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Mit meiner Tochter nach Ägypten zu reisen, hatte neben den offensichtlichen Gründen – Urlaub und Sightseeing – vor allem einen Hintergrund. Einer der Eckpfeiler meiner Erziehung ist Toleranz und Aufgeschlossenheit, damit Liza frei von allen Vorurteilen Menschen aller Hautfarben, Religionen und Staatsangehörigkeiten begegnet. Da sie meine politischen Blog-Texte und Fernsehnachrichten ebenfalls verfolgt und in der Schule immer wieder mit dem Thema Asylkrise und steigender Angst vor Moslems konfrontiert ist, sollte meine Tochter nun „echte Araber“ kennenlernen.

Bereits bei meinem ersten Besuch in Luxor traf ich Saad, den grimmig wirkenden Besitzer eines kleinen Touristenshops, der Getränke, Snacks und Souvenirs anbot. Das ist nun 25 Jahre her. Immer, wenn ich seither in Ägypten war, schaute ich auf einen Besuch, auf einen Tee mit Minze und eine Shisha vorbei. Gespräche, oft Stunden lang und bis weit in die Nacht, über Gott, den Islam, die Welt, Politik und – natürlich – Frauen schufen eine Verbundenheit über die Jahrzehnte. Natürlich lernte ich über die Jahre seine Freunde und seine Familie kennen – ein Privileg, hinter die touristischen Kulissen zu blicken. Saad, heute 61 Jahre alt, hat sich kaum verändert. Auch unsere Gesprächsthemen nicht. Nur sein „kleiner Nubian Shop“ ist mittlerweile ein dreistöckiges Haus geworden…

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Saad, der Liza sofort ins Herz schloss und eine seiner Verwandten als „Shoppingberaterin“ für die gewünschte ägyptische Schuluniform und „Klamotten, wie sie die Mädchen hier tragen“, abstellte, berichtet über die triste Situation. Aber irgendwie geht es schon, und irgendwann kommen die Touristen auch wieder. Inschallah. Weshalb die Menschen im Westen Angst haben nach Ägypten zu kommen, verstand Saad – genauso wenig wie ich – nicht. „Weißt du“, sprach mein alter Freund, „unsere Polizei ist ok. Aber wir selbst sind die beste Polizei. Wenn wir einen Terroristen in die Finger bekommen, dann kümmern wir uns schon darum“, sagte er und deutete mit ernster Miene mit dem Daumen einen Schnitt durch die Kehle an. Dementsprechend fallen Saads Kommentare zum IS aus: „Was die tun, steht nicht im Islam. Das sind einfache Kriminelle.“

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Doch solange der Westen Ägypten stigmatisiert, Reisewarnungen aufrecht erhält und (mediale) Terror-Hysterie den Tourismus unterwandert, steht das Land an einem gefährlichen Scheideweg: Durch die Abhängigkeit vom Tourismus geht es vielen Ägyptern schlecht, hinzu kommen Menschen – wie Saad – die durch ihre Geschäfte direkt von der Krise betroffen sind. Um bis zu 85% sind die Nächtigungen in Luxor zurückgegangen. Vor allem frustrierte Jugendliche und Mitglieder der Unterschicht, die zum Teil mit nur einem Euro pro Tag überleben muss, können so zu einem gefundenen Ziel für religiösen Extremismus werden. Auch wenn Menschen wie Saad und viele andere, die ich in Luxor zu Gesprächen traf, dieser Entwicklung entgegentreten, könnte die neue politische Elite des Landes ebenfalls ein Lichtblick sein.

„Meine Generation ist die Zukunft Ägyptens“, meint Gouverneur Badr voller Zuversicht. In seiner erst kurzen Amtszeit hat der dennoch bereits wichtige Weichen gestellt. Zum einen konzentriere man sich nun vor allem auf Besucher aus Südamerika, China und überhaupt aus ganz Asien. (Es sind tatsächlich mehr asiatische Touristen, die ich in meiner Woche in Ägypten sah, als jene aus westlichen Ländern.) Ein Lichtblick mit Schatten, denn die Reisegruppen sind kaum in den Straßen Luxors unterwegs, sondern werden mit dem Bus chauffiert, „Ausgang“ gibt’s nur selten. Den Händlern im Souk bleibt nach wie vor die Kundschaft aus. Zum anderen, so Gouverneur Badr weiter, treibe man die industrielle Entwicklung voran. Es sind ökologisch verträgliche Projekte im Bereich der Nahrungsmittelindustrie geplant, aber auch Investitionen in Solartechnik.

Ägypten zu besuchen – jetzt! Nicht nur wegen den geringen Touristenzahlen und günstigen Preisen ist gerade jetzt der perfekte Zeitpunkt für einen Urlaub am Roten Meer oder/und in Luxor, eine Nilkreuzfahrt von Assuan nach Kairo. Denn damit ist auch vor allem helfen der lokalen Bevölkerung geholfen!

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Claudia Goepel

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