Als ich noch jung und knackig war stand ich mit wallendem langen Haar in einer Debatte mit jemandem der mehr als doppelt so alt war und forderte dass der Kapitalismus niedergerissen werden müsse. Mein Argument war einfach: Unser System sei verrottet und manchmal kann man ein Haus eben nicht retten sondern muss es eben niederreißen.

Und für mich klang das ganz vernünftig.

Das Problem an dieser Logik ist aber dass man, nachdem man das Haus eingerissen hat, einmal für eine gewisse Zeit gar kein Dach über dem Kopf hat. Zweitens kann nicht garantiert werden dass das was nachher kommt besser ist und drittens lernen wir aus der Geschichte dass die Häuser die man auf den Orten baut oftmals den alten Häusern, wenigstens in ihrer fundamentalen Natur, sehr ähnlich sind und recht bald mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Revolutionen führten selten zu fundamentalen Änderungen.

Die einzige Möglichkeit dieses Risiko zu reduzieren ist einen detaillierten Plan vorzulegen und dieser Plan ist eben nicht die Aussage „Wir bauen dann ein Haus das ur super ist“ sondern ein Plan auf dem sehr genau dargestellt wird wo die Küche ist, wie viel Platz sie einnimmt, wo die Wasseranschlüsse sind, wo die Steckdosen und so weiter und sofort. Und diese Darstellung braucht eines: Zahlen.

Als ich noch jünger war legten uns unsere Lehrer einen Wohungsplan vor und wir sollten Einrichtung zeichnen. Wir statteten die Kinderzimmer mit phantastischen Dingen aus, Dinge die niemals in ein Zimmer passen würden und das konnten wir tun weil der Plan keine Abmessungen aufwies. Die Kinderzimmer konnten, dem Plan folgend, 3 oder 30m² groß sein. Der Plan war also völlig wertlos weil keine einzige Ziffer auf ihm zu sehen war. Unsere utopischen Einrichtungen waren damit nicht falsch, sie gingen nur von einer völlig anderen Annahme aus und das war legitim weil die Lehrer es versäumten zu etablieren wie groß der Platz denn sei. Dafür hätten wir Zahlen gebraucht.

Es geht also immer um Zahlen. Wenn man ein Ding tun möchte dann man einen genauen Plan vorlegen wie man das tut. Will man eine Gesellschaft aufbauen in der „die die zu viel haben“ denen was geben müssen die „zu wenig haben“ muss extrem detailliert definiert werden was das alles bedeutet.

Wie viel Anteil hat wer am Besetz des Anderen?

Wenn es Gemeinbesitz gibt, wer darf diesen bevorzugt benutzen?

Wer entscheidet was wie viel kostet?

Wer entscheidet was produziert wird?

Wer entscheidt was wir leisten können und was wir brauchen?

Wer entscheidet wer die Mona Lisa im Zimmer hängen hat?

All diese Dinge müssen im Vorfeld definiert werden ansonsten passiert genau das was allen sozialistischen Experimenten im letzten Jahrhundert passiert ist: man geht rein mit der Idee dass man, wenn die eigenen Motive edel und rein sind, man schon die richtige Entscheidung treffen würde. Und scheiter dann.

Als 1978 die Kommunisten Afghanistan übernahmen erließen sie einen Schuldenerlass. Die Idee war die arme Bevölkerung zu entlasten, so die Bevölkerung auf ihre Seite zu bekommen, und nur einen Teil der „Reichen“ zu verärgern. Klassisch borgten Leute am Land aber Geld von den Leuten in der Stadt um Beerdigungen und Hochzeiten zu finanzieren. Nach dem Schuldenschnitt gab es aber keine Geldgeber und die Leute am Land konnten weder Beerdigungen noch Hochzeiten finanzieren. Das Resultat war das Zerstören eines der wenigen Bänder zwischen Stadt und Land, verärgerte Bauern, verärgerte Geldgeber und genau in diesem Fahrwasser gewannen die Fundamentalisten Geschwindigkeit.

In diesem Fall hatte man zwar einen Plan und eventuell sogar ein paar Zahlen im Kopf aber hier kommen wir zur nächsten Komponente die so oft fehlt: den Stresstest.

Bevor man ein Haus baut rechnet der Statiker durch ob das Ding auch stehen bleibt. Er berücksichtigt hierbei nicht einen lauen Sommertag sondern Stürme und eventuelle Erdbeben: Katastrophen also. Der Job des Statikers ist es das Machwerk des Architekten her zu nehmen und es dann, am Papier, mit allen möglichen Katastrophen zu beharken und nur wenn es all diese Dinge überlebt, wird es frei gegeben.

Die Grundlage für diese Berechnungen liefern Beobachtungen aus der realen Welt. Der Statiker weiß dass Beton mehr trägt als Gips. Das Tabellenbuch des Statikers wäre für den Politiker das Geschichtsbuch.

Was bedeutet das aber nun alles für die Jungspunde die den Abriss unseres Systems fordern? Es bedeutet dass sie vor dem Abriss klar machen müssen wie der Ersatz aussieht, wie er funktioniert und sollten beweisen dass das Ding stabil ist und zwar unter absolut allen Situationen die ihre Kritiker ihnen um die Ohren werfen.

„Das wird schon klappen“ und "wärs nicht schön wenn" ist unzureichend.

Ist das Haus das unsere Gesellschaft ist von Schimmel befallen, von Moder zerfressen und tummeln sich Mäuse in den Zwischenwänden?

Natürlich. Daran herrscht kein Zweifel.

Die Sanierungsarbeiten wären überfällig. Unser Ziel sollte aber nicht ein Experiment sein, sondern ein solides Haus das eben tut was es tun soll: Schutz vor Wind und Wetter gewähren und seinen Bewohnern die Freiheit aus dem eigenen Raum zu machen was man machen möchte.

So ein System besticht durch seine Einfachheit und Eleganz und kann mit wenigen Zahlen beschreiben werden und sogar dieses elegante, simple Haus, ist noch kompliziert genug zu bauen.

Die Experimente rund um Systeme die das Leben ihrer Bürger versuchen zu managen mögen aus edlen Motiven entstammen, Fakt ist aber dass niemand solche Systeme jemals vollständig, mit Zahlen, beschrieben hat. Die Unfähigkeit die Planung vollständig umzusetzen impliziert stark dass wir so ein Projekt nie und nimmer umsetzen können, denn noch nie in der Geschichte der Welt haben waren Menschen erfolgreich darin etwas umzusetzen das sie nicht vorher planen konnten.

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