Was vom Tag bleibt

Blog-Bild:"PullOut"

Auch wenn sich meine Tage in den letzten drei Jahren im Ablauf sehr ähneln, ist jeder davon einzigartig. Heute habe ich ganz besonders den Eindruck, dass sich irgendwas in mir verschoben hat. Was das ist, weiß ich wahrscheinlich erst in der Zukunft. Es fühlt sich so an, als hätte ich eine Zwischenetappe erreicht. Wie ich darauf komme? Es scheint so als blitzt da ein winzig kleiner Sprössling, genannt Selbstsicherheit durch die betonierte Seele. Ja, ich war für meine Begriffe sogar mutig.

1. Mutprobe: Musste wieder Futter ranschaffen. Jagdgebiet des modernen Homo sapiens der großräumige Supermarkt. Zum Transport der Beute benutze ich mein 18 jähriges motorisiertes Pferdchen namens „Zwingo“. Zwingo hat zwar ein paar kleine Macken, aber er reicht für meine kurzen Ausritte. Doch heute bockte er schon nach 50 Meter und ich kam nur mühsam an die erste Straßenecke. Warnblinkanlage an! Versuche mit Gefühl weiter zu kommen, es gelingt. Zwei Straßenkreuzungen geschafft! Gleite geschmeidig in Richtung Futterplatz. Reiße das Fenster auf, damit mein Schweiß auf der Stirn trocknet. Nur noch 10 Meter, na geh´ schon, weiter! Die Zapfsäule in Sichtweite. Kein Lebenszeichen mehr. Steige aus und gehe herzklopfend auf einen älteren Herrn zu, der gerade liebevoll sein Transporttierchen mit einem Putzlappen streichelt. Frage ihn mit zittriger Stimme: „Bitte, helfen sie mir!“ Ich schwitze wie im Hochsommer. Der freundliche Mann schiebt Zwingo und mich lässig lächelnd zur Tränke. Geschafft. Bedanke mich überschwänglich bei meinem Retter. Mein Zwingo säuft sich mit den noch vorhanden € 9,-- in meinem Börserl an. Geschafft und weiter geht es.

1.1. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich bei der Tankstelle geheult und das Auto stehen gelassen.

2. Mutprobe: Schiebe meine Schirmkappe weiter nach oben aus dem Gesicht, ich nehme die Sonnenbrille ab und wage vorsichtige Blicke auf mein Umfeld.

2.1. Meine Schirmkappe und meine Sonnenbrille beschützen mich nicht nur vor Wind, Wetter und der Sonneneinstrahlung. Scham, Scheu, Angst werden darunter versteckt.

3. Mutprobe: Verweile länger als notwendig in der Trafik und beginne ein Plauscherl mit der Verkäuferin.

3.1. Zuvor meist nur die notwendigsten Worte ausgespuckt, um das zu bekommen, was ich brauche.

4. Mutprobe: Nachdem ich mein Futter im Supermarkt eingesammelt habe (Mr.Right hat mich nicht angerempelt :)), warte ich bei der Zahlstelle. Vor mir 2 betagte Damen. Die Frau ganz vorne lädt bedächtig ihre Lebensmittel in ihren Wagen. Der Herr dahinter hilft ihr, mit der Bemerkung: “Einmal am Tag eine gute Tat“ Die Kassierdame nennt den Betrag. Die Kundin sieht sie ratlos an und übergibt ihre Geldbörse. Geduldig entnimmt die Angestellte das Geld und erklärt der alten Dame Schritt für Schritt was sie tut. Die nächste Kundin kommt dran. Funktioniert klaglos. Dann fällt der alten Dame von vorhin ein, sie bräuchte noch ein Sackerl. „21 Cent, bitte!“. Das Spielchen mit der Geldbörse noch einmal von vorn. Ich denke es sind sicherlich 5 Minuten vergangen. Nun bin ich an der Reihe, die Kassierdame entschuldigt sich bei mir. Ich lache und sage: „Kein Problem, ich habe Zeit, ich bin auch Pensionistin!“ Sie sieht mich kurz irritiert an, und lacht ebenfalls.

