Es ist immer das gleiche: Gerät eine politische Partei einmal außer Tritt – aus welchen Gründen immer – so ist der Weg zur Selbstbeschädigung nicht mehr weit. Die Grünen Österreichs haben da den ersten Schritt vor ein paar Monaten gemacht, als sie unter ihrer früheren Chefin Eva Glawischnig atemberaubend ungeschickt in einen eher unwichtigen Konflikt mit ihrer Parteijugend gestolpert sind. Den nächsten setzte Glawischnig mit ihrem überraschenden, wenn auch verständlichen, Rückzug aus der Politik.

Zu jedem anderen Zeitpunkt wären ihre Motive durchaus einer längeren öffentlichen Diskussion wert gewesen und hätte den Grünen die Führerschaft bei Themen, die alle zu interessieren haben, gebracht: Hass in den sozialen Netzwerken, Vereinbarkeit von Politik und Familie, die meist gar nicht notwendige zeitliche Überbeanspruchung von Spitzenpolitikern etc. Zu jedem anderen Zeitpunkt ja, aber nicht einige Monate vor einer bundesweiten Wahl.

Und nun also der Selbstbeschädigungsfuror beim Bundeskongress der Grünen: Es geht nicht nur darum, dass Langzeit-Mandatar Peter Pilz von der Basis nicht mehr auf einem wählbaren Listenplatz für die Wahl im Oktober gewünscht ist. Nicht einmal darum, dass Gabriele Moser das gleiche Schicksal ereilte. Oder darum, dass die Basisdelegierten der Grünen, Opfer offenbar einer Art politischen Hitzekoller, nach Neuem gierten ohne Rücksicht auf Durchsetzung, Kompetenz oder Kenntnis.

Es geht schlicht und einfach um die Signale, die von den Grünen nun so kurz vor der Nationalratswahl – nach der sich schon so manche in völliger Verkennung der gegenwärtigen politischen Situation als Regierungspartner gesehen haben – ausgesendet werden.

Da ist es ziemlich unerheblich, ob Pilz nun eine eigene Liste aufstellt und damit die Selbstbeschädigung nach dem Prinzip „verbrannte Erde“ auf den finalen Höhepunkt treiben wird oder nicht. Mit dem öffentlich bekundeten Desinteresse der Grün-Delegierten an ihrer eigenen Kernkompetenz, jener der Kontrolle und Anti-Korruption, ist das Signal nicht mehr zu übersehen: Wir wissen zwar nicht, womit wir sonst reüssieren sollen, aber es müsste was Neues sein.

Peter Pilz mit seiner Arbeit in den Untersuchungsausschüssen von Hypo Alpe Adria und Eurofighter, Gabriele Moser mit ihrer Kenntnis der Buwog-Affäre – wen interessiert das? Damit geben die Grünen das einzige Alleinstellungsmerkmal auf, mit dem sie bundesweit identifiziert werden. Werner Kogler allein wird nicht reichen. Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek kann Europa einbringen, vielleicht noch einen anti-FPÖ-Slogan, aber der Anti-Korruption-Treiber ist fatal geschwächt.

Was Peter Pilz für die Grünen auch nach Jahrzehnten wert war, wird man erst am Wahlabend wissen. Ohne Zweifel, Pilz hat in all den Korruptionsfällen und auch U-Ausschüssen oft viel mehr an Skandalaufdeckung versprochen als er dann gehalten hat. Da waren viele sogenannte Teaser, also Aufmerksamkeitserreger, dabei, denen dann doch nichts Aufregende gefolgt ist Aber niemand wird bestreiten, dass er einer der wenigen Abgeordneten ist, die an einer Sache „dran“ geblieben sind. Auch zwischen den Ausschüssen, auch mit anderen wichtigen Themen wie Überwachungsstaat.

Das zweite verheerende Signal: Seit vier Jahren haben die Grünen getrommelt, sie wollten – wie Neos und FPÖ, nur stärker und demokratieverträglicher – den öden Machtzugriff von Rot und Schwarz auf die Republik lösen. Mit ihrem amateurhaften Getue vor dieser Wahl haben sie den Hauch einer Chance verspielt. Wie viele ihrer Wähler von 2013 sich getäuscht fühlen, wird man ebenfalls erst am Abend des 15.Oktober wissen.

Und schließlich das schlimmste Signal, vor allem nach dem Parteiausschluss kritischer Junger: Die Grünen haben mit der nächsten Generation nichts im Sinn. Das zeigte sich an dem Zerwürfnis um eine Wahl, bei der knapp 20 Prozent der Stimmberechtigten (Hochschülerschaft) teilgenommen haben. Das zeigt sich aber auch darin, dass die bisherigen Parteiführungen konsequent die Pflege jeglichen Nachwuchses vermieden haben. Dieser Vorwurf richtet sich durchaus auch an Gründungsmitglieder wie Pilz oder an erfahrene Grüne wie Moser und Kogler.

Den Nachwuchs zu vernachlässigen ist für jede politische Partei ab einem bestimmten Punkt ein Drama. Für Grüne aber, die moralisierend für sich in Anspruch nehmen, nachhaltig Politik zu machen, ist es doppelt peinlich: Nachhaltig zukunftsvergessen, oder wie?

Österreichs Grüne haben im Unterschied zu den Grünen Deutschlands kein breites Politikfeld, das sie beackern können, weil es ihnen in den frühen Jahren nie gelungen ist, aus dem Umwelt-Schrebergarten auszubrechen. Sie hatten auch nie wie die Grünen Deutschlands mit der SPD die Chance zu beweisen, dass sie sich Regierungskompetenz erarbeiten könnten.

Die Kernkompetenz der Kontrolle ist ihnen durch die Skandale früherer Regierungen zugefallen. Diese Chance haben sie genützt – und jetzt vertan.

Nur ein Mitleidseffekt kann sie am 15. Oktober noch vor einen Rückfall in frühere unbedeutende Zeiten retten. Ob er groß genug sein wird? Auch das wird man erst in dreieinhalb Monaten wissen.

Die Grünen Österreich https://www.gruene.at/buko17

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