Blog-Bild: "Brushing"

Allzu oft habe ich diese Aufforderung von unterschiedlichsten Seiten gehört. Gut gemeint, meist wohl unbedacht gesagt. Irgendwer muss ja sauber machen. Den Dreck wegräumen, den andere hinterlassen haben. Keine Schande und keineswegs unehrenhaft. Meine Oma war auch Bedienerin, so nannte sie ihre Arbeit damals. Zu Hause muss ebenfalls geputzt werden.

Putzfrauen und Haushaltshilfen werden permanent händeringend gesucht. Melden sich auf diese Annoncen eigentlich auch Männer? Bis auf die, welche sich hingebungsvoll als Nacktputzer anbieten.

Wie auch immer, ich scheute mich nicht auch diese Tätigkeit in Angriff zu nehmen um finanziell über die Runden zu kommen. Die Zeit nach derScheidungwar geprägt von Aufbrüchen und Tiefschlägen. Auch mein Sohn litt sehr darunter. Der Verlust seiner gesamten Familie machte ihn ebenso zu schaffen, sowie auch das weitere gemeinsame ungewisse  existenzielle Überleben. Sein Vater verweigerte zudem jegliche finanzielle Unterstützung. Die Schule verschlang jede Menge Geld, ja und das Kind wächst ja auch aus den alten Jeans heraus, und so schnell. Die Ausbildung sollte keineswegs darunter leiden. Deshalb war neben den rudimentären Anstellungen in meinem Stammberuf auch ein Weiterer von Nöten.

Die Dame, damals etwa in meinem heutigen Alter, war zu Beginn äußerst nett. Ihre Vorstellungen von der Arbeit, die ich in ihrem Haus zu machen hatte, waren grundsätzlich klar definiert. Auch finanziell gab es eine Einigung. Meine Bitte, eventuell auch die Fahrkosten zu übernehmen, schlug sie jedoch aus. Ich akzeptierte dies, zwangsläufig. Jeder Cent, den ich verdienen konnte, war wichtig.

So stapfte ich früh morgens in die Kälte, Richtung Bushaltestelle. Nach meinen Recherchen nach, sollte die Anreise etwa eine Stunde in Anspruch nehmen. Mit demAuto wäre es allerhöchstens eine halbe Stunde gewesen. Doch damals, war ich noch nicht in Besitz eines Solchen. Der Anschlussbus in Floridsdorf fuhr jede halbe Stunde, ich durfte ihn keinesfalls verpassen. Geschafft. Ziemlich angefroren lehnte ich mich verschlafen an die eisige Scheibe im Bus. Die karge Landschaft des Weinviertels fuhr an mir vorüber. Ja nur nicht die richtige Haltestelle verpassen. Von da war es noch etwa 15 Minuten Fußweg.

Am Zaun des Anwesens kamen mir schon die Hunde bellend entgegen. Ruhig bleiben, nicht schreckhaft reagieren. Ich fischte mir den Hausschlüssel, wie vereinbart aus dem Postkasten. Die Hunde beruhigten sich und beschnupperten mich von allen Seiten. Das Eis war gebrochen. Der Garten war riesig, doch zu dieser Zeit sehr winterlich und öde. Das Haus sah von außen ein wenig verkümmert aus. Dasselbe Bild zeigte sich mir ebenso in den Räumlichkeiten. Abgewohnt, die Möbel sicherlich schon fünfzehn oder zwanzig Jahre alt. Ich drehte eine kurze Runde durchs Haus um mich ein wenig zu orientieren. Die Hunde stets hinterher.

Ganz schön groß, dachte ich mir. Lediglich vier Stunden habe ich für all das Zeit. Doch zuvor schaute ich noch nach den Anweisungen auf dem Zettel in der Küche. Die handgeschriebene Aufgabenliste lag auf dem robusten Eichentisch.

