„Wer keine Probleme hat, der macht sich welche“, lautete ein Spruch meiner Großmutter. Recht hatte sie. Und das gilt gerade in einer Zeit wie der heutigen, in der die wirklichen Probleme ungleich geringer gesät sind als zu Zeiten meiner Großmutter. Umso größer müssen selbstverständlich die hausgemachten ausfallen. War die Generation meiner Großmutter, ich sollte zuständigkeitshalber vielleicht besser sagen, die Generation meines Großvaters, mit der Eroberung der Welt beschäftigt, so scheint die gegenwärtige Generation der Deutschen mit der Rettung der Welt beschäftigt zu sein. Ich vermute einmal mit dem gleichen Erfolg wie Großvater mit seiner Mission. Auf jeden Fall sind sie mit dem gleichen Elan bei der Sache oder sollte ich sagen mit der gleichen Verblendung? Sei’s drum.

Mit geradezu missionarischen Eifer widmen wir uns den vermeintlichen Problemen der Welt und ziehen – ja man kann es ruhig so sagen – in den Kampf. Nicht mehr gegen den Franzmann oder den Russen (nun ja gegen den vielleicht doch wieder ein wenig), sondern gegen so gefährliche Gegner wie die Plastiktüte. Schon mitbekommen, dass die völlig out ist? Keiner will sie mehr haben, weil sie voll schlimm für die Umwelt ist. Warum das so ist, kann zwar niemand genau erklären und vor allem, warum das für den Joghurtbecher aus Plastik oder die Kaffeekapseln der ach so beliebten Kaffeemaschinen nicht gilt. Aber das spielt auch keine Rolle. Im Kampf gegen die Plastiktüte stören Fragen nur. Auf jeden Fall bekommt man in kaum einem Laden noch eine, ohne dafür bezahlen zu müssen und erste Discounter gehen dazu über, sie ganz abzuschaffen. Demnächst schleppen wir alle unsere Einkäufe vielleicht wieder im Dederonbeutel nach Hause. Dabei wurden die nach der Wende als Inkarnation der Spießigkeit der Ossis nur milde belächelt. So ändern sich die Zeiten. Wenn das der Honecker noch erlebt hätte! Wie gesagt, bitte nur nicht nach dem Sinn der Ächtung der Plastiktüte in Deutschland fragen – mitmachen ist angesagt.

Das gilt auch bei der Ächtung eines anderen Unglücklichen, der wie die Plastiktüte in Ungnade gefallen ist: Der Dieselmotor. Vor kurzem wurde er uns noch wärmstens empfohlen wegen des geringeren Verbrauchs und des niedrigen Ausstoßes des „Klimakillers“ CO2 (Nein, diesem Problem kann ich mich hier nicht auch noch widmen) und nun steht er ganz einsam und verachtet und von allen gehasst da. Fast kann er einem leid tun. Was hat er verbrochen? Nun, man hat plötzlich und völlig überraschend festgestellt, dass der Diesel in besonderem Maße Stickoxide ausstößt und die sind wirklich ganz schlimm für die Welt, also insbesondere für die Gesundheit. 47.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich daran, wollen kluge Menschen herausgefunden haben wollen. Wie man das seriös ermittelt hat? Keine Ahnung. Vielleicht hat man da den 85-jährigen Opa eingerechnet, der völlig überraschend an einem Lungenödem verstorben ist. Und wenn nicht zufällig vor seinen Haus öfter ein Dieselauto vorbeigefahren wäre, hätte er gewiss 120 werden können, zumindest aber 86.

Die Bundesregierung will daher dem Diesel nun den Garaus machen, Städte überlegen ihn aus den Innenstädten zu verbannen, dazu wird neben der roten und gelben und grünen nun eine weitere Umweltzone, die blaue, eingeführt – ich hoffe, uns gehen die Farben nicht aus, denn gewiss werden bald weitere neue Zonen folgen. Nun könnte man auch hier versuchen, Aufklärungsarbeit zu leisten und erklären, dass Stickoxide auch bei ganz natürlichen Zersetzungsprozessen in der Natur anfallen oder ein Raucher mehr davon inhaliert, als er durch den Straßenverkehr abbekommen kann. Oder dass die Umweltaktivistin nach getaner Arbeit, wenn sie abends mit ihrem Umweltaktivisten-Lebensabschnittspartner oder ihrer Umweltaktivistinnen-Lebensabschnittspartnerin bei Kerzenschein noch eine Flasche Bio-Rotwein entkorkt und gemütlich leert, mehr Stickoxide durch das Abbrennen dieser blöde Kerze inhaliert als bei ihrem Ökoladen-Einkaufsbummel in den Straßen der Stadt – vergebliche Liebesmüh. Wenn es um die Rettung der Welt geht, stören Fakten nur. Am „Endsieg“ darf nicht gezweifelt werden. Vielleicht kehren wir ja demnächst wieder zum Eselskarren als Verkehrsmittel zurück. Dumm nur, dass die Lebenserwartung, als die zuletzt in Mode waren, bei gerade einmal der Hälfte der heutigen lag und das ganz ohne Plastiktüte und Dieselmotor.

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Margaretha G

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sisterect

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