Rettet das generische Maskulinum

Tim Mossholder https://unsplash.com

“Your time is limited, so don’t waste it living someone else’s life. Don’t be trapped by dogma — which is living with the results of other people’s thinking. Don’t let the noise of others’ opinions drown out your own inner voice. And most important, have the courage to follow your heart and intuition.” (Steve Jobs)

Manchmal zeigen sie im Fernsehen Original-Aufnahmen aus den 60er und 70er Jahren, in denen sich ältere Passanten über „langhaarige Hippies“ echauffieren oder sich ganz furchtbar über Miniröcke aufregen. Dieses absolute Unverständnis, diese Unmöglichkeit, solche Veränderungen in das eigene Wertesystem zu integrieren, wirkt heute komisch, aber auch anrührend - hatten diese Menschen doch jahrzehntelang an ordentliche Kurzhaarschnitte und Röcke, die höchstens Teile des Knies freigaben, geglaubt und finden sich nun plötzlich in einer Welt wieder, in der sie sich nicht mehr auskennen.

Jeden Morgen, wenn ich die aktuellen Meldungen lese - heute die, dass Mr Potato Head (eine alberne Kartoffelkopf-Figur aus Plastik, die in „Toy Story“ in einer Nebenrolle spielte) nicht mehr als Mr, sondern nur noch genderneutral als „Potato Head“ zu erwerben ist - also jeden Morgen, wenn ich sowas lese, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Und ich merke: es ist im Grunde dieselbe Empörung, die ich von den Passanten aus den alten Dokumentarfilmen kenne.

Das erste Mal spürte ich sie 1998 bei Einführung der idiotischen deutschen Rechtschreibreform, die sich selbst so häufig korrigieren musste, dass am Ende kaum noch jemand wusste, wie man „Delphin“ denn nun richtig schreibt. Oder als es an den Schulen plötzlich um „Schreiben nach Gehör“ ging - einer Methode, um Kindern schon von klein auf jegliches Gespür für die korrekte Orthographie abzutrainieren. Jetzt werden also auch noch die „Gästin“ und die „Bösewichtin“ Einzug in die deutsch-babylonische Sprachverwirrung erhalten und mit Gendersternchen wird (schriftlich und gesprochen) dokumentiert, dass man wirklich immer alle Geschlechter meint - über die genaue Anzahl habe ich mittlerweile den Überblick verloren.

Politisch korrektes „Neusprech“ ist nicht nur in Deutschland, sondern in großen Teilen der westlichen Welt zu beobachten. Letztens habe ich zum Beispiel in der Londoner Times gelesen, dass mit der Amtseinführung von Präsident Biden auch Begriffe wie „Mutter", „Vater“, „Tochter“ und „Bruder“ etc. - also Begriffe, die familiäre Beziehungen beschreiben - nicht mehr im Weißen Haus benutzt werden dürfen. Sie werden ersetzt durch Begriffe wie „Elternteil“ oder „Kind“. Hierbei geht es mal wieder darum, eben auch allen anderen möglichen Geschlechtern gerecht zu werden. Schon der Begriff „Frau" scheint mittlerweile verpönt zu sein. Deshalb nennen Tampon-Hersteller ihre Kundinnen auch „Menstruierende“ oder „Blutende“ und der britische NHS schreibt nur noch von „Menschen mit Vagina“.

Nun ist Sprache aber nicht etwas, was man wie eine ungepflegte 70er-Jahre-Frisur mal eben ändern oder wie einen Minirock mal eben wechseln kann. Sprache ist ein wesentlicher Teil unserer Identität: mit Sprache drücken wir aus, wer wir sind, wie wir denken, wie wir fühlen und was uns geprägt hat. Wenn wir unsere Sprache plötzlich nur noch so benutzen, wie andere uns das vorgeben, unterwerfen wir uns nicht nur einem ideologischen Diktat, sondern signalisieren auch nach außen, dass wir eben genau das tun und dass andere unserem Beispiel folgen sollten, um mit uns auf einer Ebene kommunizieren zu können. Gendern führt letztlich dazu, die Gesellschaft nur noch weiter zu spalten: einerseits in die, die es beherrschen und das aus irgendeinem Grund immer unbedingt permanent demonstrieren wollen und andererseits in die, die es eben nicht können (z.B. Menschen, die sowieso schon Probleme mit der deutschen Sprache haben) oder die es absolut ablehnen. So wie ich.

Die Muttersprache (darf man diesen Begriff eigentlich noch benutzen ohne direkt in irgendeine Schublade einsortiert zu werden?) mit ihren festen, eindeutigen Begriffen so zu verhunzen, dass es weniger um einfache Sachverhalte, sondern vielmehr um die korrekte politische Einstellung geht, macht die Welt nicht schöner und gerechter, sondern nur noch hässlicher und noch chaotischer. Die Abschaffung des generischen Maskulinums sorgt nicht nur dafür, dass unsere Sprache und unser Miteinander komplizierter und sexualisierter werden. Wenn gewisse Themen nur noch auf eine bestimmte Art und Weise geschrieben und gesagt werden dürfen, geht es im Grunde auch darum, andere einzuschüchtern und mundtot zu machen. Deshalb unterstütze ich den Aufruf des Vereins Deutsche Sprache (VDS): https://vds-ev.de/allgemein/aufrufe/rettet-die-deutsche-sprache-vor-dem-duden/ Weil es hier um mehr geht als nur um eine Modeerscheinung, die man nicht versteht. Und vielleicht auch, weil ich einfach zu alt bin, um jeden Scheiß mitzumachen.

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