by Claudia Carius/Schaufenster der ev. Ladenkirche Mülheim

Karfreitag ist mir wieder aufgefallen, wie sehr doch das Internet dazu tendiert, alles Groteske und Hässliche besonders hervorzuheben. Die einen posteten einen besoffenen Jesus-Darsteller, der unter einem Kreuz aus Bierkästen fast zusammenbrach, die anderen den an einen Veits-Tanz erinnernden Kirchenauftritt von Tetiana Znamerovska, den die ARD anlässlich des hohen Feiertages ausstrahlte. Ich verzichte hier jetzt mal auf eine Verlinkung, weil diese Ereignisse auf X (formely known as Twitter) und Facebook schon genug Aufmerksamkeit erhalten haben.

Wer immer wieder verstörende Meldungen dieser Art in die Timeline gespült bekommt, muss eigentlich zwangsläufig irgendwann zu der Überzeugung kommen, dass ein Großteil der Menschheit den Verstand verloren hat und dass die Kirchen und öffentlich-rechtlichen Sender an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig sind.

Doch stimmt das wirklich? Tatsächlich wird es wohl in 99,9% der evangelischen Kirchen an Karfreitag keine absurde Tanzeinlage gegeben haben und auch wenn viele mit dem christlichen Glauben nichts mehr anfangen können, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass Jesus für alle nur noch eine Witzfigur ist.

Karsamstag bin ich dann gegen 21:00 Uhr auf dem Mülheimer Kirchenhügel zufällig an einer kleinen Versammlung vorbeigekommen. Zwischen der evangelischen und katholischen Kirche hatten sich einige Christen eingefunden, um die Osterkerzen anzuzünden. Nach der feierlichen Zeremonie zogen die Katholiken samt einer Ministrantenschar mit ihrer Kerze zur Pfarrkirche St. Mariä Geburt und eine kleine Gruppe ging zur benachbarten evangelischen Petrikirche. Vermutlich auch, weil es wirklich nur einige wenige Gläubige waren, fragte ich spontan, ob ich mich anschließen könne - wogegen keiner etwas hatte. Ich scherzte noch, dass das Ganze nach einer sehr exklusiven Veranstaltung aussehen würde und bedauerte auch, dass wir nur so wenige sind. Nur die Pfarrerin und eine Handvoll Gemeindemitglieder - irgendwie hatte mich das Mitleid gepackt. Und so rechnete ich damit, dass nach einem kurzen Gebet in der Kirche die kleine Osterzeremonie beendet wäre. Wie man sich doch täuschen kann.

Wir gingen also durch den Seiteneingang in die fast stockdunkle Petrikirche und zu meiner großen Überraschung war diese rappelvoll mit Menschen. Vorne stand zudem ein ganz großartiger Chor, der zwischen den einzelnen Lesungen - teils gemeinsam mit der Gemeinde - betörend schön sang. Ich war in eine Osternacht geraten! Nach und nach wurde feierlich eine Kerze nach der anderen von der Flamme der Osterkerze angezündet. Bis der ganze Kirchenraum erleuchtet war. Und auch mir ein, zwei Lichter aufgegangen sind:

1.) Manchmal kommt es anders als man denkt.

2.) Genau das ist Ostern passiert.

Glaubt nicht alles, was im Internet oder in den anderen Medien vermittelt und verbreitet wird. In der Realität findet überraschend viel Erfreuliches statt - wenn wir uns die Zeit dafür nehmen und auch mal genauer hinschauen. In diesem Sinne: Frohe Ostertage!

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