• Geschirr in den Spüler

• Küche komplett putzen

• Müll raus bringen

• Toiletten (3 an der Zahl) komplett reinigen

• Badezimmer (2 an der Zahl) komplett putzen

• Vorraum auf waschen

• Schmutzwäsche im Schlafzimmer in den Keller

• Wäsche in die Waschmaschine

• Kleidung im Korb bügeln

• Bügeltisch ordnungsgemäß abstellen

• Wäsche/Bügelraum kehren, aufwaschen

• Hunde NICHT füttern

• Katzen nicht ins Schlafzimmer lassen

• Flur kehren, mit Dampfreiniger saubermachen

• Haustor wieder schließen, Schlüssel an vereinbarten Platz retour

Gemmas an, dachte ich mir. Auch wenn  mir schon beim Lesen der Liste große Zweifel kamen, ob denn die gesamten sauberen Wünsche zu schaffen sind. Ich stieg also gleich hoch in das Schlafzimmer. Dort traf mich fast der Schlag. Ein derartiges Chaos hatte ich selbst in dem Zimmer meines Sohnes noch nie gesehen. Auf dem Bett, dem Boden überall lag Kleidung. Schmutzig oder sauber konnte ich vorab nicht sofort ausmachen. Daran riechen? Alles hatte den gleichen Duft. Seltsam in eine Wolke penetrant aufdringlichen Parfüm eingetaucht. Kurz entschlossen nahm ich die gesamte Wäsche und schleppte sie in den Keller. Die erste Trommel drehte ihre Runden.

Im Laufschritt widmete ich mich dem dreckigen Geschirr. Auch der Spüler hatte nun zu tun. Flott schnappte ich mir die Putzutensilien für die weiterführende Bereinigung der extrem verschmutzten Küche. Dazwischen gönnte ich mir eine eilige Rauchpause im eisigen Garten. Die Hunde nahmen keine Notiz von mir. Da fiel mir die eine Katze im Schlafzimmer ein. Die musste raus aus dem Schrank. Mühsam, wie das eben mit den kleinen Felltigern so ist, vertrieb ich sie von ihrem auserwählten Platz. Mach jetzt keinen Stress Süße, ich habe noch jede Menge zu tun.

Ab in den Keller. Die Waschmaschine rumpelte vor sich hin. Das Bügeleisen dampfte startbereit. Bügeln ist für mich eine sehr meditative Angelegenheit. Doch ich musste mich tummeln. Im Schlafzimmer lagen noch dutzende Kleiderbügel verstreut herum. Ich schleppte gleich die frisch geplättete Kleidung mit hoch in das Schlafgemach von Madame. Eingeräumt habe ich die Garderobe nicht, wusste nicht wie sie es gerne gemocht hätte.

Der Geschirrspüler blinkte mit seinem roten Licht und signalisierte mir: „Fertig!“ Während die Töpfe, Tassen, Teller und das Besteck aus dampften, widmete ich mich dem finalen territorialen Reinigungsvergnügen. Ich hatte zuvor noch nie einen Dampfreiniger verwendet. Viel anders, als ein Staubsauger kann es nicht sein, dachte ich mir. Weit gefällt, so einfach war es doch nicht. Etliche Pfützen erstreckten sich über den verfliesten Boden. Jetzt musste eben der gute alte Putzfetzen her. Trotz der über gezogenen Gummihandschuhe, brannten meine Finger. Ich spürte bereits, wie eine Blase geboren wurde. Gleich habe ich es geschafft.

Die Waschmaschine im Keller schwieg mittlerweile und ich konnte sie von der sauberen feuchten Wäsche befreien. Der etwas wackelige Wäscheständer musste nun die gereinigten Kleidungsstücke übernehmen. Kurz noch ein Kontrollblick, Licht aus. Stiegen empor in den Flur. Noch ein wenig feucht der Boden, vorsichtig auf Zehenspitzen überquere ich das nasse Terrain.

Die Küche sieht passabel aus. Ich rücke das antike Spitzendeckerl auf dem Tisch zurecht. Hake die Aufgabenliste ab. Alles erledigt. Ich war zufrieden mit meiner Arbeit. Zur Sicherheit drehte ich eine Abschlussrunde mit gründlich kritischer Inspektion meiner Aufräumaktionen. Passt. Knapp vier Stunden waren im Flug vergangen. Von meiner Seite hatte ich nun meinen Teil erledigt.

Doch Madame hatte wohl in der Eile vergessen, das vereinbarte Salär zu hinterlegen. Erschöpft und ziemlich verzweifelt kramte ich mein Fahrgeld für den Heimweg zusammen. Achja, den Müll noch mit raus nehmen. Die Hunde hoben zum Abschied nur leicht ihren Kopf. Im Bus zermarterte ich mir den meinigen Schädel, wie ich nun das bevorstehende Wochenende finanzieren sollte.

