FinisNoXx

Nach zwei grenzwertigen Wochen voller Böhmermann hier Böhmerman* da, Erdowies und Merkels samt Grauen erregender Parodien, war mir gestern mal nach was ganz anderem zumute. In Vorbereitung auf einen erholsamen Retro-Lese-Abend mit richtigem Buch holte ich eins meiner Geschenke aus der Lieber-da-rein-Truhe und hoffte das Beste. Das Ding sah Buch-artig aus, wie schlimm konnte es also sein?

Ich rede nicht lange drum rum: Es war Frau James ‚Fifty Shades of Grey ‘. Ein Erzeugnis, das ich mich bis an mein Ende weigern werde ‚Buch‘ zu nennen. Sicher, ich hätte sowas ahnen können, schließlich war es das Geschenk einer zwar erträglich netten Person, die jedoch seit Jahren verbissen versucht mir ausgerechnet diesen öden Schweinskram näher zu bringen.

Was logischerweise ein gewisses Abflauen der Bekanntschaft zur Folge hatte. Wieso logischerweise? Fragen Sie das jetzt wirklich? Von mir aus. Letztes Jahr – kurz vor Weihnachten – überkam mich so ein weihnachtliches Gefühl. Irgendwas Schwummriges halt. Und weil besagte Bekannte mir eben über den Weg gelaufen war und wir uns nun beide an einem Ort befanden, der geradezu nach dieser schönen Geste schrie, befasste ich mich (nett wie ich halt bin) ein ganzes halbes Stündchen mit den LobSudeleien aus der hausbackenen Sex-Traum-Ecke. Und was hatte ich davon? Ein ganz anderes Gefühl. So ein missliches in der Art, dass die Frau mich plötzlich nicht mehr leiden konnte. Obwohl ich Weihnachten noch das Geschenk bekam. Vermutlich aus Rache.

Dabei wollte ich ihr doch lediglich durch meisterliches Rezitieren aus ihrer Lieblings-Lektüre den Tag verschönern. In einem Buchladen! Hat nicht geklappt. Obwohl ich mir so viel Mühe gegeben habe. Ehrlich. Wenn ich will, kann ich nämlich hoch-dramatisch stottern! Mit Tremolo in der Stimme! Meine leichteste Übung übrigens, schließlich bestand der Text nur aus Silben.

Trotzdem lief das Ganze irgendwie aus dem Ruder. Zuerst war der Buchladen-Tante nicht wohl - armes Würstchen! Hab selten wen gesehen, der sich so furchtbar winden musste. Außerdem schnäuzte sich die Frau fortwährend in einen Lappen und fiel schließlich gegen einen Kunden, der vom ersten „Ouuuuuuuuiii uh uh uh aaah aaah…“ an fröhlich meckernd gelacht hatte.

Das ist doch unerhört! Oder lachen Sie vielleicht doof rum, wenn eine bedauernswert stotternde Person todernst drei Seiten Ekstase-Schreie rezitiert? Na eben. Meine Bekannte dagegen war aus mir unbekannten Gründen wütend. Rief irgendwas, klang beinahe wie „Welt-Literatur! “ und „Schande! “. Das erste muss ganz klar ein Hör-Fehler gewesen sein.

Gucken Sie jetzt empört? Sie haben den biederen Schweinskram wohl auch im Regal?

Nur mal so nebenbei. Kennen Sie eigentlich die Erweckungs-Story der Frau James? Wie sie zur Autorin** wurde? Nein? Na, das möchte ich den vielen Herrn-Grey-Liebhaberinnen aber nicht vorenthalten.

Am Anfang war… na ja. Gar nichts.

