"Von der Fassade des Größenwahns blüht das Unkraut der Überheblichkeit." Immer der Kontrahent.

Der Dumme, der Arrogante, der Ignorante, der Realitätsferne ist niemals die eigene Person. Es ist wohl ein bisschen wie im Straßenverkehr: Ist es nicht klar, dass dort draußen alle beschissen Auto fahren außer mir?

Wie leichtfertig wir doch sind im Fällen von Urteilen, wie sehr wir in unserer fragilen, heuchlerischen Erhabenheit baden und uns einreiben mit dem Öl unseres geheiligten Verstandes. Hören wir uns selbst beim Reden zu? Sehen wir in den imaginären Spiegel, während wir unser prachtvolles Gefieder in die Lüfte recken um zu demonstrieren, wie hoch unser leuchtendes Antlitz über dem des Gegenübers steht?

Haben wir das Menschsein verlernt oder waren wir niemals menschlich? Der Gläubige erhebt sich über die in seinem Narrativ Nichtgläubigen, wobei es keinerlei Rolle spielt, woran er glaubt. Jeder von uns ist im eigenen Sinne gläubig und im Sinne anderer ungläubig. Dies mag ein Grund sein, warum sich Menschen so gerne gegenseitig das Leben nehmen. Natürlich, wir sind in vielerlei Hinsicht wandlungsfähig, wenn es um das eigene Weltbild geht. Selbst, wenn das Fundament keinen Zentimeter verrutscht, so ist das große Ganze vor der stetigen Veränderung nicht gefeit.

Sind wir wirklich dazu bestimmt, zu hinterfragen? Und was sollen wir hinterfragen? In erster Linie uns selbst. Wenn einer zurückblickt in vergangene Zeiten, ganz gleich wie weit sie zurückliegen, so wird er nicht leugnen können, dass der Wandel spürbar war. Denke ich heute so wie vor 10 Jahren? Geißele ich mich für Dinge, von denen ich vor langer Zeit einmal unerschütterlich überzeugt war?

Relativierer! Faschisten! Realitätsverweigerer! Enkel der Nationalsozialisten! Gutmenschen! Volksverräter! Lügner! Ungebildete! Halunken braucht die Welt. Jemand, der ein Weltbild hegt, welches konträr zu meinem ist, den brauche ich, damit ich ihn niederprügeln kann. Menschen jubeln über einen Deutschen, der eine Untat begeht, denn es beweist, dass Deutsche Straftaten begehen! Menschen jubeln über einen Iraker, der eine Untat begeht, denn es beweist, dass Iraker Straftaten begehen. Und dann möge man sich dem großen Zerfleischen widmen und ernsthaft darüber diskutieren, dass eines von beiden schlimmer oder harmloser sei als das Andere. Das ist ein bisschen wie nach einem Hausbrand darüber zu sinnieren, dass ja zum Glück ein Kabelbrand das Haus in Schutt und Asche gelegt hat, anstatt dem aus China importierten Cashewöl, dass man in der Pfanne erhitzt und dann vergessen hat. Das verdammte Haus ist abgebrannt, daraus müssen Konsequenzen folgen. Wenn man das Kabel nicht im Haus installiert hätte? Wenn man ein anderes verwendet hätte? Wenn man statt dem chinesischen Cashewöl griechisches Olivenöl verwendet hätte? Pardon, es lag ja nicht am Öl und wenn Person A vor rund 18 Jahren nicht mit Person B am Hindukusch den Akt vollzogen hätte, wäre der widerliche Unmensch, dem eine junge Frau zum Opfer fiel, nicht geboren worden. Warum hat er diese Tat begangen? Man ist gezwungen, darüber nachzudenken und am Ende ist man ebenso gezwungen, darüber zu spekulieren, denn die traurige Wahrheit ist, dass nur er es weiß. Oder? Weiß er es oder begreift er das Ausmaß seiner Bestialität nicht? Bösartig, krank, schlechter Mensch, Monster. Möge sich das Individuum im Spiegel betrachten und seinen Zorn an sich selbst spüren, auf dass die Seele in tausend Splitter zerbreche.

Sich einmal daran erinnern, wie oft man von anderen bewertet, beurteilt und verurteilt wird, wie ungerecht! Und während man die Ungerechtigkeit am eigenen Leib erfährt, gibt man sie weiter, denn so muss man die Last der innerlichen Auseinandersetzung nicht tragen und möglicherweise an ihr zugrunde gehen. Niemals ich selbst, es bist du, denn die menschlichste Tugend ist doch das Erhöhen seiner selbst durch das Erniedrigen des Anderen.

(Das Zitat in der Titelzeile stammt vom deutschen Aphoristiker Uli Löchner.)

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