Das Boot ist leer.

Vorweihnachtszeit. Zeit, uns zu besinnen. Das Ende des Jahres 2014 naht. Wir blicken zurück. Ziehen Bilanz.Ein bisschen nervös werde ich, wenn ich daran denke, was in den letzten Monaten so alles passiert ist. Da braucht man gar nicht lange in die Ferne zu schweifen – die Gräueltaten geschehen im nahen Umkreis: Eine junge Frau, die ich kannte, wurde von ihrem (Ex-)Freund erstochen. Das muss mal verarbeitet werden. Ich denke über die Ursachen nach – wie konnte es nur so weit kommen? So viele Gedanken kreisen in meinem Kopf. Die schrecklichsten Dinge passieren nebenan, das wird mir immer bewusster.Wochen später wird das Thema "Gewalt" in der Kindeserziehung verherrlicht.. in einer namhaften Tageszeitung.. – man stelle sich das mal vor ! Die Welle der Entrüstung war groß, als sich dann auch noch Armin Wolf, ein mutiger Journalist, vor Tausenden Menschen als Kind gewalttätiger Eltern outete. Irgendwie schön, dass er den Eltern verzeihen konnte (wahre Größe, finde ich!)Und auch ich mache mir Gedanken über Gewalt, über meine eigenen Aggressionen: Mache ich alles richtig? Wie gehe ich mit meiner Umwelt um? Wende ich psychische/emotionale Gewalt an, wenn mir etwas nicht passt, wenn ich mich unterdrückt fühle? Bin ich besser, nur weil ich nicht "zuschlage"?

Kinder sehe ich als beschützenswerte Geschöpfe an und ich weiß, dass ich mit Aggressionen sehr gut umgehen kann. Wenn ich aber daran denke, dass ich schon dem einen oder anderen Mann eine "geflakt" habe, wenn er mir im Gedränge auf den Po gegriffen hat, so frage ich mich: War das richtig? Wie hätte ich das denn besser machen können? Als Antwort hätte es doch nur in Gewalt enden können, oder etwa nicht?Mein Bewusstsein ist also geschärft. Mit dieser Schärfe gehe ich in den Alltag. In die Öffis. Hui, da gibt es tagtäglich Drängereien. Dauernd wird gerempelt! Es ist wahrlich eine Kunst, nicht zurückzupöbeln, wenn man "angegangen" wird. Und erst kürzlich passierte mir sowas: Ich trage den Schulrucksack meiner 10jährigen Tochter - das mache ich immer, denn kleine Kinderrücken sollen nicht belastet werden - und hinter mir, auf der U-Bahn-Rolltreppe, fasst ein Mann an meinen rücklings getragenen Rucksack und schiebt mich auf die Seite.. Ich sei bei ihm "angekommen".. Früher hätte ich ihn vielleicht angeschnauzt und derart "zurückgeschossen", also verbal gewalttätig reagiert. Doch in meinem nunmehr geschärften Bewusstsein probiere ich mal, spontan, etwas anderes aus: Ich drehe mich um, sehe ihn an, direkt in seine Augen, selbstbewusst.. Er wird starr aber auch gleichzeitig verlegen, denn ihm wird bewusst, etwas überreagiert zu haben.. Er hätte mich nicht gleich auf die Seite ziehen müssen, nur weil ich ihm mit meinem Rucksack im Weg stand.. Mit letzter Kraft versucht er aber im "Recht" zu bleiben und meint: "Des geht net mit dem Rucksack!" Ich schaue ihm weiter in die Augen und sage im ruhigen, friedlichen und doch kraftvollen Tones: "Ich bitte Sie um Entschuldigung, das war keine Absicht!" Diesen Satz wiederholte ich ein zweites Mal. Reuig blickt er zu Boden und ich? Wie fühle ich mich? Ich drehe mich um und habe ein Gefühl von Macht! Positive Macht..! Ich schlage nicht mit den Waffen eines frustrierten Geschöpfes um mich - als Antwort. Ein warmes Gefühl von Souveränität durchflutet mich.. und ich denke.. beim nächsten Mal, bei einem anderen Passanten, wirst Du, Menschlein, vielleicht nicht gleich so erbost und aggressiv reagieren!Denn, meine Lieben, schon in der Zen-Weisheit gibt es diese starke Geschichte vom Boot,das eigentlich leer ist.Das Boot, das Dein Boot rammt, aber möglicherweise keinerlei Absicht dahintersteckt, weil es doch führerlos also LEER ist..!Und ich weiß, ich werde diesen Kurs beibehalten. Non-aggressives Verhalten ist mächtig und gut und verhindert Folge- bzw. Gegen-Gewalt! Wir alle können an uns arbeiten, um niemals in derart verzweifelte Situationen zu kommen, nämlich tatsächlich Gewalt auszuüben. In unserem (neuen) Selbst-Bewusstsein müssen wir Schwächere nicht kleiner machen. Denn wir wissen, dass wir uns danach keineswegs "erheben"..

Nehmen wir jetzt die besinnliche Vorweihnachtszeit zum Anlass, uns Gedanken über unsere eigenen Aggressionen zu machen.. Sie sehr wohl rauszulassen, aber positiv..

Schenken wir der Liebe alle Macht.. Der Liebe uns und unseren Nächsten gegenüber!

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Tristan

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DaniB

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