Leben nach dem Krebs und ein wichtiges Projekt

Claudia Braunstein Claudia Braunstein

Heute ist er da, dieser magische Tag, von dem ich schon erzählt habe. Die Frist von fünf Jahren nach meiner Krebserkrankung ohne einen Rückfall, ist vorüber. Ich bin nun nicht nur krebsfrei, sondern gelte als geheilt. Es wird heute nichts anders sein, als gestern, und auch morgen wird sich vermutlich nichts verändern, zumindest was meinen gesundheitlichen Status anbelangt. Es ist vorbei, das traue ich mich nicht zu sagen, denn immerhin begleiten mich schwere Behinderungen durch meinen Alltag. Meine Sprecheinschränkung, die massiven Kau- und Schluckstörungen, das Chemobrain, die Polyneuropathien in den Fingern und Fußsohlen, all das wird mich ewig an diese sehr leidvolle Zeit vor fünf Jahren erinnern. Auch die Tatsache, dass mir die Krankheit meine Arbeitsfähigkeit genommen hat. Warum erwähne ich das des Öfteren? Weil ich zeigen möchte, dass schwere Schicksalsschläge, wie eine Krebserkrankung und Behinderung keine Gründe sein müssen, ständig mit sich und seiner Situation zu hadern. Es besteht auch keine Notwendigkeit schon morgens erste Klagen anzustimmen, weil man zum Beispiel kein Brot mehr essen kann. Von Schinken und Käse ganz zu schweigen. Und so könnte ich unzählige Hindernisse aus dem Alltag darlegen. Was würde es ändern, wenn ich permanent jammern würde. Nichts, außer dass eine absolute Unzufriedenheit mein Begleiter wäre. Das heißt nicht, dass ich mich nicht manchmal gräme, weil mir so einiges verwehrt bleibt. Aber wessen Leben ist schon dauerglücklich und frei von jeglichen Beschwerden in welcher Form auch immer.

Ich halte es für ungemein wichtig, nach oder auch mit einer derartigen Erkrankung, sein Leben neu aufzustellen. Das kann oft sehr bitter sein und auch verzweifelte Situationen hervorrufen. Auch ohne Krebs kann man von einer Sekunde auf die andere einen Schicksalsschlag erleiden, den man bewältigen muss. Je positiver man damit umgeht, desto leichter findet man in ein neues, oft anderes Leben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man auch in der ausweglosesten Situation noch positive Aspekte finden kann, man muss es nur zulassen und sich nicht in Selbstmitleid baden.

Wichtig war für mich der familiäre Background, der mir im ersten, zugegebenermaßen oft sehr finsteren Jahr, unglaublich hilfreich war. Auch heute kann ich mich in kritischen Situationen, die es manchmal gibt, auf meine Familie verlassen. Was ich überhaupt nicht brauchen kann, ist Mitleid und oft auch vermutlich gut gemeinte Ratschläge, die nicht nachvollziehbar sind. Unlängst wurde mir geraten meinen Lebensstil zu überdenken, damit ich nicht immer so viel Leid erfahre. Warum nimmt jemand, der mir überhaupt nicht nahesteht an, ich würde leiden? Nicht jeder Mensch empfindet eine schwere Erkrankung als Leid. Ich habe es als große Herausforderung empfunden, auch heute noch manchmal, aber sicher nie als Leid. Nicht alles Ungemach ist immer erklärbar und manches sollte man tatsächlich als Schicksal ansehen. Trotzdem ist es sehr erstrebenswert gerade nach einer derartigen Krankheit seinen Lebensstil zu überdenken und auf wenig gesundheitsfördernde Gewohnheiten zu verzichten. Rauchen, falsche Ernährung, übermäßiger Alkoholkonsum und kaum Bewegung gehören dazu.

Und weil ich heute sozusagen Geburtstag feiere, möchte ich ein Projekt hierlassen, dass mir als Mundhöhlenkrebs-Überlebende sehr wichtig ist. Diese besondere Krebsform ist nach wie vor ohne Lobby und erhält im Vergleich zu anderen onkologischen Erkrankungen kaum Aufmerksamkeit. Gerade durch HPV high risk, der bekanntlich Gebärmutterhalskrebs auslösen kann, sind nun auch häufiger junge Menschen betroffen, denn HPV kann auch ein Risiko für die Mundschleimhaut darstellen, wie auch für andere Körperregionen die über Schleimhäute verfügen. Wie erreicht man nun junge Menschen? Mit Musik. Sound of Change ruft mit dem Projekt Mach den Mund auf! besonders junge MusikerInnen auf, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Jeder von uns kennt jemanden, der jemanden kennt, der musiziert, textet, ein Instrument spielt oder singt. Und genau diese Gruppe soll durch das Projekt erreicht werden. Darum bitte ich euch, mir zu helfen mehr Öffentlichkeit für dieses wichtige Thema zu erreichen.

#fuckcancer!

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