Frau James war einfach nur eine glühende Anhängerin der Mormonen-Saga ‚Twilight‘. Jetzt regen Sie sich nicht schon wieder auf. (Falls Sie ein Fan davon sind). Ich habe es ja auch gelesen. Und mich in meinem ganzen Leben selten so geärgert. Über den letzten Teil. Diesem Bobby-Ewing-Gedächtnis-Ende. (Nein. Das erkläre ich den Jüngeren hier nicht. Fragt Mama.) Und klar hätte ich das wissen können. Mit ein bisschen Überlegung hätte das jeder wissen müssen. Schließlich zeichnete sich das Elend schon in den ersten beiden Bänden ab. Trotzdem sind es Bücher. Mit einer Geschichte. Wenn auch extrem mormonisch veranlagt. Was mich – ich gebe es zu – bei den ersten beiden Bänden absolut nicht gestört hat. Im Gegenteil. Ich hab‘s nicht so mit ausufernden Sex-Szenen in Büchern. Die meisten verleiden mir die Sache eher als mich anzutörnen. Wie auch immer.

Es war der dritte Teil, präzise gesagt der Schluss der ganzen Saga, der in seiner Verblödetheit so ziemlich alles getoppt hat, was ich hinzunehmen bereit gewesen wäre. Und dabei war ich schon nicht sonderlich erfreut. Von diesem letzten Band. Da war zuerst die Sache mit dem Wolf, der im Pärchen-Reigen übrig blieb, dafür aber – ganz Mormonen-like – am Ende das Vampir-Baby bekam.

Igitt.

Da nutzte auch der kleine Kunstgriff mit dem superschnell gewachsenen dreijährigen Klein-Kind, das plötzlich aussah wie eine 15-jährige nichts. Mir war eklig zumute. Wobei das kaum noch was ausmachte, denn zu diesem Zeitpunkt hatte Frau Meyer, die als gute Mormonin Gewalt strikt ablehnt, meinen ungläubigen Augen schreibend mitgeteilt, dass ich das ganze Buch nur geträumt hatte. Nichts davon war passiert. Fast 1000 Seiten für die Katz. Es war NICHTS passiert. Von dem, was ich gelesen hatte. Nada! Niente! Nullo! NIX!

Ich bin vom Pfad abgekommen.

Hat auch was Gutes. Jetzt kennen Sie ein paar Details über Frau Meyer. Der streng mormonischen (kein Sex, keine Drogen, kein Alkohol – dafür aber Onkel-Nichten-Ehen mit Klein-Kindern) Autorin mit der Mission den keuschen Teenie-Vampir weltweit ans weibliche Kind zu bringen.

Da Frau Meyer – das muss ich gerechterweise eingestehen – viel Phantasie hat, aber vor allem einen sehr guten Schreibstil, gelang ihr diese Mission. Praktisch überall auf der Welt wollten (weibliche) Teenager von a-sexuellen Vampiren gebissen werden. Die irgendwie eher mutierten Spargeln als jugendlichen Herren glichen. Weshalb die Jungs dann doch lieber Werwölfe sein wollten, natürlich ohne die eigentliche Intention der Frau Meyer auch nur ansatzweise zu verstehen.

Deren Werwolf-Clans nicht nur abenteuerlich-romantisch daher kamen, sondern vor allem indianisch. Denn sind wir mal ehrlich ‚Indian-Clan ‘ klingt um Äonen cooler als ‚Mormonen-Clan ‘. Allerdings pflegten diese Wölfe erstaunlicherweise einen streng mormonischen Lebens-Stil. Inklusive Kinder-Ehen, die praktisch schon zwischen Erwachsenen (Familien-Angehörigen) und Klein-Kindern geschlossen werden. Der super-coole Werwolf-Onkel sagt dazu: „Geprägt! Es hat mich so überkommen als mein Auge auf das Baby fiel! PENG schon war es passiert. Nun sind wir aufeinander geprägt und gehören zusammen! Ich werde sie IMMER beschützen!

Geben Sie es zu. Das klingt so wölfisch-lässig. So niedlich! So wild-romantisch! Der große Wolf und das kleine Wölfchen. Wer denkt da schon an einen fiesen ältlichen Onkel, der nach dem Klein-Kind geifert?

Nochmal Igitt.