Wieder eine Freundin anbetteln? Neuerlich Schulden machen, die ich ohnehin nur schwer retour zahlen konnte.

Die Landschaft sah noch trauriger aus, als bei der Hinfahrt. Gemeinsam mit ihr vergoss ich ein paar Tränen.

Einmal in der Woche, immer Freitag lautete die Vereinbarung. € 8,--/Std. Auf meine freundliche Nachfrage per Telefon, ob sie denn das Geld vergessen hätte, meinte sie:„Ich weiß ja im Vorhinein nicht, ob mir ihre Arbeit gefällt!“

Ein Argument, aber sicherlich kein Grund, mich so hängen zulassen. Zumal ich ihr von meiner Situation erzählt hatte. Sie darauf hin,  mir auch ausführlich von ihren Anfängen in der Arbeitswelt berichtet hatte. Wie schwer es für sie damals war, als Frau sich zu etablieren. Selbstständig und alleine ein Geschäft aufbauen. Hart musste sie sich jeden einzelnen Groschen verdienen.

Und was habe ich getan?

Was blieb mir anderes übrig, mich diesen -  ihren Bedingungen an zu passen. Auch wenn ich nie wusste, ob das Geld auf dem Tisch lag, oder lediglich eine enorm Lange Liste an Haushaltsarbeiten. Oft auch mit äußerst demotivierenden zusätzlichen Notizen. Diese drückten ihre permanente Unzufriedenheit über meine Arbeit aus. Zumal ich diese zu Beginn sehr ernst genommen hatte, und mich bemühte es jedes Mal besser zu machen. Doch es hörte nie auf. Immer wieder kamen spitzfindige Kritiken, die ich nicht mehr nachvollziehen konnte.

Mir war und ist immer klar gewesen, dass ich nicht die perfekte Hausfrau bin. Doch das wurde mir dann irgendwann zu viel. Auch wenn ich noch so sehr auf dieses Geld angewiesen war, ich wollte das so nicht mehr akzeptieren. Egal wie ich dies oder jenes erledigte, sie fand immer einen Grund, schriftlich ausgiebig zu meckern.

Ins Gesicht hat sie es mir nie gesagt. Ich habe ihr schlussendlich ebenfalls eine Notiz hinterlassen. Kurz und bündig, dass ich nicht mehr komme. Sie hat sich nie wieder bei mir gemeldet.

Gleich ob  man diesen Beruf nun Raumpflegerin, Putzfrau, Haushaltshilfe, Putzhilfe, Reinemachefrau, Bedienerin, Spettfrau, Zugehfrau, Zugeherin, Putze, Aufwartefrau, Stundenfrau, Scheuerfrau, Reinigungskraft nennt, es ist mehr als nur sauber machen.

Ich meinerseits wäre heute froh, wenn ich Hilfe im Haushalt hätte. Doch die wahren Perlen sind auch hier wohl ein Glücksfall. Eine Vielzahl arbeitet schwarz. Vielen Frauen, wahrscheinlich auch Männer wird diese Arbeit oft zugewiesen. Sie tun zwar, aber mit viel Unmut und wenig Hingabe. Auch für diesen Job braucht es eine Affinität.

Für mich ist jede Arbeit eine ernst zunehmende Herausforderung, die ich äußerst gewissenhaft angehe. Egal ob es das Putzen ist oder die Leitung   eines Betriebes mit großer Verantwortung für viele Mitarbeiter ist. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wo ich merkte, es ist nicht in meinem Sinne oder ich habe einfach kein Talent dazu habe ich es sein lassen.

Putzen, Saubermachen und Hausarbeit an sich sind nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigungen, dennoch bin ich davon überzeugt, dass ich nie so schlecht war, wie Madame es mir geschrieben hat.

Mein lehrreicher Gewinn daraus: Putzen kann sicherlich nicht jeder, und ich muss nicht wirklich immer alles tun, selbst in einem äußerst prekären finanziellen Dilemma.

Nur weil ich den Dreck wegmache, bin ich selbst  Dreck!

PS: Es gibt übrigens einen Tag der Putzfrau!

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