Von den Niederungen des Seins - VfGh-Verfahren Tag 2

Den gestrigen Tag mit einem Interview in der ZIB2 mit dem doch etwas deprimiert wirkenden Dr. Adamovich beendet

http://tvthek.orf.at/program/ZIB-2/1211

Heute gehen die Befragungen weiter, und wer gestern noch glaubte das es sich bei den beschriebenen Vorfällen lediglich um beschränkte Einzelsituationen handelte wurde eines besseren belehrt. Zusätzlich zum gestern erworbenen Wissen, dass in unserem schönen Land Protokolle grundsätzlich ohne vorheriges Durchlesen unterschrieben werden, und dass die von den österreichischen Parteien bestellten Wahlbeisitzer von einem kaum zu bremsenden Vertrauen in die österreichische Bürokratie beseelt sind gab es heute folgende Wissenszugewinne zu verbuchen:

- Augenscheinlich ist es in Österreich so, dass Personen die Funktionen im Bereich Leiter/Stellvertreter der Bezirkswahlbehörden innehaben zum Großteil ein doch etwas seltsames Rechtsempfinden haben. Wie kann es sonst erklärlich sein, dass man am heutigen Tag von Befragten erfuhr, dass wohl ohne Wissen der Wahlbeisitzer Protokolle über fragliche/nicht stattgefundene Sitzungen der Wahlbehörden erstellt wurden und diese dann auch von den Wahlbeisitzern(augenscheinlich ohne deren Wissen) unterfertigt wurden. Oder, dass es Bezirkswahlbehörden gab, die gleich zwei Protokolle für die selbe Sitzung am 23.5. ausstellten.

Bemerkenswert auch der Befund, dass augenscheinlich zwar alle Beteiligten realisierten, dass eine Auszählung am Sonntag gesetzeswidrig ist, man sich jedoch in die Diktion "es ist eh nichts böses passiert" flüchtet und meint damit den Rechtsbruch kaschieren zu können. Auch konnte am heutigen Tag geklärt werden, was passiert wenn um 14 Uhr drei Stimmzettel zur Vollzähligkeit fehlen, aber alle Anwesenden hungrig sind: Man lehnt den Antrag einer der Wahlbeisitzer(in diesem Fall FPÖ) ab, unter den unter die Tische geworfenen Kuverts Nachschau zu halten, trifft einen Beschluss wonach es am wahrscheinlichsten sei, dass die Kuverts untergegangen seien und geht - richtig - auf Mittagspause, denn man war ja O-Ton "Fix und Foxi".

Negativer Höhepunkt war dann ein Bezirkswahlleiter aus OÖ, der sich konstant der Aussage entschlug(was sein Recht ist), dies allerdings dann dem VfGh-Gremium zu bunt wurde, die den Zeugen unter Vorbehalt einer Prüfung des Sachverhalts und neuerlicher Ladung nach Hause schickten. Es war wohl ok das er sich entschlug, denn auch in seinem Bereich wurde schon am Sonntag ausgezählt.

Wie die Qualitätssicherung seitens Bundes-Wahlbehörde aussieht konnte man bei einer Frage des VfGh an deren Leiter ebenfalls erahnen. Auf die Frage, was denn die Bundeswahlbehörde tue, um die korrekte Auszählung zu gewährleisten meinte deren Leiter "man bekomme ja nur die Akten, und da sei ja alles korrekt". Na dann!

Unwort des heutigen Tages war übrigens "vorbereitende Handlungen" - dies wurde als Feigenblatt für die rechtswidrige Öffnung und Zählung vorgeschoben. Allerdings nur solange bis die VfGh-Richter abschliessend erklärten, dass es diese Handlungen nicht gesetzeskonform seien.

Auf Grund der bisherigen Befragungsergebnisse war die heutige Aussage unseres Innenministers wonach die bisherigen Ergebnisse beschämend seien noch sehr höflich formuliert.

Interessant in diesem Kontext auch die Aussage eines Zeugen, dass die Praktik des Auszählens schon am Sonntag bereits bei einer früheren Wahl zum Europaparlament so geübt wurde.

Ich kann mir vorstellen, dass das eine oder andere Mitglied des VfGh-Gremiums am Ende eines solchen Tages Sodbrennen oder üble Träume zu vergegenwärtigen hat - denn über die geäusserten Sachverhalte nachdenken darf man wirklich nicht!

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julbing

julbing bewertete diesen Eintrag 21.06.2016 19:05:55

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