Amos Oz ist der bekannteste Schriftsteller Israels. Er ist belesen, entstammt einer religiösen Familie, die sich mit Theologie befasst, ist selber kein Rabbiner, noch Theologe. Deshalb kann er sich mit Jesus befassen, ohne vom jüdischen Mainstream angeeckt zu werden. Das offizielle Judentum befasst sich kaum mit Jesus und noch weniger mit Judas.

In seinem kurzem Büchlein „Jesus und Judas“ befschreibt Amos Oz das Verhältnis von Jesus und Judas aus der Sicht des Juden Judas, nicht aus der Sicht des Judentums.

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Das überlange Nachwort wird von einem liberalen Rabbiner aus Deutschland geschrieben. Orthodoxe Mainstream-Rabbiner, die weltweit das Judentum repräsentieren, und jüdische Theologen haben es wohl abgelehnt, sich an Oz`s Thesen zu beteiligen. Jesus wird im offiziellen Judentum so gut wie es geht übergangen, der Jude Judas ist nicht existent. Amos Oz kommt zu dem Schluss, dass der Jude Judas der (bisher) einzige Christ gewesen ist und keinen Verrat an seinem Freund Jesus begangen hat.

Wenn wir Geschichtsbücher oder Bibeln lesen, ob Thora oder Neues Testament, die alle Geschichtsbücher sind, so müssen wir uns ständig bewusst sein, dass wir es nicht mit Beschreibungen von Tatsachen zu tun haben, sondern mit Narrativen. Eigentlich nichts besonderes. Denn die Zukunft kennen wir nicht, wir können sie nur zufällig erraten. Hingegen deuten wir gerne die Vergangenheit, weshalb jede Religion, jede Ideologie, jedes Volk und jeder Mensch eigene Narrative besitzen und diese vehement verteidigen. Mit zunehmenden zeitlichem Abstand wird die Vergangenheit heroischer. Narrative, die mit Deutungshoheit einhegehen, sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Kriege der Araber gegen die Juden im Nahen Osten basieren auf das Narrativ, dass die Palästinenser Nachkommen der Kanaaniter sind. Gut vorstellbar, was in wenigen Jahrzehnten in Europa sein wird, wenn die orientalischen und afrikanischen Zuwanderer bald Ähnliches behaupten werden, dass sie Arier und nur sie die erbberechtigten Nachkommen der Germanen sind. Als das Deutsche Kaiserreich den Großen Weltkrieg verliert, entsteht das Narrativ der „Dolchstoßlegende“, dass Verräter, darunter viele Juden (Judase), schuld am verlorenen Krieg sind, den man ohne Verrat ansonsten gewonnen hätte. Hitler übernimmt die Deutungshoheit über die „Dolchstoßlegende“, was zum Zweiten Weltkrieg, zu KZ und Vernichtungslager, zum Holocaust, zur Teilung und Verkleinerung Deutschlands führen. Diese größte Unglück des 20. Jahrhunderts beruht auf ein Narrativ!

Das offizielle christlich-katholische neutestamentarische Narrativ besagt, dass Jesus kein Jude, sondern Gott ist, da Gott kein Jude ist, und dass der Jude Judas ein Verräter und Gottesmörder ist. Dieses Narrativ hätte beinahe zur Auslöschung des Jüdischen Volkes geführt. Da sich Juden nicht mit fremden Religionen befassen sollen, schon gar nicht mit dem Christentum, besagt das schwach ausgebildete offizielle jüdische Narrativ, dass Jesus zwar Jude, jedoch ein Verräter am Jüdischen Volk gewesen ist. Judas ist unbekannt.

Mühelos erkennen wir nun, dass Jesus im Judentum die Rolle des Judas im Christentum (oder umgekehrt) in den Narrativen übernimmt.

Nun gibt es nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen Staaten auf allen Kontinenten, ehrbare Organisationen, die Judentum und Christentum aneinander (Theologisch) näher bringen wollen. Dieses Vorgehen ist genauso aussichtslos wie die Annäherung von Christentum und Islam. Es bleibt bei Äußerlichkeiten. Eine friedliche Koexistenz ist möglich, wenn der Stärkere auf Gewalt verzichtet und der Schwächere sich verpflichtet, nicht den Stärkeren zahlenmäßig zu übertreffen. Nur das Judentum kann sich vorbehaltlos und ohne Hintergedanken dazu verpflichten, weil außerhalb des Judenstaates Israel die Juden niemals die Mehrheit der Bevölkerung dargestellt haben.

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