Macht nichts. Die jugendlichen Möchtegern-Werwölfe in aller Welt haben‘s nie bemerkt. Wer hätte das gedacht. Und die meist noch jugendlicheren weiblichen Fans begannen weltweit Jungfrauen-Vereine :D zu gründen – komplett mit Gelöbnis-Ringen, großen Vampir-Plakaten überm Bett und sehr enger Anlehnung an ältere männliche Verwandte. Halt ein hyper-mormonisches Leben im Hello-Kitty-Gothic-Look. Immerhin. Frau Meyer war glücklich. Reiste durch die Welt und predigte der entzückten Jugend – anfangs noch unterschwellig, später ganz unverfroren – die kruden mormonischen Lebens-Vorstellungen im Namen Bellas und Edwards.

Und da sind wir wieder. Ja. Wirklich.

Denn am begierigsten hörte ihr Frau James zu. Sie lesen richtig. Frau James von Fifty Dings of Bums. Allerdings nannte sich Frau James damals bunter Klingel-Drachen (oder so ähnlich) und war Vorsitzende eines Bella-und-Edward-Fan-Clubs. Eine Jugendliche war sie nicht mehr. Dafür war es ein ganz spezieller Fan-Club, dessen Mitglieder fortwährend – und zu Frau Meyers großem Ärger – schweinische Fan-Fiction schrieben. Und wenn ich ‚schweinisch ‘ schreibe, meine ich – ja, was eigentlich? Unbestritten ist, dass Bella und Edward in Frau Klingel-Drachens Ficktion-Ecke ein unschönes Eigenleben führten, das dem Marquis de Sade (als Namensgeber des angestrebten Genres) Tränen in die Augen getrieben hätte. Denn das Zeugs war vor allem eines. Peinlich! Aber es war auch ein fast schon exemplarisches Beispiel, wieso Hausfrauen und andere gelangweilte Damen ihre Träume lieber nicht in alle Welt hinaus posaunen sollten. Und damit meine ich nur ganz am Rande das in der Regel sehr mangelhafte literarische Talent solcher Träumerinnen.

Frau James, der auch die späteren Millionen nicht zu einem Bella-artigen Aussehen verhelfen konnten, schrieb anbetende Schweinereinen über Herrn Pattinson, den bedauernswerten Darsteller des Vampirs Edward, den sie Master of Universe nannte. Wofür sie wortreich die Erklärung mitlieferte, mit vielerlei sehr plastischen Beschreibungen. Seines Gemächts. Ja, ja. Sie lesen richtig. Deshalb – und nur deshalb - war Herr Pattinson, der arme Tropf, ihr Master of the Universe. Ach! Dieses wunderbare Riesen-Ding! Dessen Größe und andere Eigenschaften sie fort und fort schmachtend beschrieb. Weil Herr Pattinson – behauptete Frau Klingel-Drachen - so allerlei damit anfangen konnte, auf das nicht jeder sofort gekommen wäre.

An diesem Punkt griffen Frau Meyer und Herr Pattinson fast gleichzeitig ein. Die erste schmiss Frau Klingel-Drachen aus der Twilight-Fan-Club-Szene, während der zweite eine einstweilige Verfügung beantragte. Besagt ein Gerücht. Ich hätte sie gern gelesen. Es ging wohl um die beleidigende, aufdringliche und fortwährende öffentliche Beschäftigung mit Herrn Pattinsons Penis. Die Frau James nunmehr untersagt wurde.

Ich bin geneigt, dieses spezielle Gerücht zu glauben, denn alsbald schon verfiel der einsame Klingel-Drache erst in verständliche Betrübnis und dann in Wut. Und schrieb weiter. Demonstrativ sozusagen. Wiedergeboren als Frau James. Allerdings nicht mehr über Herrn Pattinsons Geschlechtsteile. Nein. Auf ihrer eigenen Seite und mit geänderten Namen ihrer Protagonisten alpträumte sie nunmehr ihr Hausfrauen-Sado-Universum fernab von Vampiren weiter. Bis sich ein Mit-Leser ihrer Fan-Storys bei ihr meldete und anfragte, ob sie sich wohl vorstellen könnte, diese Fan-Geschichten als Buch rauszubringen. Denn wie es sich so traf, war dieser Anhänger ihrer Bella & Edward-Ferkeleien Verleger. Ok. Ein australischer Verleger mit einem winzigen Verlag. So eine Art Eigen-Verlag, der alsbald auch ein Eigen-Leben entwickelte. Dank Frau James holpriger Schweinereien.

