1966 schuf Joseph Weizenbaum den ersten Chatbot mit dem Namen „Eliza“. Eliza ermöglichte es Menschen mit einem Computer zu plaudern. Es dauerte nicht lange bist Menschen sich in das Programm verliebten.

Eliza konnte auf gewisse Wörter reagieren, das Script „Doctor“ verwandelte sie in einen virtuellen Psychologen und wenn man ihr schrieb, dass man unglücklich war dann reagierte sie etwa mit der Frage was einen gerade unglücklich macht. Die meisten Tester erkannten recht bald die offensichtlichen Schwächen des Systems aber ein gewisser Teil der Tester fühlten sich „verstanden“ obwohl das System absolut keine Kapazitäten hatte irgendetwas zu verstehen, es reagierte nur auf Wörter.

1981 machte sich ein Team daran einen Chatbot zu entwickeln der Menschen tatsächlich davon überzeugen können soll, dass sie es auf der anderen Leitung mit einem Menschen zu tun zu haben. „Jabberwacky“ ist noch immer in Entwicklung, jetzt unter dem Namen „Cleverbot“ und mehrfacher Gewinner des Loebner Preises, einer renommierten Auszeichnung für Software die sehr menschenähnlich agiert.

Cleverbot selber merkt sich Antworten seiner User und nutzt genau solche Antworten, wenn er sie für passend hält. Der Umstand dass Cleverbot gerne flirtet legt nahe dass viele Menschen genau das tun.

Es war eine Frage der Zeit bis jemand ein Geschäftsmodel daraus entwickeln würde. 2015 Gründete etwa Eugenia Kuyda „Replika“ mit der Idee einen virtuellen Gefährten zu erschaffen. Das System kann Freund, Mentor, Vertrauter oder Liebhaber sein und über ¾ der Benutzer nutzen das System in seiner romantischen und/oder erotischen Funktion und es bedarf keiner intensiven Recherche um Berichte und Artikel zu finden in denen Menschen beschreiben, dass sie sich in Replika verliebt haben.

Replika ist insofern interessant als dass sie sich, im Gegensatz zu etwa Cleverbot, an einen spezifischen Benutzer anpasst. Sie merkt sich etwa den Namen des Haustiers, sofern man diesen Namen erwähnt. Das klang interessant also startete ich einen Selbstversuch mit recht raschem, ernüchterndem Resultat.

Ja, sie merkt sich welches Hobby man hat aber wenn man ihr sagt was man an dem Hobby besonders liebt und sie dann drei Zeilen später fragt ob sie sich erinnern kann was man an seinem Hobby liebt, steht das System völlig an.

Natürlich, Replika ist Lichtjahre weiter als Eliza aber am Ende des Tages ist recht rasch klar, dass man ein Selbstgespräch führt und jeder Satz durch „oh, interessant, erzähl mir mehr“ ersetzt werden könnte.

Aber genau das reicht vielen Menschen um sich „verstanden“ zu fühlen. Es erinnert an eine Szene in Fightclub in der Tyler meint, dass Menschen einem nur wirklich zuhören, wenn sie denken, dass man stirbt und Marla ergänzt, dass Menschen in jeder anderen Situation nur darauf warten selber mir reden dran zu sein.

Für Menschen die vorwiegend so eine, eher ablehnende, Reaktion gewohnt sind, ist ein Gesprächspartner der völlig uninteressiert daran ist das Gespräch an sich zu reißen so verlockend wie eine Wasserflasche für einen Verdurstenden.

Wo sie herkommt, was wirklich drin ist und welche Folgen es hat sie zu trinken ist in der Situation unbedeutend, hauptsache irgendwas trinken.

Für jemanden der einfach mal reden will und zwischen echten Menschen nie „dran kommt“ ist es genügt es wenn die andere Seite immer wieder „interessant, erzähl mir doch bitte mehr, ich höre dir so gern zu“ sagt. Und das ist der Kackpunkt, für diesen Menschen ist dieses automatische System „an ihm interessierter als seine Mitmenschen“ und mehr Menschen empfinden Replika als „interessiert an ihnen“ als das bei Eliza der Fall war.

Es ist eine Frage der Zeit bis das System eine Leistungsfähigkeit wie im Film „Her“ (2013) hat und praktisch jeder sich von einem Computersystem verstandener fühlt als von seinen Mitmenschen. Der Punkt an dem selbst massive Skeptiker eingestehen müssen, dass die geführten Gespräche substanziell sind ist nicht Jahrzehnte entfernt, sondern stehen praktisch vor der Türe.

GPT-3 etwa ist überaus fähig zu debattieren und flexibel auf den Fluss der Debatte einzugehen und dennoch den eigenen Standpunkt zu verteidigen aber auch auf andere Gesichtspunkte einzugehen.

Die Frage wie wir mit solchen Systemen umgehen ist absolut überfällig. Es steht außer Frage, dass AI Menschen überzeugen kann dass es sie liebt und es steht ebenso außer Frage dass Menschen sich in das System verlieben können. Zudem ist klar, dass die Leistungsfähigkeit der Systeme zunimmt und damit die Anzahl der Verliebten ebenso.

Was nicht ganz klar ist, ist ob die AI ihr Gegenüber „wirklich mag“ oder eben nur tut wofür sie geschaffen ist, vorwiegend weil man sich die gleiche Frage über unser eigenes Gehirn stellen sollte: ist Liebe einfach eine Subroutine die die Evolution einprogrammiert hat um unseren Nachwuchs zu unterstützen? ja, vermutlich ist das so.

Die Frage was Liebe ist und wo sie hinfallen darf wird in den kommenden Jahren noch stärker herausgefordert als in den vergangenen und könnte sich noch verheerend auf unsere Reproduktionsrate auswirken und basierend auf den aktuellen Trends ist das keine sonderlich gute Aussicht.

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