Intime Supervision im Fiakerbeisl

Blog-Bild: aus der Reihe:"Die Frau mit den roten Haaren und dem bunten Rucksack"

Seit gut einem halben Jahr gibt es wieder ein regelmäßiges fixes Date mit meiner Allerliebsten. Als Mutter von 2 Kindern (16+10), 3 Jobs (im sozialen Bereich) und einem Traummann sind ihre Tage mehr als gut gefüllt. Die wertvolle Zeit die da noch übrigbleibt, schenkt sie mir. Schenken wir uns. Für diesen intensiven Austausch unserer Gedanken, haben wir ein sehr angenehmes Plätzchen in der Innenstadt gefunden. Ein kleines, fast übersehbares Kaffeehaus neben dem Stephansdom. Der kleine Gastraum hat  südländisches Flair. Dekoriert mit unterschiedlichsten Gästen. Vorwiegend die Fiaker, deren Pfrede vor der Tür brav in die vorgesehenen Pooh-Bags kacken,  besuchen diese kleine Kaffeebar. So wie die mit Melonen behüteten Pferdekutscher, sind auch wir zwei mittlerweile Stammgäste geworden. Die Kellnerin kennt uns. Und ich habe auch schon einiges von ihr persönlich erfahren. Kleine Tische stehen eng aneinander gereiht und gemütliche Bänke umrahmen diese. Die rot gepolsterten Sitzflächen laden zum Bleiben ein. Ja und das tun wir dann ausgiebig. In drei bis vier Stunden muss all das untergebracht werden, was seit dem letzten Treffen geschehen ist. Das kann ganz schön viel sein, weil wir beide unsere Erlebnisse sehr ausführlich und detailliert erzählen.

Oft sortiere ich schon bei der Anfahrt in der U-Bahn meine Gedanken, um ja nichts zu vergessen. War schon einige Male geneigt, mir so etwas wie eine Check-Liste zum Abarbeiten aller Themen an zu fertigen. Doch spätestens dann, wenn sie dann mit ihrem Wuschelkopf ins Lokal angerauscht kommt sind alle meine Vorbereitungen vom Tisch geweht.

So auch heute, wo sie sofort loslegte. „Du musst unbedingt darüber schreiben!“, sagte sie in sehr ärgerlichen Ton. Ich lache: „Du ich habe ausreichend Stoff.“

Täglich fährt sie auf der gleichen Strecke mit der U-Bahn, jeweils zur selben Zeit. Es sind vorwiegend Menschen unterwegs, die das Privileg genießen etwas später in die Arbeit zu fahren. Sprich gutgekleidete Anzugträger mit polierten Lederschuhen und Damen im Businessoutfit. Eben eine solche Frau, saß meiner Freundin gegenüber. Sie war völlig hingerissen von dieser eleganten Erscheinung. Eine richtige Lady mit Stil. Bewundernd betrachtete sie jedes Detail an dieser Frau. Perfekt, dachte sie. Ihre Blicke schweiften zu den vorwiegend männlichen Fahrgästen. Sie wollte wissen, ob die ebenso fasziniert von dieser Dame sind. Doch keiner von ihnen,  nahm in keinster Weise Notiz von ihr. Alle hielten sie deren Schmarrn-t-Telephone in der Hand. Starrten völlig abwesend in dieses Wischkastl. Viele hatten dabei gleichzeitig die Ohren mit Stöpseln oder überdimensional großen Kopfhörern verstopft. In ihr brodelte es. Sie schüttelte den Kopf. Eine weitere Dame, die ihr ebenfalls gegenüber saß, schmunzelte sie an. Meine Freundin schritt zornig in Richtung Ausgang, die lächelnde Frau folgte ihr. Beim Aussteigen fluchte meine Allerliebste laut vor sich hin:„Männer, ihr seid echt schon völlig vertrottelt!“ Kurz nickte die gleichzeitig aussteigende Frau, meiner Freundin zustimmend zu, und hob kurz die Schultern. Ihr Blick signalisierte, sie dachte dasselbe wie meine Freundin.