Der Rest ist dann, wie es so schaurig schön heißt, Geschichte. Der kleine Verleger wurde reich, ein richtiger Verlag kaufte das Zeugs und Frau James wurde berühmt. Und für eine kurze Weile richtig glücklich als Hollywood ihre geliebten Herr-Pattinsons-Penis-Abenteuer verfilmen wollte.

Denn raten Sie mal, wer die Hauptrolle spielen sollte? Die männliche. Die weibliche war Frau James Schnuppe. Ich mutmaße mal ganz subjektiv in den Raum hinein: Frau James hätte die Rolle am liebsten selbst übernommen. Da jedoch auch der gierigste Produzent sich beim besten Willen Frau James nicht anmutig in irgendwelche Bondage-Seile verstrickt von Decken und Wänden baumelnd vorstellen konnte – ohne diese zum Einsturz zu bringen – musste sie den Traum fallen lassen. Mal wieder.

Dafür aber sollte wenigstens Herr Pattinson die Hauptrolle spielen. Unbedingt! Dieses Mal war ja alles anders. Sie war berühmt. Ihr Geschreibsel war berühmt. Also trug sie Herrn Pattinson die Rolle an. Und frohlockte. Klar! Herr Pattinson nackt mit Peitsche vorm inneren verzückten Auge! Ein Highlight! Und sie – als Autorin – natürlich direkt hinter ihm. Neben ihm! VOR ihm! Das ist allerdings nur eine ganz subjektive Vermutung von mir.

Ungefähr da sollen Herrn Pattinsons Anwälte zum zweiten Mal mit einer Einstweiligen Verfügung gedroht haben. Besagen wiederum Gerüchte aus der Branche. Jetzt hatte Frau James viel zu verlieren und eine große Familie, die den neuen Reichtum nicht missen wollte. Deshalb wohl ließ sie endlich die beklagenswerten Wunsch-Teile an Herrn Pattinsons Vorderseite von der öffentlichen Angel.

Und an diesem Punkt wurde schließlich ER geboren. Natürlich im übertragenen Sinne. So erbärmlich, so ungeliebt von seiner Schöpferin. Der von so vielen schmachtenden Damen verehrte Herr Grey; nichts weiter als ein lieblos ausgewählter Muss-Ersatz des entfleuchten Herrn Pattinson. Immerhin. Mit dem neuen Verlag im Nacken wurde Herr Grey nunmehr auch von seiner unwilligen Neu-Namens-Geberin bei deren öffentlichen Auftritten als Hauptfigur ihres Bums-Dings anerkannt.

Ein Dings, das – und nun bin ich beim letzten Witz dieser Geschichte – von ein paar Fan-Fiction-Story-Seiten zu einem dreibändigen Grauen verwurstet wurde! Ein todlangweiliges Grauen, das dennoch so ziemlich jede Frau auf diesem Planeten gelesen haben muss. Ich befürchte fast, manche haben nur lesen gelernt, um das lesen zu können.

Ich hab’s nie gelesen. Und werde es nie lesen. Bis auf jene legendären 4 ½ Seiten, im Buchladen der netten Bauchweh-Tante. Es MUSS Bauchweh gewesen sein. Na egal. Das hier habe ich jedenfalls in den Müll geworfen.

Dann habe ich ein paar Terry Pratchetts aus dem Regal geholt, einen Riesen-Pott mit Tartuffos neben mich gestellt und wissen Sie was?

Ich werde ein richtig schönes Wochenende haben.

FinisNoXx

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Vorsicht! Sie lasen soeben einen Beitrag, der satirische Elemente enthalten kann.

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*Meine erste Reaktion? Who the fuck is Böhmermann?

**Ja. Klar. Autorin.

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Heiliger Strohsack! Wissen Sie was. Eben habe ich ein neues Talent an mir entdeckt. Ich bin Literatur-Kritiker!

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Marian Eisler

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