Vermutlich ist für die meisten Patienten bei der Diagnose das Thema Tod und Sterben gedanklich vorhanden. Obwohl die Medizin heute bei vielen Krebsarten ein Überleben ermöglichen kann, ist in unserer Gesellschaft Krebs noch immer sehr stark mit dem Tod verbunden. Bis vor wenigen Jahrzehnten war das auch durchaus nachvollziehbar, denn ein bösartiger Tumor führte meist in eine leidvolle, mit dem Tod endende Zeit.
Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, die Möglichkeit eventuell zu sterben, hätte ich total ausgeklammert. Bei der Diagnose selbst hatte ich daran wirklich keinen Gedanken verschwendet. Ich hatte mich darauf konzentriert, den unausweichlichen Tatsachen in die Augen zu schauen und möglichst klar zu entscheiden. Ich war mir zu diesem Zeitpunkt zumindest sehr sicher, keinesfalls an der Erkrankung selber zu versterben.
Das erste und eigentlich auch einzige Mal dachte ich an ein mögliches Ende, am Tag vor der großen Operation, die mit zirka 10 Stunden angesetzt war und tatsächlich an die 17 Stunden dauerte. Irgendwie wurden Gedanken wach, dass so eine lange Narkosedauer eventuell nicht so gut enden könnte. Ich muss dazu erwähnen, dass es viele Jahre davor, bei einer Nasenoperation zu Komplikationen in der Aufwachphase gekommen war, die mir an diesem Tag wieder sehr bewusst wurden. Dieser Eingriff damals war medizinisch nicht sonderlich aufwändig, meine Nase wurde nach einem Bruch wieder gerade gerichtet, aber aus welchen Gründen auch immer, verzögerte sich das Munterwerden sehr lange. Ich bekam damals im Halbschlaf die hektischen Bemühungen des Operationsteams mit, ohne wirklich bei Bewusstsein gewesen zu sein. Realisiert hatte ich damals die Situation erst am Abend, als ich endlich wieder in meinem Zimmer lag.
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Das erklärt vielleicht weshalb mich am Vortag des großen Eingriffes im Jahr 2011 das ungute Gefühl beschlich, mich von niemanden verabschiedet zu haben und dies dringend nachholen wollte. So schrieb ich an alle Menschen, die mir wichtig waren, sehr persönliche Briefe. Diese kamen verschlossen in ein großes Kuvert, das ich einer der Schwestern übergab. Sie bekam den Auftrag, falls ich nicht retour kommen sollte, das Kuvert meiner Mama zu übergeben, die alle Briefe verteilen hätte sollen. Für den Fall meiner Rückkehr müsste mir meine Vertrauensschwester die Briefe retournieren. Wie der werte Leser nun richtig annimmt, erhielt ich die Briefe ungeöffnet zurück, als ich von der Intensivsation auf mein Zimmer verlegt wurde. Ich habe sie an dem Tag, als ich das erste Mal alleine vor das Klinikgebäude gehen konnte, im Freien verbrannt und die Asche vor meinem Zimmerfenster im Gebüsch verstreut.
Das war mit unter anderem einer der vielen, kleinen, aber wichtigen Schritte zurück in ein neues Leben.