Noch immer völlig rasend vor Wut, erzählte sie mir diese kleine Episode. „Da sitzt die schönste, eleganteste, gepflegteste Frau mit enorm viel Ausstrahlung vor eurer Nase, und keiner nimmt Notiz!“ Ich nickte bestätigend. Langsam beruhigte sie sich wieder. Entspricht ganz meinen Beobachtungen, stimmte ich ihr zu. Es scheint wirklich so zu sein, dass die menschlichen Sinne schön langsam verkümmern. Jene, die uns die Umgebung sichtbar, hörbar, riechbar, greifbar und manchmal zum Schmecken, wahrnehmen lassen. Ja ich setze auch meine Sonnenbrille auf und schiebe mein Schirmkapperl tief in die Stirn, weil ich Angst habe. Angst vor dieser Hektik, vor dieser Geschwindigkeit, vor den Massen. Dennoch bekomme ich scheinbar viel mehr mit, als viele andere. So wie meineAllerliebste, die mit ihrer offenen und herzlichen Art  durch die Welt geht. Umsichtig und aufmerksam.

So, nun habe ich Mal den Schreibauftrag von meiner Freundin erfüllt. Episode geschrieben! Zum Abschluss sagte Ich noch zu ihr, um das Thema versöhnlich zu beenden: “Vielleicht waren das alles schwule Männer, oder keiner traut sich mehr hinschauen, weil er dann sofort wegen sexueller Belästigung angezeigt wird.“ Wir lachten.

Grundsätzlich lieben wir Beide, Wien sehr. Jedoch spielen wir schon seit Jahren mit dem Gedanken, ab zuhauen. Weg aus dieser Kälte. Weg aus dieser rasanten, anonymen Stadt. Mit den seltsam anmutenden Verhalten der Großstadt-Mitbewohner. Die fiktive „Alters-WG“ auf irgendeiner Insel oder einen anderen beschaulichen Ort. Mag sein, dass man mit zunehmendem Alter tatsächlich langsamer wird. Doch beide hatten wir schon immer ein gutes Gespür, wenn eine Sache sich nicht mehr gut anfühlt. Selbstverständlich schätzen wir die Vielfalt dieser Stadt und wir nützen oft das umfangreiche Freizeit und Kulturangebot. Und eigentlich sind wir manchmal ganz schön verrückt unterwegs. Sodass unser Nachwuchs wieder peinlich berührt ist. Die zwei alten Frauen führen sich auf, wie übermütige kleine Kinder. Einfach um Spaß zu haben. Doch es macht nur halb so viel Freude, wenn rundherum niemand mehr was mitbekommt. Wann es soweit ist, wissen wir noch nicht. Doch allzu lange wird es wohl nicht mehr dauern um die Zelte ab zu brechen. Vielleicht mit Weniger, von dem Wenigen dass wir ohnehin nicht besitzen. Aber mit der Hoffnung und der Zuversicht wieder auf Menschen zu treffen, die einem in die Augen sehen. Wenn auch nur kurz. Ein bescheidener Platz mit offenen warmen Herzen.

Unser unsterblicher Traum, der sich erfüllen wird. Sie mit ihrem Traummann, vielleicht die Kinder und ich und….?

Das große Fragezeichen, welches für meinen visionären Partner steht. So klar, wie der behutsamere Ort, wird sich auch dieser Traum erfüllen. Liebe, Sehnsüchte, Einsamkeit und Sex waren selbstverständlich auch wieder unsere Gesprächsthemen. Die unglaubliche Liebesgeschichte meiner Allerliebsten bestärkt meine Überzeugung, ebenso auf ein solches unfassbares Glück zu treffen. Die allumfassende bis ans Lebensende dauernde Umarmung. Die Gesellschaft mit meiner eigenen Hand, reicht auf Dauer nicht. Sich selbst zu umarmen ist wie sich selbst durchs Kitzeln zum Lachen bringen zu wollen.

Aber dahingehend besitze ich meine unbekümmerte Gewissheit, dass mich eines Tages diese tiefe Empfindung touchieren und umhauen wird. Vor nicht allzu langer Zeit bin ich für einen Moment mit dieser Unendlichkeit kollidiert. Eine wahrlich intensive Kollision, die mir dieses bedingungslose Vertrauen schenkt.

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung - James Last /1968

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