Arminius, der Anführer der Germanen in der berühmten Varusschlacht, wird von deutschen Nationalisten seit dem 19. Jahrhundert gerne als „erster Deutscher“ und als Symbol nationaler Einheit gefeiert. Doch diese Vereinnahmung ist historisch nicht haltbar und beruht auf einer rückprojizierten, modernen Vorstellung von Nation und Volk, die zur Zeit des Arminius schlicht nicht existierte.
Arminius war kein Deutscher, weil es im ersten Jahrhundert nach Christus keine Deutschen gab. Der Begriff „deutsch“ entstand erst viele Jahrhunderte später, ebenso wie das Konzept einer deutschen Nation. Arminius war ein Fürst des Stammes der Cherusker, einer von vielen germanischen Stämmen, die sich in Sprache, Kultur und Lebensweise deutlich voneinander unterschieden. Diese Stämme waren alles andere als einheitlich – sie waren untereinander häufig zerstritten, schlossen wechselnde Bündnisse und führten sogar Kriege gegeneinander.
Die Varusschlacht war kein nationaler Befreiungskrieg, sondern ein Bündnis mehrerer Stämme gegen die römische Besatzungsmacht. Arminius gelang es, Krieger aus mindestens elf verschiedenen Stämmen für den Aufstand zu gewinnen – ein diplomatisches Meisterstück, das aber weniger auf nationaler Identität als auf persönlichen Bündnissen, gemeinsamen Interessen und kurzfristigen Allianzen beruhte. Die Idee einer „germanischen Nation“ war Arminius völlig fremd. Er handelte nicht als Nationalist, sondern als pragmatischer Anführer in einer multiethnischen Welt, in der Identitäten fließend und Allianzen flexibel waren.
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Arminius selbst war zudem alles andere als ein „rein germanischer“ Held. Er war als Kind oder Jugendlicher Geisel in Rom, wurde dort zum römischen Offizier ausgebildet, erhielt das römische Bürgerrecht und den Ritterstand. Er kannte die römische Kultur, Sprache und Militärtechnik aus erster Hand und nutzte dieses Wissen später gegen die Römer. Viele seiner Mitstreiter waren ehemalige römische Soldaten aus den Hilfstruppen, die ebenfalls zwischen den Kulturen standen.
Die Welt, in der Arminius lebte, war geprägt von Migration, Austausch und Vermischung. Die Grenzen zwischen „Römern“ und „Germanen“ waren durchlässig, es gab Handel, Heiraten über Stammesgrenzen hinweg und vielfältige Kontakte. Arminius war Teil einer bunten, multiethnischen Gesellschaft, in der Identität nicht durch Nationalität, sondern durch Familie, Stamm, persönliche Loyalitäten und pragmatische Bündnisse bestimmt wurde.
Die nachträgliche Stilisierung des Arminius zum „deutschen Nationalhelden“ ist ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts, das mit der historischen Realität wenig zu tun hat. Er war kein Nationalist, sondern ein global denkender Akteur in einer vernetzten, vielschichtigen Welt. Wer Arminius als „ersten Deutschen“ vereinnahmt, ignoriert die historische Komplexität und Vielfalt seiner Zeit.