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Am letzten Wochenende erreichte die Abonnent*innen der traditionsreichen linken Zeitschrift „konkret“ die Nachricht, dass die gedruckte Ausgabe eingestellt wird und die Texte nur noch als e-Paper erhältlich sind. Damit verschwindet ein weiterer linker Titel aus den Kiosken, in denen rechte Blätter wie „Tichys Einblick“, „Cato“ oder „Cicero“ die Politikabteilung dominieren. Auch wenn man hoffen darf, dass es sich nur um eine Phase der Hibernation handelt und es für Rückblicke noch zu früh ist, lohnt doch ein Blick zurück auf einige Episoden in der Geschichte der Zeitschrift, die nach dem Tod von Hermann L. Gremliza von seiner Tochter Friederike herausgegeben wird.
Israel. Der „jungen Welt“ war die Nachricht eine knappe Notiz wert, in der unter anderem zu lesen war: „Ein Problem sei auch, dass sich mit jeder politischen Krise Teile der Leserschaft verabschiedeten. Dass letzteres immer auch damit zusammenhängt, wie über politische Krisen berichtet wird, ist vielleicht auch Teil der Ursachensuche.“ Das ist eine kaum misszuverstehende Anspielung darauf, dass Gremliza bei der Bewertung dessen, was in Deutschland als „Nahostkonflikt“ bezeichnet wird, die Interessen des Staates, der ohne das deutsche Menschheitsverbrechen nicht entstanden wäre, zum Maßstab seiner Kommentare nahm. Er hatte erkannt, dass die deutsche „Israelkritik“ auf dem Wunsch beruht, den Opfern des deutschen Völkermordes einen solchen endlich nachweisen zu können. So jubelte auch der Schöpfer der junge-Welt-Schlagzeile „Gaza schlägt zurück“ (7.10.23) über die Zustimmung der Deutschen zu Merz‘ Entschluss, Israel keine Waffen mehr liefern zu wollen, ohne misstrauisch zu werden, dass da ein „Volk“ seinen Willen äußert, das bereits zu einem Drittel zu den Faschisten übergelaufen ist.
Elsässer, Wertmüller, Quadfasel. A propos Faschisten: Zu den schwerwiegendsten Fehlentscheidungen Gremlizas gehört sicherlich das Engagement Jürgen Elsässers, auch wenn man in den 1990ern kaum ahnen konnte, welche Rolle dieser Mensch einmal in der neuen Rechten einnehmen würde. Wie weit von dieser Rechten Justus Wertmüller noch entfernt ist, wage ich nicht zu beurteilen, dass denen aber gefallen dürfte, wie hingebungsvoll er Antisemitismus immer nur als islamischen benennt, halte ich für ausgemacht. Auch hier war das Schisma irgendwann unvermeidlich, während der Exodus von Lars Quadfasel und einigen anderen Autor*innen darauf zurückzuführen ist, dass das Märzheft 2022, gerade als Putins Armee in die Ukraine eingefallen war, auf dem Titelbild mit der Anprangerung einer „Nato-Aggression“ gegen Russland herauskam. Der Kommentar „Allen Spekulationen zum Trotz: So war das mit dem Kreml nicht abgesprochen.“ konnte wenig retten, auch wenn ich herzlich lachen musste.
Putin. Gerne wird Gremlizas Kolumne vom Juni 2015 mit dem Titel „I love Putin“ zitiert, um daraus eine Rechtfertigung für dessen Krieg in der Ukraine abzuleiten. Gremliza sah Putin als Garanten einer Weltordnung, welche sich den westlichen, vor allem den deutschen Expansionsgelüsten entgegenstellt: „Der Führer ist jetzt Führerin, den Keitel macht der Steinmeier.“ Mittlerweile hat sich gezeigt, dass Putin den deutschen Hegemonialplänen den (billigen) Treibstoff lieferte und bei seinen Brics-Blockbildungen auch auf den Iran, den erklärten Feind Israels, setzt. „Putins peinliche Kontakte zu einigen sehr rechten westlichen Parteien“ haben mittlerweile den Grad der Peinlichkeit längst überstiegen und sind nur noch ekelhaft. Der angebliche Kämpfer gegen den ukrainischen Nazismus treibt die Faschisierung Europas voran.
(to be continued)