Begriffe sind in unserer Zeit zum einen kurzlebig und ständigen Veränderungen unterworfen. Das Wort „Gay“ etwa bedeutet „fröhlich“, wurde aber spätestens nach den Stonewall Unruhen 1969 sehr eng mit der Homosexuellenbewegung verbunden und hat heute praktisch nur noch diese Bedeutung. Richard Dawkins versuchte analog dazu den Begriff „Bright“, also „hell“ für Atheisten zu prägen, mit moderatem Erfolg.

Der Begriff „Woke“ kann bis in die 1930iger zurückverfolgt werden, hat aber erst mit dem Aufkommen der sozialen Medien einen Erkennungswert erhalten, vorwiegend im Fahrwasser der BLM Bewegung seit 2013.

Woke bedeutet im Wesentlichen, dass man für „soziale Ungerechtigkeiten“ sensibel ist, ein Ansatz der verständlicherweise recht schnell viel Unterstützung im Mainstream generierte. Der Knackpunkt war aber die Definition der "Ungerechtigkeit". Was genau ist ungerecht, was wäre gerecht und was ist der Grund warum es Ungerechtigkeiten gibt?

Grundsätzlich lief es bei dieser Frage auf ein Wettrennen zwischen zwei Denkschulen heraus, die eine meinte die Welt wäre dann gerecht, wenn alle gleichbehandelt werden (Equality), die andere, dass Gerechtigkeit erst besteht wenn alle exakt zum gleichen Resultat kommen (Equity), wobei zweitere sich durchsetzen konnte, vor allem im akademischen Bereich.

Und hier verläuft der aktuell immer sichtbar werdende Bruch zwischen der Wokebewegung und dem Mainstream. Der Mainstream war anfangs absolut bereit der Wokebewegung zuzustimmen, wenn diese meinte, dass gewisse Gruppen mieser behandelt werden als andere und dass man da schon was tun sollte. Als dann aber prominente Vertreter der Bewegung wie Alexandria Ocasio-Cortez begannen Menschen die „nicht arbeiten können“ mit Menschen die „nicht arbeiten wollen“ gleichzusetzen und deklarierten, dass jeder leben können muss, egal ob er arbeiten will oder halt nicht wurden Menschen skeptisch. Als dann aus dem „alle müssen gleich sein“ langsam ein „wir sind eh alle gleich, Unterschiede sind nur Illusion“ wurde, erhielt die Bewegung einen geradezu spirituellen Charakter. Die Idee, dass jemand ein transsexuelles Eichhörnchen sein würde, einfach weil er sich so identifiziert machte es dann dem Ottonormalverbraucher schwierig die Bewegung noch ernst zu nehmen.

Entsprechend entstehen Gegenbewegungen.

Die Identitären etwa übernahmen früh einfach 1:1 die Rhetorik der Wokebewegung und deklarierten eben sich selber als Minderheit und pochten auf ihre eigene Unterdrückung. In der Alt-Right Bewegung setzte sich der (rassistische) Ethnonationalismus eines Richard Spencer gegen den (nicht-rassistischen) West Chauvinismus eines ala McInnes durch. Beide haben heute keine nennenswerte Bedeutung.

Die Gegenbewegung gegen Woke scheint nicht in einer Eskalation zu liegen (also nicht in der Alt-Right) sondern in einer Philosophie der Entspannung. Frühe Anzeichen der „Based Bewegung“ war das Meme „Ich wollte doch nur grillen“ das recht explizit ausspricht was viele Menschen wollen: die Politik wieder aus dem täglichen Leben zu verbannen.

Die Woke Bewegung sieht alles als ein politisches Problem. Der Fachbegriff ist die „Politik der ersten Person“. Dem gegenüber steht die Idee, dass manche Dinge die Politik nichts angehen und keine politischen Implikationen hat, etwa wenn jemand auf seinem Grundstück grillt. Er grillt halt einfach.

„Based“ liefert hierzu das philosophische Framework: es deklariert Pragmatismus und Akzeptanz des eigenen Selbst. Man sei eben was man ist und man soll das Beste draus machen plus der Erkenntnis, dass die Hilfe aus der Politik oft keine ist, bzw. die Politik (in der Form sehr menschlicher Politiker) eigene Ziele verfolgt die mit dem Problem nichts zu tun haben.

Aus dieser Basis lassen sich aber wieder Denkschulen ableiten und es gilt zu beobachten welche sich durchsetzt und ob die Idee einen Eingang in den Mainstream findet. Im Idealfall ist es eine rationale Selbstverbesserungsbewegung. Schlechtere Versionen sind aber denkbar.

Das Attraktive an der, recht jungen, Based-Bewegung ist eben die Entspannung der politischen Situation, das Problem das diese Bewegung aber hat ist dass sich aus dieser Philosophie kaum Kapital schlagen lässt.

Woke wurde in den letzten 10 Jahren zu einer regelrechten Milliardenindustrie: Diversitymanager, Communityführer, Berufsaktivisten und Autoren verdienten sich goldene Nasen und förderten damit die Bewegung, weil sie dafür sogar bezahlt wurden.

Based ist eine recht friedliche, unkämpferische, fast langweilige Gegenbewegung zu Woke und als solche nur bedingt sexy. Das Problem ist aber, dass auf dem philosophischen Fundament auch ein radikaleres Framework aufgebaut werden kann.

Es gilt also zu beobachten in welche Richtung der Mainstream driftet und „Based“ klingt, im Moment, nach einer Ruhepause vom Grabenkampf.

Die Frage ist aber eben ob wir als Gesellschaft des Kämpfens überdrüssig sind oder uns weiter gegenseitig zerfleischen wollen.

Ich für meinen Teil würde wirklich mal wieder gern in Ruhe einfach nur grillen.

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