Bittere Bohne mit tierischem Ursprung: Luxus zum Würgen lecker

Ich stamme aus einer Hochlandregion im Südwesten Äthiopiens, wo arabicahaltige Wildkaffeebestände in halbschattigen Bergwäldern gedeihen. Dort lebt eine kleine, scheue Tierart, die wir lokal als Zibelkatze bezeichnen – verwandt mit den asiatischen Schleichkatzen. In anderen Ländern kennt man sie als die Tiere, die den indonesischen Kopi Luwak hervorbringen. Auch bei uns in Äthiopien ist aus ihrem Stoffwechselprodukt eine exklusive Kaffeerarität entstanden.

Unsere Zibelkatzen ernähren sich von einer Vielzahl wilder Früchte, Insekten und Beeren, bevorzugen aber in der Reifezeit die süßesten Kaffeekirschen (Coffea arabica). Sie sind wählerisch und sortieren instinktiv minderwertige Früchte aus. Im Verdauungstrakt der Tiere findet dann eine partielle Fermentation statt: Die Kaffeebohnen, die im Inneren der Frucht eingeschlossen sind, werden durch Enzyme und organische Säuren chemisch verändert. Dabei spalten sich bestimmte Speicherproteine, und bittere Gerbstoffe werden abgebaut. Dieser biochemische Prozess führt zu einer Milderung der Säure und zu einem komplexeren Aromaprofil – ein Vorgang der Fermentation.

Die entleerten Kotballen der Tiere, in denen die halbverdauten Kaffeebohnen noch erkennbar sind, werden von den Sammlern vorsichtig aufgelesen. Nach der Reinigung folgt die Trocknung unter kontrollierter Luftzirkulation, um mikrobiologische Kontamination zu verhindern. Anschließend werden die Bohnen entpulpt, handverlesen und bei relativ niedriger Temperatur im Trommelröster verarbeitet – eine Methode, die die durch die Fermentation entstandenen Aromakomponenten schont.

Das Endprodukt ist ein Kaffee, der durch sensorische Analysen oft als besonders balanciert, vollmundig und säurearm beschrieben wird. Typische Aromen reichen von Butterkaramell über dunkle Schokolade bis zu erdigen Noten, die an Edelhölzer erinnern. In der internationalen Spezialitätenkaffee-Szene gilt dieser „äthiopische Zibelkatzenkaffee“ als fermentationsveredelter Wildkaffee, der ähnlich wie Kopi Luwak durch eine Form natürlicher biologischer Selektion und Fermentierung entsteht.

Für uns in der Region ist dieser Kaffee mehr als eine Delikatesse: Er symbolisiert die Symbiose von Ökosystem und Kultur. Die Tiere reinigen die Wälder von überreifen Früchten, während sie – ohne es zu wissen – den Grundstoff für einen der seltensten Kaffees der Welt schaffen. So vereinen sich in jeder Tasse Biologie, Handwerk und sensorische Kunst.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Noch keine Kommentare

Mehr von Menelik