Ampelmänner und Hampelmänner

Auf dem Highway ist die Hölle los. Schuld daran sind ein paar Wiener Ampelmännchen. Und Frauchen. Diese sind nämlich schwul, halten Händchen und regeln für ein paar Wochen den Verkehr. Wien will so im Fahrwasser von Life Ball und Song Contest Haltung zeigen. Grünes Licht für Toleranz sozusagen. Man kann die Aktion auf zweierlei Arten lesen: Als mutiges Zeichen oder als hübschen Gag.

Es gibt aber noch eine dritte, eine ziemlich bescheuerte Lesart: Demnach steht der Untergang des Abendlandes unmittelbar bevor. Wieder einmal.

Die Aktion passt in Österreich vielen überhaupt nicht. Wütend verschaffen sich aufgebrachte Zeitgenossen vor allem auf Leserbriefseiten von Fischeinwickelpapier sowie auf Social Media-Kanälen Luft. „Steuergeldverschwendung!“ schreien zum Beispiel einige und beweisen damit nur, dass Engstirnigkeit das Gehirn am Denken hindert. Denn die zorngebeutelten Fiskalexperten übersehen dabei die Tatsache, dass Wien dank der Aktion derzeit weltweit mit Positiv-Schlagzeilen überhäuft wird. Ein Werbewert, der mit Geld kaum aufzuwiegen ist und der die paar zehntausend Euro an Investitionskosten sicherlich bereits hundertfach hereingespielt hat.

„Verkehrssicherheit!“, schreien wiederum andere. Ein merkwürdiger Einwurf. Gerade so, als ob durch die Personenverdoppelung am Ampel-Display ein pandemischer Anstieg an Frontalunfällen zu befürchten sei.  Manche sorgen sich gar um das Seelenheil des Nachwuchses. „Denkt den keiner an die Kinder“, jammern sie und kostümieren die eigenen Ressentiments als Jugendschutz. Oder meinen sie das etwa Ernst? Gibt es tatsächlich ehrlich eingeschüchterte Psycho-Glucken und –Gluckinnen, die von der Wahnvorstellung gebeutelt werden, ihre Kinder könnten schwul werden, wenn sie bei grün die Straße überqueren?

Mein Lieblings-Wutbürger-Argument ist aber ein anderes. Es lautet: „Haben wir denn keine anderen Sorgen?“ Oh, haben wir genug. Aber was tut das zur Sache? Man stelle sich eine Welt vor, in der Menschen sich ausschließlich um Dinge kümmern, die als „echte Sorgen“ eingestuft werden. Die Erde wäre ein düsterer Ort. Kunst? Kultur? Sport? Lebensfreude? Banalitäten? Belanglosigkeiten? Geselligkeit? Fehlanzeige! Gramgebeugt säßen alle Mitglieder des Menschengeschlechts tagein tagaus untätig und kollektiv im Eck und sinnierten über die Sinnlosigkeit von Kriegen, die Zerstörung der Umwelt und die Endlichkeit der Existenz. Konsequent zu Ende gedacht propagieren die Verfechter der „Haben wir keine anderen Probleme“-Doktrin nichts geringeres als den Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation.

Nein, die wütenden Proteste gegen die Homo-Ampeln haben keinen rationalen Grund. Aus ihnen spricht einfach nur der reflexhafte Hass der Lebensverlierer und Kleinbürger gegen alles, was anders ist. Es ist sicher auch kein Zufall, dass  ausgerechnet jene Partei den nationalen Widerstand gegen das verpartnerte Verkehrslicht organisiert, die auch sonst immer an vorderster Front dabei ist, wenn es in Sachen Niedertracht was zu erben gibt. Wahrscheinlich ist es aber nur konsequent, dass sich ein Haufen Armleuchter für die völkisch korrekte Verwendung eines Signallichts einsetzt.

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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Andy McQueen

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