Burn Out - 4 Wochen Quarantäne

Jeder Schritt nach Hause war ein Schritt in die Angst.

Ich verließ das eigentlich ja ungewohnte und doch sichere (Kranken)Haus um es mit der gewohnten, aber (un)sicheren Wohnung zu tauschen. Verrückt eigentlich. Aber das war ich ja auch. Ver-rückt. Alles in und an mir war aus dem Lot gekommen, hatte seinen Platz und die vergebene Bestimmung verloren.

Der Geburtstag meiner Frau, Geschenke, Blumen, nahe Verwandte kommen zu Besuch. Lachen. Fotos. Scheinbare Normalität für Stunden. Haben sich die vorher abgesoprochen? Keiner fragt mich etwas. Ich hätte aber ohnhin nicht gewusst, was ich sagen soll. Womöglich erklären, was ich ja selber nicht verstehe.

Aber ich merke: sind mehr Menschen um mich, fühle ich mich sicherer. Obwohl kein Arzt oder wenigstens eine Krankenschwester in der Nähe ist. Wie sehr das zutrifft, kommt mir am nächsten Morgen zu Bewusstsein. Deswegen beschreibe ich diesen Tag etwas näher. Denn auch das sollte sich schlagartig wieder ändern.

Die Kinder verabschieden sich in die Schule, während meine Frau sich für ihren Arbeitstag zurecht macht.

Als ich sie angezogen sehe, bleibt mir gefühlt fast das Herz stehen. Sie sieht wie immer toll aus, hat wie des Öfteren schwarze Kleidung an. Aber heute, in diesem Moment sehe ich eine Witwe vor mir. Es ist, als ob sie auf ein Begräbnis gehen würde. Nicht auf irgendeines, sondern auf meines. Es ist unerträglich.

Unverblümt sage ich ihr das und bitte sie, keine schwarze Kleidung mehr zu tragen. Sichtlich irritiert entspricht sie meinem Wunsch und verabschiedet sich von mir. Dennoch werde ich dieses Bild für Monate nicht mehr aus dem Kopf bekommen. - Auch heute lösen überwiegend schwarz gekleidete Menschen ein gewisses Unbehagen in mir aus, weil die Festplatte unlöschbar war - und ist. -

Ich bin ganz alleine! Der Gedanke bis zum Nachmittag alleine zu Hause zu sein, löst Stress aus. Unruhe, die mich weder liegen noch sitzen lässt. Um wenigstens Stimmen und bewegte Bilder um mich zu haben, schalte ich den Fernseher ein und lasse ihn laufen.

Irgenwann so um 10 Uhr herum schlafe ich ein. Und wache erst wieder auf, als mich mich meine Frau vorsichtig und mit sanftem Streicheln weckt. Da ist es nach 17 Uhr. Ungläubig rechne ich nach, dass ich unter Tag tatsächlcih 7 Stunden geschlafen habe.

Für jemanden, der es gewohnt ist auch in der Nacht nicht mehr als 4-5 Stunden zu schlafen, ein absolutes Novum. Von diesem Moment und Tag an ist Erschöpfung mein erster ständiger Begleiter. Die Schlafunterbrechnungen reduzieren sich auf Morgen- und Abendtoilette, den Gang auf´s WC und - gelegentlich zum Esstisch, um das eine oder andere zu mir zu nehmen. Denn Appetitlosigkeit wird zum zweiten ständigen Begleiter. Auch das ein Novum für jemanden, der eigentlich gerne und viel isst, wenn auch ungesund unregelmäßig, dafür aber regelmäßig ungesund. Nach 2 Wochen habe ich 12 Kilo abgenommen da ich kaum esse, mich praktisch nicht bewege - wie auch, wenn ich ja fast ununterbrochen schlafe.

Ich habe in den wachen Momenten darüber nachgedacht, wie es möglich ist, so erschöpft zu sein.

Herleitung: Er schöpft, ergo dessen ist er auch erschöpft. Logo. Nur das Ausmaß sprengt das bisherige Vorstellungsvermögen.

Irgendwie bin ich wie unter Drogen, nehme aber keine. Na gut, die Stimmungsaufheller, Passedan Tropfen und Blutdrucktabletten können schon was. Überhaupt im Zusammenspiel.

Für 4 Wochen "lebe" ich in einem gefühlten Schlaf-Wach-Koma. Spreche kaum, nehme am Familienleben so gut wie keinen Anteil. Auch für Träume bin ich scheint´s zu erschöpft, und das Ärgste: selbst für die Angst, vor der ich so viel Angst hatte.

Und ich gehe nicht aus der Wohnung. Keine Sekunde, keinen einzigen Schritt.

4 Wochen Quarantäne. So sehr ich vorher gerne unter Menschen war, so sehr bin ich jetzt gerne alleine. Meine Familie ist großartig, sie lässt mich wie ich bin. Vielleicht auch deshalb, weil sie nicht weiß, was sie anderes tun könnte.

Bis an einem wunderschönen Herbsttag Ende September meine Frau zu mir sagt: "komm´,  wir gehen spazieren. Es ist so schön und spätsommerlich warm".

Ich wehre mich an diesem Tag mit allen Ausreden die ich kenne, es gelingt mir sogar diesen ersten Ausgang noch einige Tage hinauszögern. Bis sie die Geduld verliert und energisch wird.

Fast genötigt hake ich mich bei ihr ein und wir gehen gleich hinter der Wohnanlage in den goldgelben Blätterwald. Aggressiv und missmutig trotze ich wie ein kleines Kind und beende den Spaziergang nach 25 Minuten.

Heute weiß ich, dass sie mich an diesem Tag "ins Leben" zurück geholt hat.

Aber darüber berichte ich euch ein anderes Mal. Zu lesen in der Fortsetzung unter dem Titel: "Burn Out - Das Leben wieder lernen"

"Endlich bist du wieder unten,wieder mitten im Geschehn.Hast dich plötzlich losgebunden,um als Mensch zu überstehn..."

https://youtu.be/boabyI3XbDQ

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