4.1. Ich wäre wohl völlig unruhig geflohen, entweder hätte ich hektisch weitere drei Runden im Geschäft gedreht, oder zu einer anderen Kassa geflüchtet. Die Schmerzen der Anspannung wären unerträglich und ich wünschte jede Sekunde endlich daheim zu sein.

Heute ist mir wieder einiges gelungen, was bis vor mehr als 3 Jahren selbstverständlich war und zum Alltag gehörte. Angst vor allem und jedem zu haben ist grauenhaft. Sie sperrt Dich ein. Isolationshaft. Doch heute habe ich einen Schritt heraus gewagt. Ja, es war anstrengend, ja es war mit viel Herzklopfen und Überwindung verbunden, ja und die Kleidung musste sofort in die Waschmaschine – jedoch es fühlt sich sehr erleichternd an. Langsam, sehr langsam werde ich weiter gehen. Der Gips ist zwar schon eine Weile ab, aber laufen kann ich noch lange nicht. Ein hartes Training steht mir noch bevor.

Dazu fällt mir ein Lied ein: „Dieser Weg, wird kein leichter sein…“

Leicht waren die vergangenen 50 Jahre auch nicht, aber etwas mehr Licht wäre fein für die Zukunft.

Damit ich besser sehe und erkenne.

Ich bin ohnehin sehr dankbar, dass ich überhaupt wieder was fühle. Ohne jegliches Spüren ist das Leben tot. Da ist nichts mehr in Dir. Keine Energie, keine Motivation, kein Sinn, einfach nichts. In dieser Leere gibt es auch keinen Schmerz, keine Tränen, keinerlei Emotion, egal ob positiv oder negativ. Nur ein Wunsch: „Schluss, Ende, Aus, Finale!“

Diese Gedanken schleichen sich nach wie vor ein, jedoch nicht mehr so allgegenwärtig wie zuvor. Ein klein wenig kann ich nun begreifen, was Achtsamkeit bedeutet. Sorgfalt mit dem eigenen Ich. Ohne auf einen Egotrip zu geraten. Das ist nach wie vor meine Befürchtung.

Besonders bewegend war heute auch die Rückkehr meines Sohnes aus London. Um 22:50 Uhr schaute ich spontan im Internet nach den in Wien gelandeten Fliegern. Genau in diesen Moment war auch eine Maschine in Schwechat angekommen. Ich schickte meinen Sohn eine Willkommens-SMS. 10min. später stand er vor der Tür. Ich war völlig aus dem Häuschen und konnte mir nicht vorstellen, dass er so rasch vom Flughafen daheim sein konnte. Ganz einfach, er war mit der vorherigen Maschine gekommen! Auch ein kleiner Hinweis, dass mein „Bauchgefühl“ wieder in Bewegung (und das ohne linksdrehendes Joghurt ;.) kommt. Er hatte viel zu erzählen, ich konnte aufmerksam zuhören und vor allem ich konnte mich wahnsinnig mit ihm freuen. Ein sehr warmes und wertvolles Gefühl.

Da war noch was…ach ja der Fluss des Lebens hat mich in einen kleinen Teich gespült, wo ich all meine unausgesprochenen Worte hinterlegen kann. Diese werden von Vorbeischwimmenden neugierig beäugt und kommentiert. Vorsichtig erwidere ich dem interessierten Publikum. Als kleines Dankeschön garniere ich diese Gedanken mit bunten Bildern.

Ich hoffe auf so wenig wie möglich bedrohliche Raubfische zu treffen, und falls doch, werde ich mich bemühen, mich nicht fressen zu lassen. Auch kleine scheue Lebewesen haben ihren Platz im Universum.

Katzen sind auch etwas argwöhnisch, doch wenn sie sich sicher und gut aufgehoben füllen, lieben sie Dich bedingungslos.

Ein Tag wie heute macht mich dankbar und ein wenig befreiter.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

PS: Bis dato, weiß ich nicht wirklich, warum ich all diese persönlichen Worte über meine Befindlichkeiten in die W.W.Welt deponiere; vielleicht dass sie dort einen Platz finden oder ganz einfach, dass ich sie lediglich geschrieben wurden.©Bluesanne

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