Bedingungsloses Grundeinkommen – und alles wird gut?

So wie das Grundeinkommen von den Befürwortern derzeit vorgeschlagen wird, halte ich es weder für finanzierbar noch für wünschenswert.

Sollte es mit „Industrie 4.0“ jedoch wirklich so weit kommen, dass viele Jobs wegfallen, dann ist es durchaus angebracht, sich schon vorsorglich darüber Gedanken zu machen, wie das Sozial- und Steuersystem neu geregelt wird.

Derzeit geht der Trend in die Richtung, dass ein immer kleinerer Teil der Bevölkerung immer mehr arbeitet und viele andere immer weniger oder nichts (wobei ich, wohlgemerkt, von bezahlter Erwerbsarbeit spreche).

Deshalb ist es durchaus angebracht, sich sowohl über die Verteilung von bezahlter Arbeit als auch über die Verteilung der Früchte dieser Arbeit eingehender zu unterhalten.

Die Frage der Gerechtigkeit möchte ich dabei nicht angehen, denn die ist von Ideologie geprägt und erfordert einiges an philosophischen Diskussionen.

Kommen wir zur Finanzierbarkeit. Dass die kurzfristige Finanzierbarkeit gegeben ist, halte ich durchaus für möglich. Aber kommen wir zur langfristigen Finanzierbarkeit. Ich gehe dabei nicht davon aus, dass jeder gänzlich aufhören würde zu arbeiten. Es ist jedoch realistisch anzunehmen, dass viele Menschen ihre tägliche Arbeitszeit reduzieren werden.

Geld kann man bedingungslos geben, aber nicht garantieren was man damit an realen Gütern und Dienstleistungen bekommen kann. Es kann nur so viel verteilt werden, wie produziert wird.

Wenn das Angebot weniger wird, weil man ja ohne Erwerbsarbeit auch ganz gut über die Runden kommt, und die Nachfrage gleich bleibt, dann wird entweder alles teurer oder es gibt Mangel.

Aus diesem Grund noch ein Wort zum Arbeitszwang: Wenn das AMS als Staatsvertretung keinen Druck mehr ausübt, wird der gesellschaftliche Druck viel mehr steigen. Die Frage: „Und was machst du so?“ wird von wesentlich höherer Brisanz sein.

Deshalb braucht man sich vielleicht nicht soviel Gedanken darüber machen, was die Verfügbarkeit von Gütern und Dienstleistungen anbelangt.

Das Wichtigste jedoch ist, dass kein abrupter Systemwechsel erfolgt. Diese Thematik muss von Anfang an (in der Schule und im Elternhaus) von entsprechenden Maßnahmen begleitet werden.

Erste Schritte zur bedingungslosen Geldzuwendung könnten sein, dass man diese älteren Personen (ab ca. 50+) die sowieso keine Chance mehr im Erwerbsarbeitsprozess haben, ebenso Müttern ( oder auch Vätern) mit Kindern bis zu einem gewissen Alter und Menschen, die eine pflegebedürftige Person zu Hause haben, gewährt.

Auch könnten Zeiten für Bildung (ohne Vorgabe, was der/die Betreffende lernen möchte, und nicht nur für jene, die studieren möchten) eine bedingungslose Geldleistung für eine gewisse Zeitspanne rechtfertigen.

Aber ansonsten frage ich mich ernsthaft, warum gesunde junge Menschen dauerhaft ein bedingungsloses Grundeinkommen beziehen sollten?

Gerade für Jugendliche mit Lern- und Motivationsschwierigkeiten würde sich ein komplett falscher Anreiz ergeben.

Wenn da nicht vom Kindesalter an gegengesteuert wird, gibt es in mehr oder weniger ferner Zukunft erst recht eine Klasse von Segregierten, die auf materiellem Mindestniveau mehr oder weniger dahinvegetiert.

Aber genug der Bedenken, ich sehe durchaus auch Vorteile.

Ein Grundeinkommen würde wahrscheinlich einen höheren Anreiz für Gelegenheitsjobs bieten als das jetzige System der Arbeitslosen- und Mindestsicherungsunterstützung.

Es darf jedenfalls nicht gekürzt werden, wenn jemand eine bezahlte Beschäftigung aufnimmt. Wäre ganz schlecht für die Motivation.

Es wäre auch eine super Gelegenheit, über den finanziellen Wert von Arbeit zu diskutieren.

Im Strafrecht sind wir bereits soweit, dass wir über Verhältnismäßigkeit sprechen (völlig zu Recht) und es wäre höchst an der Zeit, auch über die Verhältnismäßigkeit von Gehältern zu reden.

Beispiele dazu spare ich mir erst mal.

Dazu ein Satz von einer älteren Frau bei solch einem Vortrag: „Dort, wo ich am meisten gearbeitet habe, habe ich am wenigsten verdient!“ Tja, meine verehrten Leser so ist es! Aber muss das so bleiben?

Die geistige und persönliche Weiterentwicklung von Menschen hätte im Zuge von weniger Erwerbsarbeitsstunden bessere Möglichkeiten, sich zu entfalten.

Jemand, der tagein, tagaus nur für den nötigsten Lebensunterhalt schuften muss, hat diese Chance nicht.

DEnn irgendwie finde ich es schon paradox, dass je größer die Produktivität und Wertschöpfung von Maschinen und Technologie wird, die Menschen umso mehr kämpfen, dass ihnen die Arbeit (explizit die bezahlte Erwerbsarbeit) nicht abhandenkommt.

Die Projekte, die derzeit am Laufen sind, halte ich in dieser Angelegenheit nicht für zielführend, da sie zeitlich begrenzt sind und die betroffenen Personen von Motivationstrainern begleitet werden (Beispiel: Waldviertel).

Langfristig wird es auch von entscheidender Relevanz sein, inwieweit das bedingungslose Grundeinkommen Neuankömmlingen zusteht bzw.ob es zumindest europaweit umgesetzt werden kann.

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