft würden wir zwangsläufig zu 'Geiseln der Banken'" (trend, 17/2016 am 29.4.2016)

Lieber Herr Otte, wir sind schon längst, zumindest seit der finanzindustriellen Revolution, schutzlose Objekte des allmächtigen Finanzsystems. Wer glaubt, mehr noch wer suggeriert, dass Bargeld zur Wertaufbewahrung beitragen kann, der trägt zur Verböldung der Menschen bei. Denn wenn das bereits allmächtige Finanzsystem nach Wegen sucht, die Bürger zu enteignen, zu überwachen und letztlich zu entmündigen, dann gibt es auch mit Bargeld beliebig viele Möglichkeiten, das zu tun.

Jüngstes historisches Beispiel, das offenbar den wenigsten Experten in Erinnerung geblieben ist: Im Jahr 1990, nach den ersten Schritten der Preisfreigabe auf Lebensmittel, hat die Sowjetunion 100-Rubel-Scheine über Nacht für ungültig erklärt und umgehend eine neue Serie von 100ern gedruckt. Diese Maßnahme war ein Klacks im Vergleich zu der folgenden Jahren der Inflation. Für den kleinen Mann war es völlig egal, ober er auf Säcken vollgefüllt mit Rubelbanknoten geschlafen hat oder ob er sein Geld brav auf einem Sparbuch gesammelt hat. So oder so hat er aufgrund des Systemswandels das mühsam Ersparte verloren. Gewonnen haben diejenigen, die als erstes die Spielregeln des Systemswandels kapiert haben und jene, die die Spielregeln des neuen Systems geschaffen haben.

So, wie fast alle Experten heute die Angst schüren, wäre es verlockend dahinter eine Verschwörung der Finanzindustrie zu vermuten, die diesmal die Kritiker des Systems instrumentalisiert. Ein Ablenkungsmanöver, damit die Experten nicht beginnen darüber nachzudenken und auf breiter Ebene zu diskutieren, wie die Spielregeln möglicher neuer künftiger Wirtschaftssysteme aussehen sollen. Bargeld ja oder nein ist nämlich genauso wichtig wie die Frage, ob es künftig noch Festnetzanschlüsse für Privatpersonen geben wird oder nicht. Exakt die gleichen Argumente, die jetzt für die Rettung des Bargeldes gebracht werden, kann man für die Rettung des Festnetztelefons bringen.

Doch bleiben wir bei den Fakten die zeigen, dass nicht der geringste Grund zur Panik besteht. Der Bargeldumlauf in den Euroländern nimmt stetig zu, Ende Februar 2016 betrug dieser 1,088 Billionen Euro. Das bedeutet eine Vervierfachung im Vergleich zu 2002, dem Jahr der Euro-Einführung. Laut OeNB hat das Eurosystem durch die Ausgabe der neuen Euro-Banknotenserie ein klares Bekenntnis zur Zukunft des Bargelds abgegeben. Bargeld ist heute in Österreich mit einem Anteil von rund 65 Prozent des Zahlungsvolumens immer noch das wichtigste Zahlungsmittel.

Weitere Details siehe a3ECO-Artikel: Wozu Bargeld?

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