Der Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention gebiete, so stellte der VfGH klar, dass die menschliche Persönlichkeit in ihrer Identität, Individualität und Integrität zu schützen ist – es bestehe somit ein "Recht auf individuelle Geschlechtsidentität".

Jenen Menschen, um die es hier geht, das Attribut „bedauernswert“ zuzuweisen, scheint in diesem Zusammenhang nicht unproblematisch, weil es leicht als Diskriminierung empfunden werden könnte, und das obwohl manche dieser Menschen bisher offensichtlich gelitten haben, sonst hätten sie weder Selbsthilfegruppen gegründet, noch hätten sie den Weg zum Verfassungsgerichtshof beschritten - jene Menschen also, die objektiv keinem der beiden bisher anerkannten Geschlechter zuzuordnen sind, ist nun „geholfen“ worden.

Die Freude ist groß: "Endlich wird auch in Österreich die Existenz von intergeschlechtlichen Menschen anerkannt." Dass sich die Geschlechtsidentität von intergeschlechtlichen Menschen auch im Personenstand widerspiegelt, sei überfällig gewesen.“ (DerStandard, heute online)

Und man erfährt, dass man sich auch schon Gedanken gemacht habe, wie man diese Menschen nun denn nennen sollte, wie man sie korrekt anspräche. Die Plattform Intersex habe diesbezügliche Vorschläge parat. Favorisiert würden die Begriffe „inter“ oder „divers“, manche wären auch offen für „offen“. Diese Ausdrücke seien in der Communitiy bereits akzeptiert.

Das offizielle Personenstandsregister wird also ab nun, und das war die Hauptstoßrichtung des Begehrens, eine „dritte Kategorie“ einzuführen haben. Überall dort, wo die Begriffe, „männlich“, „weiblich“, „Mann“ , „Frau“ eine Rolle spielen, wird „inter“ zu ergänzen sein. Das wird sich machen lassen. Ein paar Formulare zu ändern, wird die österreichische Bürokratie sicher schaffen.

Aber spinnen wir den Gedanken nur ein kleines Stück weiter, zeigt sich die erste Problematik.

Die Geburtsurkunde als eine von vielen amtlichen Schriftstücken, die unsere amtliche Existenz bestätigen, wird also in Zukunft zumindest drei Kategorien ausweisen. Das hat notwendigerweise zur Folge, dass die Tatsache des „dritten Geschlechts“ für jedermann ersichtlich sein wird. Bei jeder Bewerbung, bei jedem Vertragsschluss, immer dann, wenn öffentliche Dokumente vorgelegt werden müssen, wird diese Tatsache offen zu Tage treten. Auch dort, wo sie bisher keine oder nur latent eine Rolle spielte. Während man auf der anderen Seite dafür gekämpft hat, die Angabe des Religionsbekenntnisses aus den amtlichen Dokumenten zu entfernen, angeblich um Diskriminierungen zu verhindern, schreibt man nun das „dritte Geschlecht“ in ihnen fest und feiert das als Fortschritt.

Mein Glaube an die Toleranz und Vorurteilslosigkeit des Menschen ist zugegebenermaßen nicht besonders stark ausgeprägt. Daher fürchte ich, dass sich dieses mühsam erkämpfte Recht noch lange Zeit als diskriminierender Bumerang erweisen könnte, unter dem die betroffene Gruppe mehr zu leiden haben wird als an ihrer bisher verborgenen Existenz. Manche Dinge gehen die Öffentlichkeit einfach nichts an.

Wie sagt der Volksmund: Nicht immer ist „gut gemeint“ auch wirklich „gut“.

fotogerd34/pixabay

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